Transcription du débat entre Jean-Claude Juncker et l'ancien conseiller fédéral Christoph Blocher, sur l'avenir de l'intégration européenne

Moderation: Guten Abend. Mein Name ist Lukas Bärfuss und im Namen der Wochenzeitung Die Zeit aus Zürich heiße ich sie herzlich Willkommen zu der zweiten Ausgabe in der Diskussionsreihe „Wer hat das Sagen“.

Anlass dieser Reihe ist die Frage nach dem Zustand der modernen Demokratie. Die beste aller schlechten Staatsformen steht von vielen Seiten unter Druck. Kann sie etwa im Zeitalter der zunehmenden Beschleunigung noch auf die Probleme und Herausforderungen der Zeit reagieren? Sind die Prozeduren der Mehrheitsfindung nicht zu langsam und zu schwerfällig?

Denn die Herausforderungen sind gewaltig. Der nie zu sättigende Hunger der Industrienationen nach immer mehr Rohstoffen scheint nur schwer mit einer nachhaltigen Umweltpolitik zu vereinen zu sein. Das internationale Finanzsystem steht am Rande des Kollapses. Einige wenige verzocken den Wohlstand der Nationen und gleichzeitig tut sich die Politik sehr schwer mit der Errichtung von Leitlinien.

Und schließlich, aber überhaupt nicht abschließend, sehen wir die wachsende Kluft zwischen arm und reich, eine Schere die sich immer weiter öffnet, und nicht nur zwischen den Industrienationen und der sogenannten Dritten Welt, sondern auch hier in diesem Land werden immer weniger immer reicher und immer mehr haben immer weniger.

Dies sind einige der Inhalte die uns bei der Konzeption dieser Reihe begleitet haben.

Doch erlauben Sie mir zu Beginn noch einige Worte zu den Gründen, weshalb das Schauspielhaus Zürich, in Patenschaft mit der Zeit, überhaupt eine solche Reihe organisiert.

Ort dieser Veranstaltung, Sie werden es bemerkt haben, ist ein Theater. Hier werden jeden Abend Vorstellungen von Menschen besucht, die offen sich für Sichtweisen die nicht unbedingt ihre eigenen sind und auch fremde Positionen akzeptieren können. Theater, wie jede Kunst, findet nicht im luftleeren Raum statt. Es ist Teil der Gesellschaft. Und deshalb darf uns als Theater der Zustand dieser Gesellschaft nicht gleichgültig sein. Wir sind auf eine lebendige Öffentlichkeit angewiesen, auf einen freien Austausch der Meinungen und Argumente.

Eine freie Kunst funktioniert nur im Austausch mit Menschen die frei denken wollen, jenseits der Ideologien, vorgefassten Meinungen und der einfachen Antworten. Denn unsere Kunst, die Kunst des Theaters, die Kunst der Sprache und des Sprechens ist nicht somit die Kunst des Zuhörens.

Haben wir also nur aus Eigeninteresse diese Reihe konzipiert? Natürlich nicht. Das Schauspielhaus Zürich ist eine öffentliche Institution, und diese Öffentlichkeit gibt uns einen Auftrag. Sie erwartet Differenzierung. Das Theater ist und soll ein Ort der Genauigkeit sein, gerade in einer Zeit in der allzu oft die Lautstärke und nicht die gedankliche Tiefe den Wert eines Argumentes bestimmen.

Die Stücke William Shakespeares oder jene von Heinrich von Kleist, aber auch namentlich die Texte von Jeremias Gotthelf zeigen uns wohin die biologische Borniertheit führen kann und was Überheblichkeit für Folgen zeigt.

Das Theater, wie gesagt, hat den Auftrag, ein Raum der Differenzierung zu sein, der Ambivalenz; eine Anstalt in der man erlebt was Johann Wolfgang von Goethe formuliert hat, dass nichts auch ohne sein Gegenteil wahr ist.

Dieses Wissen sollte und alle verpflichten. Es sollte uns verpflichten den anderen, gegenteiligen Standpunkt zu respektieren. Es muss uns auch verpflichten die andere Meinung zu achten, weil sie der Wahrheit möglicherweise näher kommt als unser eigener Standpunkt.

Wir, und ich spreche hier auch ausdrücklich auch für die Wochenzeitung Die Zeit, glauben an die Kraft der Argumente. Wir glauben an die Auseinandersetzung mit dem Ziel den fremden und vielleicht auch den eigenen Standpunkt besser verstehen zu können. Wir glauben an den durchaus harten aber sachlichen Streit. Aber wir glauben ganz gewiss nicht an die Diffamierung des politischen Gegners. Wir glauben ganz entschieden und ausdrücklich nicht an Unterstellungen und ebenso wenig an unpassende Vergleiche. Wir glauben an die Kraft des Ausdrucks, aber nicht an Kraftausdrücke.

Wir haben heute Abend zum Streitgespräch geladen, nicht zum Duell und auch nicht zur Abrechnung. Dies hier soll kein Showdown werden sondern hoffentlich ein Austausch der besten Argumente.

Das Thema des heutigen Abends ist der Kleinstaat und sein Verhältnis zur Europäischen Union. Wie groß ist der Einfluss der Winzlinge in diesem großen Gebilde? Was würde die EU, was würde die Schweiz gewinnen oder verlieren bei einem Beitritt? Hat der bilaterale Weg eine Zukunft? Und natürlich werden wir auch über die neusten Entwicklungen in der Eurokrise reden.

Zu Gast heute Abend sind der alt-Bundesrat und Unternehmer Christoph Blocher. Er war zwischen 2003 und 2007 Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und aktuell verantwortet er als Vizepräsident die Strategie der schweizerischen Volkspartei.

Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker gilt als einer der Architekten des EU-Vertrages und als einer der einflussreichsten europäischen Politiker. Unter seiner Führung nahm Luxemburg 1997 den EU Vorsitz wahr. Jean-Claude Juncker ist Träger des Karlspreises der Stadt Aachen und seit dem Jahr 2004 Vorsitzender der Eurogruppe.

Peer Teuwsen, der Leiter der Schweizer Edition der Wochenzeitung Die Zeit, und ich werden das Gespräch moderieren und ich darf Sie noch darauf hinweisen, dass Sie im Anschluss an die Diskussion Gelegenheit haben Fragen zu stellen.

Begrüßen Sie nun mit mir unsere Gäste: Christoph Blocher und Jean-Claude Juncker.

Moderation: Guten Abend, meine Damen und Herren.

Luxemburg ist ein Kleinstaat, die Schweiz ist ein Kleinstaat. Luxemburg steht in der Rangliste des Prokopfeinkommens weltweit auf Platz 3, mit 79.500 Dollar. Die Schweiz rangiert auf Platz 17 mit 41.200 Dollar. Herr Premierminister, wäre dieser Erfolg auch ohne EU-Mitgliedschaft möglich gewesen?

Jean-Claude Juncker: Nein.

Moderation: Warum nicht?

Jean-Claude Juncker: Weil ein Kleinstaat – und Luxemburg ist ja noch ein kleinerer Staat als die Schweiz, und die Schweiz ist im übrigen so ein Kleinstaat auch nicht, weil es gibt in Europa 30 kleinere Staaten als die Schweiz, und auf der Weltrangliste ist die Schweiz Nummer 97, demographisch betrachtet, kulturell noch viel früher anzusiedeln – es nicht aus eigener Kraft schafft, wenn man so klein ist wie wir Luxemburger, Luxemburgerli, wie man in der Zürich sagt, und so eingepfercht ist zwischen zwei großen Staaten, Deutschland und Frankreich.

Und wir würden es aus eigener Kraft nicht schaffen, losgebunden von diesem transnationalen Solidaritätswerk, das die Europäische Union seit den 1950er Jahren darstellt, dieses Ausmaß an Wohlstand zu erreichen. Wir wären einfach zu schwach dafür. Ohne die Europäische Union gäbe es in Luxemburg zum Beispiel keine Stahlindustrie. Wir könnten keine eigenständige Industriepolitik machen ohne die Europäische Union, weil die Art und Weise wie größere Mitgliedsstaaten, oder größere Länder in Europa ihre nationale Industrie unterstützen, losgelöst von europäischen Regularien, würde uns an die Wand drücken.

Insofern, in der Summe, und bei einigen Nuancen, nein, ohne Mitgliedschaft in der Europäischen Union wäre es für Luxemburg nicht möglich gewesen sich aus dem Nichts zu einem der Länder weltweit emporzuarbeiten, das, was das Wohlstandsgefühl und die Wohlstandsrealität anbelangt, zur Weltspitze gehört.

Moderation: Herr Blocher, wo stünde die Schweiz heute, wenn Sie, persönlich, 1992 nicht wesentlich dazu beigetragen hätten, den EWR-Beitritt abzulehnen?

Christoph Blocher: Wir wären heute Mitglied der Europäischen Union und das ist für unser Land ein Nachteil.

Ich widerspreche dem nicht was Sie gesagt haben von Luxemburg. Sie sind ein Staat, man kann nicht sagen, wir beide sind Kleinstaaten. Wir sind sehr verschieden. Luxemburg hat etwa 500.000 Einwohner, in der Schweiz sind es etwas mehr als 7 Millionen. Wir haben eine ganz andere Geschichte und eine ganz andere Staatsform, eine sehr erfolgreiche.

Luxemburg war in der Geschichte immer in einer besonderen Lage. Sie hatten schon im 19. Jahrhundert Zollunionen mit Deutschland, Frankreich, besondere Verbindungen, Benelux-Staaten und so weiter.

Das hatten wir alles nicht, und die Schweiz, ich glaube das muss man sehen, ist ein außerordentlich erfolgreicher Staat. Aber auch wenn wir jetzt, ob wir jetzt auf dieser Liste sind oder auf jener Liste sind ist, wir wollen nicht Mitglied der Europäischen Union sein, weil unsere Staatssäulen sehr empfindlich getroffen werden.

Was macht denn die Schweiz aus? Wir sind ein kleiner Staat, im Vergleich zu den anderen. Im Vergleich zu Luxemburg sind wir ein großer, was die Einwohnerzahl angeht. Wir sind ein direkt-demokratischer Staat. Wir haben nie Fürsten oder Könige über uns gehabt. Wir sind vor 700 Jahren gegründet worden. Wir haben als erste in Europa eine Verfassung gemacht, 1848, wo alle Großmächte gesagt haben, das wird die Schweiz nie überleben, da ist der Pöbel der da regiert, weil die direkte Demokratie wollten sie nicht. Alle Verfassungen um uns herum gibt es nicht mehr von damals. Die Schweizer Verfassung ist noch die gleiche.

Wir haben 200 Jahre keine fremden Truppen mehr auf unserem Land gehabt, dank der dauernd bewaffneten Neutralität und des besonderen Status. Wir sind ein Land wo die Bürger und Bürgerinnen im Mittelpunkt stehen und entscheiden können. Und dieses Volk und die Kantone, ich glaube da bin ich kein Prophet, will nicht Mitglied der Europäischen Union werden. Aber wir haben nichts dagegen wenn andere Länder Mitglied sein wollen. Aber wir möchten es einfach nicht.

Und mir geht es nur darum, und wir möchten aber auch, Herr Juncker, nach der Auseinandersetzung der letzten Wochen, estimiert werden, dass wir ein selbständiger Staat sind und nicht ein geostrategisches Unding, was Sie da gesagt haben. Da wird es uns weh und bang. In der Geschichte, das war immer so, die Römer wollten schon ein Großreich, und da war man im Weg, und dann Karl der Große, all die habsburgischen strategischen Pläne und Preußen und Napoleon ganz besonders. Und dann das Dritte Reich auch wieder; da sind wir empfindlich.

Ich möchte, dass in Europa auch Kleinstaaten außerhalb ernst genommen wird und ich bin auch etwas beunruhigt, dass da geostrategische Pläne wieder einmal gezeichnet werden.

Moderation: Vielleicht können wir Herrn Juncker das Wort geben, damit er darauf reagieren kann.

Moderation: Ich muss Sie leider korrigieren, und das wird auch in den Schweizer Medien immer wieder kolportiert. Herr Juncker hat in diesem Zeit-Interview nicht gesagt, die Schweiz sei ein geostrategisches Unding, er hat gesagt, es sei ein geostrategisches Unding, dieser weiße Fleck auf der europäischen Landkarte. Das ist ein Unterschied.

Christoph Blocher: Aber gut, ich habe es etwas abgekürzt [wird unterbrochen]

Moderation: Ja, Sie haben ein bisschen abgekürzt und wir sind hier für Genauigkeit. Bitte Herr Juncker, wollen Sie etwas dazu sagen?

Jean-Claude Juncker: Unser Gespräch war ja angesetzt, bevor Sie angefangen haben mit mir auf Distanz zu streiten. Ich bin aber froh, dass wir uns heute Abend hier treffen können, weil es mir schon sehr darauf ankommt die Dinge klarzustellen, die Sie etwas, wie ich fand, unkorrekt reflektiert haben.

Grundsätzlich gilt für mich, dass die Europäische Union, und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, selbstverständlich alle zu respektieren haben, alle Europäer, von nicht-Europäern ganz zu schweigen, die nicht Mitglied der Europäischen Union werden wollen. Das ist eine Entscheidung des, in unserem Falle, Schweizer Souveräns, und da hat niemand sich einzumischen.

Und ich kenne die Schweiz lange und ich kenne sie gut. Ich bin regelmäßig Gast in der Schweiz und gerne Gast in der Schweiz. Ich verbringe seit vielen Jahren sowohl Sommer- als auch Winterferien in der Schweiz, in allen möglichen Landesteilen und ich kenne die Schweizer eigentlich sehr gut. Und weiß auch aus ureigener luxemburgischer Erfahrung, dass wenn man ein kleineres Land ist, man diese Zurufe über den Zaun nicht braucht, wo einem bedeutet wird was man eigentlich zu tun hätte, damit man den anderen gefällt.

Ich habe ein, wie ich fand, aber so irrt man sich, sehr Schweiz-freundliches Interview gegeben. Ich wusste nicht, dass Herr Hitler gesagt hat, dass ihm nichts Negatives zur Schweiz einfällt, weil ich erklärt habe, mir würde nichts Negatives zur Schweiz einfallen.

Ich habe das Schweizer Demokratiemodell in den siebten Himmel gelobt. Mir sind derartige Sprüche von Hitler nicht bekannt. Mein Land hat sehr unter der deutschen Besatzung, zweimal im 20. Jahrhundert, gelitten, meine eigene Familie auch. Und deshalb habe ich das nicht [undeutlich], aber ich möchte Sie jetzt nicht verkürzen auf diese Hitler-Parallele. Weil alles was übertrieben ist, ist ja letztendlich unwichtig und man muss das nicht im Detail besprechen.

Mir kommt es sehr darauf an, dass man in der Schweiz versteht, dass es in der Europäischen Union dieses hegemoniale Denken nicht gibt, dass man sich jetzt die Schweiz einverleiben möchte. Das ist überhaupt nicht der Standpunkt der Europäer, und auch nicht mein eigener Standpunkt.

Ich habe nur den Wunsch ausgedrückt, ich sage das mal so wie ich es empfinde, aus Liebe zur Schweiz, dass ich wünschen würde, dass die Schweiz Mitglied der Europäischen Union würde, weil ich mir für die Europäische Union davon verspreche, dass, wie ich es auch gesagt habe, mehr typisch-schweizerischer gesunder Menschenverstand, das europäische Denken mit beeinflussen würde. Und dass die Art und Weise wie die Schweiz regiert wird, gute Einflüsse auf das europäische Entscheidungsfindungsdenken hätte.

Und dass ich gesagt habe, die Schweiz wäre ein Unding ist deshalb nicht wahr, weil ich es nicht gesagt habe. Mein Punkt war, vielleicht hätte ich zwei Sätze mehr sagen müssen, aber ich habe sie nicht gesagt, das was Die Zeit reflektiert hat war korrekt. Mein Standpunkt war einfach, dass es für Europa geostrategisch wenig Sinn macht, dass die Schweiz nicht Mitglied ist.

Aber für mich ist klar, dass dies eine Sache der Schweizer ist, eine souveräne Entscheidung der Schweizer.

Ich werde in der schweizerischen Presse, auch in der überregionalen deutschen Presse, manchmal so als ein Euro-Euphoriker, als ein Euro-Naiver, als ein Euro-Idiot eigentlich beschrieben. Ich habe mir zur Europäischen Union ein sehr kritisches Verhältnis bewahrt. Wenn ich mit allem einverstanden wäre was in der Europäischen Union passiert, wäre ich Journalist geworden oder Theaterschauspieler und wäre nicht Premierminister geblieben.

Ich bin seit 28 Jahren Mitglied der Regierung, das schafft nicht jeder, 28 Jahre. Und ich tue dies, ich erledige diese Aufgabe, die ich nicht erledige sondern wahrnehme, weil ich meine eigene Heimat mag. Europa ist ohne Nationalstaat nicht denkbar. Nationen sind keine provisorischen Erfindungen der Geschichte, sondern sind auf Dauer eingerichtet. Und zu modernem Patriotismus gehört das Nationale, das ist mir sehr wichtig, und das Europäische. Beides schließt sich nicht aus.

Und dass ich immerhin beschlossen habe, weiterhin Politik zu machen, hat damit zu tun, dass ich regelmäßig wiedergewählt werde, und hat damit zu tun, dass ich mich beiden Horizonten sehr verpflichtet spüre, dem nationalen und dem europäischen. Und dem europäischen, weil das nicht-Europa meine Nation an den Abgrund ihrer Existenz gebracht hat. Und ich hätte gerne, dass es Luxemburg immer geben wird, so wie ich auch immer dafür kämpfen werde, dass es die Schweiz mit all ihren Eigenarten, mit ihren, wie in unserem Falle auch, Eigentümlichkeiten, mit ihren Qualitäten, mir ihrer Energie, mit ihren Talenten. Ich bin der größte Schweizer den es in Europa gibt.

Moderation: Es gibt einfach eine gewisse Skepsis in der Schweiz. Ist es wirklich nur der gesunde Menschenverstand, den die EU sich durch einen Beitritt der Schweiz erhoffen würde? Ist es nicht vielleicht vor allem die Finanzkraft der Schweiz, die die EU will?

Jean-Claude Juncker: Wenn die Europäische Union ein Mehr an gesundem Menschenverstand verbuchen würde, wenn die Schweiz Mitglied würde, dann wäre dies gut, weil der gesunde Menschenverstand ist in Europa sehr unterschiedlich verteilt.

Und weil er in der Schweiz besonders entwickelt ist, täte es der Europäischen Union als solche gut, und dem Gesamtkontinent auch gut, dieses Stück gefühlter Bodenständigkeit in die Europäische Union aufzunehmen, zu importieren, auch wie das mein Fall wäre, zu genießen.

Diese Auffassung, es ginge der Europäischen Union nur darum, Schweizer Finanzkapazitäten nach Europa zu importieren, diese Einstellung sehe ich eigentlich in der Europäischen Union nicht.

Luxemburg und die Schweiz sind ja auch Finanzzentren, manchmal in Konkurrenz zueinander, manchmal in engstem Schulterschluss, aber wir sollten uns nicht überschätzen. Es gibt größere und reichere als wir, aber die sind nicht besser als wir. Die Erfolgsgeschichte der Schweiz und Luxemburgs zeigt im Übrigen, dass man nicht unbedingt groß sein muss, um Großes verwirklichen zu können. Man kann dies auch als Kleinstaat Luxemburg oder als Kleinstaat Schweiz tun.

Die Überlegung ist nicht die, dass wir jetzt die Schweizer Finanzkanäle anzapfen möchten.

Im Übrigen sage ich, und das ist mein ehrlicher Standpunkt, ich komme ja nicht in die Schweiz um hier ein Plädoyer dafür zu führen, dass die Schweiz Mitglied der Europäischen Union werden soll. Dies ist eine ureigene Entscheidung des Schweizer Volkssouveräns. Es ist nicht angemessen für andere, sich in diese innerschweizerische Debatte einzumischen. Dieses Recht steht uns nicht zu. Ich habe nur gesagt, ich wünschte. Ich habe nicht gesagt, ich zwinge jetzt die Schweiz, ich bedrohe die Schweiz, wenn sie nicht Mitglied der Europäischen Union wird, dann passiert dieses und jenes. Es gibt kein Beispiel in der luxemburgischen Geschichte, dass wir durch hegemoniale Gelüste aufgefallen wären.

Christoph Blocher: Herr Juncker, ich freue mich, dass Sie uns nicht zwingen. Das habe ich Ihnen auch nicht vorgeworfen. Sie würden auch kein Interesse haben, diesen kleinen Fleck zu zwingen, diesen weißen Fleck auf der geopolitischen Landkarte.

Wissen Sie, jetzt sage ich Ihnen etwas persönlich. Vor 4 Monaten hatte ich große Freude an Ihnen. Auch heute noch, auch mit Ausnahme dieses Ausrutschers. Weil, im September des letzten Jahres, hat ein Parlamentarier in Frankreich, Stadtpräsident von Compiègne, quasi Luxemburg als ein Irrtum der Geschichte erklärt. Und dann ist ein Protestschrei in Luxemburg losgegangen. Das war nur ein Parlamentarier und, also nicht der Chef der Eurogruppe, sondern nur ein Parlamentarier. Ich habe mich gefreut, dass Sie sich auch gewehrt haben. Da könnte unser Bundesrat eigentlich noch lernen davon.

Und das führte zu einem solchen Streit, dass sich der Ministerpräsident Frankreichs, wenn unsere Zeitungen die Wahrheit geschrieben haben, sich entschuldigte. Weil Sie wollten ernst genommen werden.

Die Schweiz, wir haben immer um die Freiheit kämpfen müssen, das war immer die Frage Wiederstand oder Anpassung. Und wir hatten immer Volksschichten, vor allem die führenden, die für Anpassung waren und dann den Wiederstand.

Wir überschätzen uns nicht. Das ist eine Kampfsituation die wir haben, und es freut mich, dass Sie sagen, wenn die Schweiz beitreten würde, würde gesunder Menschenverstand in die EU kommen. Ich kann Ihnen sagen, es kommen nur die Politiker und erfahrungsgemäß verlieren Sie an allen internationalen Konferenzen den Verstand relativ schnell.

Nun müssen wir aber doch auf das Grundsätzliche gehen.

Jean-Claude Juncker: Sie haben an zu vielen internationalen Konferenzen wahrscheinlich teilgenommen.

Christoph Blocher: Ich war eine kurze Zeit in der Regierung.

Jean-Claude Juncker: Ja, aber verheerend in der Wirkung.

Christoph Blocher: Damals, ich habe es nicht auf 21 Jahre gebracht, wie Sie

Jean-Claude Juncker: 28

Christoph Blocher: Da gratuliere ich Ihnen, aber in den 4 Jahren war ich an diesen internationalen Konferenzen. [Undeutlich] ich bin ja auch Industrieller, ich habe nie von diesen Großkonferenzen Lösungsantworten erwartet. Und ich finde es in erster Linie mehr oder weniger eine Schaumschlägerei.

Ich habe hier ein besonderes Verhältnis zum Kleinen, oder ein besonderes Verhältnis gegen das Voluminöse. Vor allem weltweite globale Finanzsysteme und so weiter, an die habe ich nie geglaubt. An diese Großfusionen glaube ich nicht, und ich glaube auch nicht an die Großkonstruktionen der Machtgebilde in Europa.

Aber das ist meine Meinung. Sie glauben, dass die Schweiz keine Perspektive hat, laut diesem Interview, und ich glaube, dass die EU keine Perspektive hat, weil ich glaube, dass verantwortlich sein der Politiker für das Kleine, für das Fassbare, das ist eine Frage auch der Verantwortung. In der EU habe ich immer das Gefühl, es sind alle für alles verantwortlich, aber niemand für etwas. Und das kann nicht gut gehen.

Was ist eigentlich das Hindernis der Schweiz und warum ist die Schweiz in Beitrittsfragen der EU ein Sonderfall?

Das ist die direkte Demokratie insbesondere. In anderen Ländern die beigetreten sind, verschob sich die Macht von einem Rathaus auf das Rathaus in Brüssel. In der Schweiz verschiebt sich die Macht von der Bevölkerung an der Urne auf ein Rathaus in Brüssel.

Darum sind unsere Politiker dafür; wenn es um die ginge wären wir schon lange in der Europäischen Union, sie haben dort die Macht, sie werden auch nicht mehr gehemmt vom Volk, aber die Bevölkerung will es nicht. Und was die Bevölkerung bestimmt muss gelten. Es sind die Betroffenen.

Und jetzt, diesen Sonderfall, bin ich der Meinung, müssen wir durchstehen. Wir kämpfen nicht gegen die Europäische Union. Wir sind dagegen, dass man sagt, ihr müsst Europarecht in diesen Bereichen, in denen ihr Verträge habt automatisch übernehmen. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir sind ein souveränes Land. Der Gesetzgeber ist die Mehrheit der Bevölkerung, und wenn es Verfassungsrang hat die Bevölkerung und Kantone. Und das wollen wir halten, ich glaube das ist eine Zukunftsperspektive.

Ich sehe den Ruf in Europa nach Demokratie, wird bei 500 Millionen relativ kompliziert sein, nehme ich an. Aber wir haben Erfahrung. Wenn wir keine Erfahrung hätten, wissen Sie, wie bei der Abstimmung über den EWR damals in 1992 – also, ich habe über 20 Jahre gegen den EU Beitritt gekämpft. Sie haben gesagt, Sie seien 21 Jahre in der Regierung.

Jean-Claude Juncker: 28 Jahre.

Christoph Blocher: Eben, das soll Ihnen zuerst jemand nachmachen. Das macht mir auch keiner nach, dass ich 20 Jahre gegen den EU-Beitritt kämpfe.

Moderation: Herr Blocher, Sie haben das Volk erwähnt. Erlauben Sie mir da eine Frage. Im Juni 2005 sagte eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung Ja zu dem Schengener Abkommen und im September 2005 auch Ja zur Personenfreizügigkeit. Sie und Ihre Partei, die SVP wollen Neuverhandlungen der Personenfreizügigkeit, und im Falle der Schengener Abkommen sogar eine Kündigung. Weshalb? Missachten Sie den Volkswillen?

Christoph Blocher: Wenn wir den Volkswillen missachten würden, würden wir Schengen nicht beachten und die Personenfreizügigkeit nicht beachten. Es ist mir selbstverständlich, dass all dies nur auf dem demokratischen Weg gehen kann und nicht anders.

Wenn man aus Schengen austritt, müssen Volk und Städte einen neuen Vertrag, wie bei der Personenfreizügigkeit, akzeptieren. Das ist doch kein Verstoß. Ein Verstoß wäre es, wenn wir sagen würden, das akzeptieren wir nicht. Ich habe keine Volksabstimmung. Viele Volksabstimmungen sind gegen die allgemeine Meinung, finde ich nicht richtig. Aber ich bin der Meinung, dass der Volkswille gehalten wird.

Und was Sie sagen ist kein Verstoß. Ich kenne diese Schlaumeierei. Alles was in der Schweiz gemacht wird, Gesetze, müssen gehalten werden. Die Änderung ist möglich, aber es muss durch die gleichen Gesetzgeber passieren. Ich habe keinerlei undemokratische Meinung. Bei der Personenfreizügigkeit haben wir jetzt ungeahnt Schwierigkeiten und wir sind der Meinung, wir sollten das anpassen. Und wenn man es anpasst, muss wieder abgestimmt werden. Das ist selbstverständlich.

Moderation: Aber Sie fordern eine Kündigung des Schengener Abkommens, und ich wollte Herr Juncker fragen, was dann geschehen würde von Seiten der EU, wenn die Schweiz dieses Abkommen kündigen würde.

Jean-Claude Juncker: Ich möchte zuerst auf etwas zurückkommen was vorher gesagt wurde. Sie haben Recht, ich habe mich aufgeregt in einem Satz, als ein französischer Abgeordneter gesagt hat, Napoleon III, hätte sich geirrt, dass er Luxemburg nicht in der Versenkung [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: In Verhandlungen mit Bismarck waren die da [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Ja. Bismarck und so, die Großen dieser Welt.

Aber wenn ein Kleiner dieser Welt sagt, ich wäre Hitler, dann lache ich nicht, aber ich antworte nicht darauf, weil es Vergleiche gibt, die man nicht machen soll.

Luxemburg hat unter der deutschen Besatzung sehr gelitten. Luxemburg war zweimal besetzt. Luxemburg sollte von Hitler ans Deutsche Reich angeschlossen werden und Sie unterstellen mir ja nicht ich wäre Hitler. Ich würde mich sogar dagegen nicht wehren, so lächerlich wäre es wenn Sie das sagen. Aber ich lasse mich auch nicht einfach so in geistige Nähe zu Adolf Hitler platzieren.

Und wenn wir uns besser kennen würden, dann hätten Sie das auch nicht gesagt. Aber Sie konnten ja nicht so lange wie ich an diesen internationalen Konferenzen teilnehmen, ansonsten hätten wir uns ja früher kennengelernt.

Und im Übrigen habe ich dieselbe Abneigung gegen derartige diplomatische Choreographie, die sehr oft sonst nichts ist als Schaumschlägerei. Weil, als Vertreter kleinerer Länder sind wir es gewohnt, zusammen mit den Menschen, die Probleme die es vor Ort gibt zu lösen, und das nicht in internationale Erörterungsbahnen einzuweisen. Insofern teile ich Ihre Allergie gegen vieles was im internationalen Leben dargeboten wird.

Was die Schengen-Frage anbelangt, ist das nicht mein Problem. Die Schweiz hat, was ich ja sehr bewundere, ich hab das mehrfach zum Ausdruck gebracht, Zustimmung per Volksabstimmung zum Schengen-Raum gegeben. Wenn die Schweiz morgen die gegenteilige Entscheidung trifft, muss die Schweiz mit den Konsequenzen leben. Dies ist nicht ein Problem der Europäer.

Und ich würde mich auch in eine derartige Debatte nie einmischen. Die Schweiz steht vor der Frage, weil die Frage neu gestellt wird, wollen wir oder wollen wir nicht, Mitglied – ich vereinfache die Zusammenhänge – dieses Schengen-Raumes bleiben. Wenn die Schweiz morgen entscheidet wir wollen das nicht mehr, ok.

Moderation: Und was wären die Konsequenzen?

Jean-Claude Juncker: Mir dürfen Sie nicht die Frage stellen, was die Konsequenzen wären. Die Schweizer, die diese Frage beantworten müssen, müssen sich fragen, was sind die Konsequenzen?

Ich sage nur – unabhängig von den Sachfragen, da gäbe es vieles anzumerken – man soll sich nicht aussperren. Man soll nicht aussteigen aus dem was es an Gemeinsamen in Europa gibt. Man muss die andern nicht lieben. Aber man soll sie wenigstens mögen.

Europa hat so unendlich daran gelitten, dass wir voneinander nichts wussten, dass wir uns nicht füreinander interessierten, dass wir übereinander hergefallen sind. Das ging nie zu Gunsten der Kleinen, jedenfalls nicht im Falle meines kleinen Großherzogtums.

Ich möchte mit den andern Menschen in Europa leben, brüderlich wenn es geht, freundschaftlich immer, uns einander mögen und uns nicht einander von unserem Territorium vertreiben.

Ich fühle mich von niemandem in Europa bedroht, so lange Europa organisiert ist.

Christoph Blocher: Wir sind ein Land das so mit Europa verbunden ist und war, ob wir Mitglied sind oder nicht. Und wir mögen sie alle. Herr Juncker, ich meine Sie haben doch eben den Vergleich mit dem Hitlerreich. Ich muss Ihnen sagen, Herr Steinbrück, da waren wir in der gleichen Sauce, hat Sie und uns mit der Peitsche gedroht.

Jean-Claude Juncker: Nein. Sie hat er bedroht, nicht uns. Und ich habe Sie verteidigt.

Christoph Blocher: Ich sage jetzt wörtlich was Sie gesagt haben: "Es darf nicht sein, dass man sich in Europa in der Rhetorik so versteigt, dass schlechte Erinnerungen wach werden."Sie müssen mir nicht sagen, welche Erinnerungen Sie gemeint haben. Das ist auch verständlich.

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht etwas ausklammern wollen. Das Unheimliche war, dass hier wieder ein Denken aufkommt wo man sagt, es sind die Kleinen. Herr Müntefering, als die SPD noch in der Regierung war, hat gesagt, es sei schade, dass man nicht wie früher wieder die Armee schicken könnte. Ich bin am Rhein aufgewachsen, an der Grenze zum Deutschen Reich, in den 1940er Jahren. Wenn mir einer so etwas sagt, dann läuft es uns kalt den Rücken herunter. Jetzt beginnen die wieder so miteinander zu sprechen und da wehren wir uns.

Wir müssen uns wehren als Kleinstaat, aber nicht weil ich die Deutschen nicht mag und Herrn Müntefering nicht mag. Das ist mir gleichgültig. Aber so etwas geht nicht. Und darum können wir jetzt ja dann abschließen. Jetzt haben wir über diese Kleinigkeit genug gesprochen, aber die [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Ist das für Sie eine Kleinigkeit, wenn jemand mit Hitler verglichen wird.

Christoph Blocher: Das habe ich nicht gemacht. Sie können das nachhören, das ist schwarz auf weiß.

Jean-Claude Juncker: Ich wollte Ihnen mal zeigen wie es geht wenn man verzerrt.

Christoph Blocher: Ich muss Ihnen sagen, ich habe im Teleblocher gesagt, das ist der einzige Ort wo ich das gesagt habe, ich fühle mich an die Zeit Hitlers erinnert. Was hat er denn gesagt über uns? Er hat über uns gesagt, wir hätten die Zeit nicht verstanden, weil wir uns dieser Schicksalsgemeinschaft nicht anschließen. Die Schweiz sei ein kleiner Drecksstaat. Er hat gesagt, die Schweiz nehmen wir im Vorbeiweg ein. Er hat von einem Kleinstaatengesindel gesprochen.

Metternich hat 1815, als es um die Aufteilung in Europa ging, gesagt, dieser Schandfleck da, weil der war nur gewöhnt mit Fürstentümern zu verkehren und das gab es nicht. Und diesen Kampf führen wir und da sind wir empfindlich. Und ich bin jetzt froh, dass Sie sagen, das hätten Sie dann schon nicht gemeint, wir seien ein geopolitisches Unding.

Moderation: Jetzt schließen wir das mal ab.

Jean-Claude Juncker: Man kann nicht abschließen, bevor der Andere, der angesprochen wird, auch abschließen möchte. Sie haben Hitler zitiert. Ich zitiere Hitler nie. Er hat nur blödes Zeug geredet.

Christoph Blocher: Es war Goebbels, es war das Reich.

Jean-Claude Juncker: Hitler oder Goebbels, mir ist das egal. Das sind nicht meine Referenzen im politischen Denken.

Er hat über die Schweiz das Gegenteil dessen gesagt was ich über die Schweiz gesagt habe. Und deshalb haben Sie kein Recht, mich in geistige Nähe zu Hitler zu platzieren. Dazu haben Sie einfach kein Recht.

Das hat mich aber nicht beleidigt. Ich möchte Ihnen einfach nur sagen, so kann man unter befreundeten Nationen nicht reden. Ich bin in Europa sehr oft "bekämpft" worden, weil ich stets der Anwalt der Schweiz in der Europäischen Union war. Und ich werde das auch bleiben, weil ich mag die Schweiz und ich mag die Art und Weise wie dieses Land funktioniert. Und ich mache diesem Land auch die Art und Weise nicht streitig, wie es funktioniert. Die Schweiz kann in der Europäischen Union sehr viel lernen. Aber die Europäische Union kann auch in der Schweiz sehr viel lernen. Und wir sollten uns nicht streiten [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Da haben wir keine Schwierigkeiten. Wir setzen auch auf die europäischen Länder, auf die EU, aber wir wollen ernst genommen werden und das sagen Sie, das werden Sie auch tun als Chef der Eurogruppe.

Jean-Claude Juncker: Ja, ich nehme die Schweiz ernst.

Christoph Blocher: Sie haben aber auch gesagt, das war auch interessant, wenn wir der EU beitreten würden, wäre das eine Stabilisierung der Schweiz. Haben Sie das Gefühl, dass wir ein unstabiles Land sind?

Jean-Claude Juncker: Nein.

Christoph Blocher: Und Sie sind der Chef der Eurogruppe, ich meine, so stabil, wenn wir die Fernsehbilder schauen, ist jetzt das Gebilde auch wieder nicht.

Jean-Claude Juncker: Ich habe, bevor ich über die Stabilisierung der Schweiz geredet habe, das man auch zwischen Gänsefüßchen hätte abdrucken können, aber so habe ich das nicht verlangt, gesagt, man müsse die Frage des EU-Beitrittes der Schweiz, das eine Frage ist die von den Schweizern zu beantworten ist, perspektivisch auf 20-30 Jahre sehen.

Das war mein Punkt, weil die Welt hat sich massiv geändert in den letzten 20-30 Jahren. Fast hätte ich gesagt, während meiner Regierungszeit. Man muss diese Veränderungen, diese Verwerfungen, dieses Durcheinander-gewirbelt-sein, diese Irrungen und Wirrungen der Zeit sehr intensiv zur Kenntnis nehmen, wenn man darüber nachdenkt, was ja Aufgabe eines jeden Patrioten ist, wie das eigene Land auch in 20-30 Jahren, also nach unserer Zeit aussehen wird.

Und deshalb habe ich von der Stabilisierung der Schweiz in einem kontinentalen Text geredet, ohne dass ich dadurch der schweizerischen Autonomie hätte zu nahe treten wollen.

Was das Euro-Gebiet anbelangt, so ist ja nicht abzustreiten, dass wir Probleme haben. Sie haben doch bestimmt Euro-Fragen vorbereitet.

Moderation: Ja, ein bisschen später. Herr Blocher, Sie kämpfen jetzt wie Sie ja selber gesagt haben seit über 20 Jahren gegen die EU und den EU-Beitritt der Schweiz.

Christoph Blocher: Nur gegen das zweite.

Moderation: Ja, die EU jetzt nicht. Aber jetzt sagen Sie uns doch heute Abend mal, was gibt es denn eigentlich für eine Perspektive der Schweiz in einem Verhältnis mit der EU, nicht gegen die EU. Gibt es da eine Perspektive?

Christoph Blocher: Allerdings. Es ist einfach eine andere als die Europäische Union.

Moderation: Und die wäre?

Christoph Blocher: Sie müssen sehen, als wir über die EWU abgestimmt haben, das war in der Schweiz eine sehr leidenschaftliche Auseinandersetzung. Am Anfang waren eigentlich alle dafür. Und dann wurde ich eingeladen von Herrn Delors, ein hochfähiger europäischer Magistrat. Er hat mich eingeladen nach Brüssel. Er hat natürlich gesagt, ich sei ein interessanter Mensch, und was weiß ich was alles. Ich wusste schon was er wollte, er wollte von meiner Ansicht ablenken diesen Kampf zu führen, das ist ja klar

Aber es war ein zweistündiges interessantes Gespräch. Ich habe am Schluss gesagt, Herr Delors, es hat keinen Sinn. Wir haben zwei so verschiedene Konzepte. Das hängt auch mit Ihrer Person zusammen. Er ist ein Franzose. Franzosen sind Syndikalisten. Ich bin ein Schweizer. Schweizer sind extreme Föderalisten: 26 Kantone, 26 Steuersysteme. Jetzt haben wir eine Abstimmung gehabt, weil die Sozialdemokraten etwas harmonisieren wollen. Das Volk hat wieder nein abgesagt, die Kantone auch.

Zweitens, er hat mir nahe gelegt, warum die EU nicht demokratisch sein könnte. Da bringen wir dieses Ziel nicht hin. Da hab ich gesagt, das ist der Unterschied zu uns, wir sind Demokraten und fragen nicht, können wir die Demokratie haben damit das passiert was wir wollen. Die Demokratie ist ein Grundwert und zwar seit hunderten von Jahren. Sie wurde 1848 in der modernen Schweiz eingeführt, da haben wir 2 ganz verschiedene Auffassungen.

Und drittens habe ich ihm noch gesagt, Sie sind ein Katholik, ich bin ein Protestant. Die Katholiken haben weniger Angst vor Zentralismus. Ich bin aus Zürich, und in Zürich sind extreme Individualisten. Ich glaube, für die Schweiz ist das die richtige erfolgreiche Staatsform.

Ich war 1992 auch noch nicht so ganz sicher, ob meine Prognosen für die Schweiz stimmen, weil, wenn alle auf der anderen Seite sind, nur um Ihnen zu sagen [undeutlich] wenn das Volk hier Nein stimmt ist die Schweiz verloren, und die Schweiz wird in 5 Jahren, das wäre 1997 gewesen, die EU völlig verarmt auf den Knien bitten, dass man sie aufnimmt.

Und jetzt haben wir 2011, ich habe noch nie auf die Knie müssen vor der Europäischen Union, auch nicht vor einem anderen Staat.

Wenn ich einen Sprung mache zu heute, ist doch die Schweiz nicht verarmt, weil wir damals Nein gesagt haben, und dass es uns weniger schlecht geht, dafür weniger Staatsschulden haben, dass wir weniger Bürokratie haben, das ist dieser besonderen Staatsform anzukreiden, und dass wir nicht in der EU sind. Ich bin bescheiden, aber ich bin überzeugt, dass das ein Erfolgsrezept. Und Sie werden sehen, gerade was die Demokratie anbelangt, viele Länder werden darauf zurück kommen, und zwar auf die direkte Demokratie.

Wenn ich jetzt die Verhältnisse sehe in Stuttgart, wäre das sinnvoll zuerst etwas zu beschließen und dann das Volk zu fragen und nachher gibt es einen riesen Volksaufstand und dann diskutiert man? Ich glaube, das ist für mich keine Perspektive. Aber wenn die EU sagt, wir haben eine andere Perspektive und wir haben damit Erfolg, ich würde nicht dagegen sein. Ich bringe Ihnen auch nicht unsere Staatsform. Wir haben eine andere Perspektive. Aber die achte ich auch.

Moderation: Was hat die Schweiz eigentlich der EU zu verdanken?

Christoph Blocher: Ich weiß, was Sie jetzt hören möchten. Dank der Europäischen Union gibt es seit 60 Jahren keinen Krieg mehr in Europa. Das möchten Sie eigentlich gerne hören.

Moderation: Das stimmt ja auch, oder?

Christoph Blocher: Nein, das weiß ich nicht, ob es stimmt. Ich kann auch nicht das Gegenteil sagen.

Wir sind dankbar, dass es diese Kriege 1871, 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg über diese Hegemonie, Frankreich gegen Deutschland, dass das in dieser Zeit aufgehört hat. Aber ich weiß nicht, wenn es keine Europäische Union gäbe, ob wir wieder diese Kriege hätten, das weiß ich nicht.

Ich war auch nie gegen diese europäische Idee, wie es Churchill gesagt hat. Allerdings, er hat immer gedacht, England ist ganz sicher nicht dabei und ist auch heute halb dabei und halb nicht dabei. Die haben ein Opt In oder Opt Out, wie das ist, auch mit der Währungsunion. Aber ich habe nichts dagegen. Ich habe etwas Angst, von außen betrachtet, in der Europäischen Union, und ich hoffe es nicht [undeutlich] bürgerkriegsähnliche Dinge, nicht wahr. Man muss ja jetzt Staaten zwingen, wir sind ja jetzt bei der Eurodiskussion, ihren Lebensstandard um 20%-30% zurück zu nehmen.

Wir müssen ja auch mitmachen. Wir haben jetzt eine Forderung des Weltwährungsfonds, dass wir uns mit 16,5 Milliarden beteiligen sollen. Das ist also etwa ein Drittel des Bundeshaushaltes. Eine Organisation die für Entwicklungsländer war, muss jetzt plötzlich eingesetzt werden für die Rettung europäischer Staaten.

Und ich habe Angst bekommen, weil ich nicht weiß, ob die Länder wieder zu sich kommen. Jetzt hatten wir dann Irland, jetzt steht Portugal vor der Tür hat man uns heute gesagt, das haben bis jetzt auch alle gesagt bevor es so weit war, eine Gesundung wäre nicht so schlimm. Spanien wissen wir nicht, Italien weiß ich auch nicht.

Aber wir haben ja nicht nur diese europäischen Staaten, wir haben das Problem USA und so weiter.

Und da muss ich sagen, wenn wir für uns schauen, weil wir natürlich auch weniger Schulden haben, weil die Politiker weniger Schulden machen konnten. Wir haben eine Schuldenbremse durch das Volk bestimmen lassen mit 80%. Das ist die Schuldengrenze. Es darf nicht darüber gehen. Und darum werden wir auch von europäischen Staatschefs etwas als kleinlich gesehen.

Das ist meine Angst. Das ist eine Perspektive die ich habe für die Schweiz. Ich gehe nicht ins Ausland und sage, unsere Perspektive gilt auch für dich. Ich gehöre nicht zu den Demokratie-Aposteln die in der Welt herum reisen und sagen, du musst das auch machen. Aber für uns und 7 Millionen Ordnung zu haben ist für mein kleines Gehirn eigentlich noch genug.

Jean-Claude Juncker: Mein kleines Gehirn sagt mir, dass, ohne diese von mir bewunderte Art der direkten Schweizer Demokratie, Luxemburg ein Haushaltsdefizit hat das niedriger ist als das der Schweiz und eine öffentliche Verschuldung hat die niedriger ist als die der Schweiz.

Christoph Blocher: Gut, dafür müssten wir mal über die Finanzen von Luxemburg sprechen. Die sind ja in einer sehr privilegierten Situation.

Jean-Claude Juncker: Das sagt ein Schweizer.

Christoph Blocher: [Undeutlich] in der Europäischen Union.

Jean-Claude Juncker: Sie reden so wie die Deutschen mit uns reden.

Christoph Blocher: Ich habe die Statistiken der Europäischen Union [undeutlich] was bezahlt und Sie haben Sonderabkommen aus der Zeit der [undeutlich] Ich mache Ihnen nichts zum Vorwurf.

Jean-Claude Juncker: Normalerweise glauben Sie nicht jedes Zahlenmaterial, das aus Brüssel kommt, und das [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Ich habe kein Anderes, aber Sie können mit Anderes zukommen lassen.

Jean-Claude Juncker: Ja, das werde ich gerne tun, weil Ihre Kenntnis über Luxemburg ist etwas weniger ausgebildet als meine Kenntnis über die Schweiz. Und deshalb werden wir Ihnen das gerne zukommen lassen, weil Luxemburg ist selbstverständlich als reichstes EU-Mitgliedsland Nettozahler. Das hängt sehr von der Art und Weise ab, wie man dieses und jenes berechnet. Das zweite, ich komme aus diesem Grund – ich kann die Debatte so fortführen, aber ich glaube nicht, dass mehr als 200 Leute sitzen bleiben.

Christoph Blocher: Das habe ich auch gesehen, dass in den europäischen Staaten, in Bezug auf Brüssel verschiedene [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Die Europäische Union [undeutlich] diese Bürokratie-Diktatur die Sie immer an die Wand malen. Ich behalte mir mein Recht auf das freie Wort, auch in Brüssel, und ich sage auch in Brüssel was ich über Luxemburg denke, was ich über die Europäische Union denke und was ich darüber denke, wie manchmal einzelne Länder in der Europäischen Union, die ganze Europäische Union mit der Schweiz umspringen. Ich haben sich immer dem in den Weg gestellt, wenn über die Schweiz hergezogen wurde, also ob die Schweiz ein Unding wäre, in dem Sinn wie Sie denken, dass ich es beschrieben hätte.

Christoph Blocher: Ich habe im Duden nachgeschaut, was ein Unding ist, ich wusste es vorher auch nicht.

Jean-Claude Juncker: Ja, das war mein Eindruck, dass Sie nicht wissen was ein Unding ist.

Moderation: Reden wir jetzt mal über das große Thema der Eurokrise. Wer ist denn schuld daran, Herr Juncker? Sind es die Staaten, die Regierungen, die gigantische Schuldenberge aufgetürmt haben? Sind es die Banken, oder sind es alle zusammen?

Jean-Claude Juncker: Es sind alle zusammen und bevor alle es zusammen waren, waren es einige andere auch noch.

Diese Finanzkrise ist in Amerika, in den USA losgetreten worden, hat die amerikanische Realökonomie erreicht. Dann hat man uns erklärt, die Gurus dieser Welt, diese amerikanische Finanz- und Wirtschaftskrise würde den Weg über den Atlantik nicht schaffen, dann hat sie es doch geschafft. Dann wurde die europäische Finanzindustrie infiziert, dann wurde die europäische Realökonomie infiziert.

Dann hat man uns erklärt, wenn es die private Nachfrage nicht mehr gibt, müsste jetzt die öffentliche Nachfrage gestärkt werden, damit Wirtschaftstätigkeit in gebrauchtem Umfang noch stattfindet. Dann haben wir das gemacht, zu Recht, Konjunkturprogramme, alle haben das gemacht. Im Rahmen der G20, da ist die Schweiz nicht dabei, und im Übrigen hat die Europäische Union uns da vertreten.

Und dann haben die uns gesagt, jetzt seid ihr aber dabei zu hohe Schulden- und Defizitstände zu bewerkstelligen und jetzt müsst ihr diese Defizite und diese Schulden abbauen. Das stimmt ja. Es gibt ja Haushaltskonsolidierung [undeutlich] gangbare, zielorientierte Option.

Als wir das gemacht haben, hat man uns gesagt, jetzt seid ihr dabei, das Wirtschaftswachstum in seinem Auftreiben zu zertreten.

Ich beschreibe hier nicht einen Prozess der sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Ich beschreibe hier einen Prozess der in 18 Monaten stattgefunden hat.

Und ich habe aus diesen Gesamtvorgängen die Lehre gezogen, dass die Politik eigentlich unrecht gehabt hat vielen zuzuhören, die außerhalb der Politik gute Ratschläge geben. Das ist nicht immer, auch wenn es akademisch klingt und wissenschaftlich fundiert ist, die richtige Art und Weise wie man Politik gestaltet.

Ich habe mich über viele Jahre, da ich auch lange Arbeitsminister war, geärgert über diesen europäischen Trend zum Neoliberalismus in einer selten semantischen Verkennung des eigentlichen Wortes ‚Liberalismus‘, aber diese Art alles zu flexibilisieren, alles zu privatisieren, alles zu segmentieren, alles zu präkarisieren.

Die einfachen Menschen, die kleinen Leute – die es ja gibt, die melden sich selten zu Wort – ertragen dieses Wirtschaftssystem nicht mehr, ertragen es nicht, dass ganze Völkerstände in ihrer Funktion als Steuerzahler jetzt große Teile der Zeche zahlen müssen, während diejenigen, die eigentlich an dieser Finanzkrise Schuld sind, wiederum lustige Feste feiern.

Aus dieser Finanz- und Wirtschaftskrise ergibt sich in Europa, und in dem was man früher? den freien Teil der Welt nannte, eine soziale Krise. Und aus der Kombination von Finanz-, Wirtschafts- und sozialer Krise ergibt sich eine Systemkrise, weil die Menschen sich in unserer Art und Weise Wirtschaftspolitik zu steuern oder Wirtschaftspolitik sich entwickeln zu lassen nicht mehr zurecht finden.

Das ist ein echtes europäisch-schweizerisches Thema, ohnehin luxemburgisches Thema, aber auch ein europäisches Thema.

Und wir haben diese besondere Befindlichkeit der Europäer, diese Art und Weise wie wir unsere Sozialmodelle in Europa zu entwickeln gedenken, einzubringen in die Gespräche die weltweit stattfinden. Deshalb bin ich auch der Auffassung, obwohl ich ja auch sehe, dass ein einzelnes Land sich in internationalen Debatten wortgewaltig vernehmbar machen kann, dass es für so ein kleines Land wie Luxemburg, ich rede jetzt nicht von der Schweiz, essentiell wichtig ist, dass wir unsere Positionen, die wir tief empfinden, weil wir ein kleines Land sind, ein kleines Volk sind, weil viele bei uns näher an der Politik dran sind, weil es bei uns diese massiven Grade zwischen Politik und Volk nicht gibt, dass wir das in der Europäischen Union artikulieren können, weil es, wenn die Europäische Union es sagt, mehr Widderhall hat, als wenn wir es alleine sagen.

Wir haben uns ein feines Gefühl für Demographie und Geographie erhalten. Wir wissen, dass man in der Geschichte, deshalb sind wir Europäer geworden, wenig nicht Rücksicht auf unsere Neutralität und auf unsere eigene Identität nahm, und deshalb reden wir gerne im Konzert mit Anderen.

Ohne diesen Kleinstaats-Minderwertigkeitskomplex zu haben. Ich habe den überhaupt nicht. Wenn ich mit dem chinesischen Premierminister zusammen bin, was ich 3 Mal im Jahr tue, dann nehme ich den immer an der Schulter und sage, wenn ich bedenke, dass Chinesen und Luxemburger ein Drittel der Menschheit darstellen; und wenn ich das mit Deutschen oder Franzosen täte und sagen würde, wenn ich bedenke, dass ihr Deutschen und wir Luxemburger doch ein großes Volk sind, dann würde ich das nicht sagen wollen, alleine aus dem Grund, weil ich nicht mit dem verglichen werden wollte wie [undeutlich]

Moderation: Herr Juncker, eine Frage: Wie kommt der Euro aus seiner Krise?

Jean-Claude Juncker: Der Euro ist ja nicht in der Krise. Wir haben keine Eurokrise, wir haben eine Schuldenkrise in einigen Euro-Mitgliedsstaaten. Und das darf man nicht gleichsetzen.

Der Euro bleibt eine stabile Währung. Der Euro ist in seinem realen Außenwert im historischen Verglich 2,5% weniger als vorher. Im Direktvergleich mit dem Schweizer Franken hat der Euro 14% verloren.

Das ist keine Katastrophe für den Euro. Das ist eine nicht ungefährliche Entwicklung für die Vergleichswährung, wegen der Verlängerung die es in der Realwirtschaft und in den exportorientierten Bereichen dieser Realwirtschaft finden könnte.

Wir haben keine andere Option als die Haushaltskonsolidierung in den entsprechenden Ländern konsequent und zielorientiert weiter zu führen. Die Regeln waren gut, aber sie verfügen nicht über die Instrumente die es zu ihrer Durchsetzung brauchte. Es braucht eine Kombination oder Schnittmenge zwischen der Solidarität derer die schwächeln und der Solidarität derer die wegen des Gesamtinteresses der Eurozone dafür Sorge tragen müssen, dass die Finanzstabilität in der Eurozone erhalten bleibt.

Wenn wir den Euro nicht hätten, das wäre die andere denkbare Option gewesen, aber das ist keine zukunftsorientierte Option, dann hätten wir angesichts dieser Finanzkrise, wie auch früherer Finanzkrisen, in Russland, in Argentinien und Südostasien, eine totale Explosion der europäischen Währungslandschaft. Währungen aus dem so genannten tugendhaften Norden Europas wären massiv aufgewertet worden, und das wäre auch dem Schweizer Franken passiert. Das passiert ihm [undeutlich] auch jetzt.

Wir hätten Exportanteile in großem Masse – Schweiz, Luxemburg, Deutschland und Österreich, Niederlande und andere – verloren. Und deshalb ist der Euro, als einheitliche Währung, eine Währung die den Euroraum und ihre Wirtschaftsinteressen massiv schützt.

Ich teile die Ansicht nicht, dass der Euro in der Krise wäre, sondern dass es in einigen Mitgliedsstaaten der Eurozone kriselt, und deshalb muss Solidarität geübt werden und Solidarität muss verlangt werden, und wird auch zur Zeit verlangt via Reform des Stabilitätspaktes, via massive Auflagen diesen Staaten gegenüber damit sie von den europäischen Hilfen Nutzen ziehen können.

Insofern ist das ein Gesamtkonstrukt an dem ich vieles auszusetzen habe, das mir immer noch nicht gefällt. Ich bin der einzige noch aktive europäische Politiker der den Maastrichter Vertrag ausgehandelt und unterzeichnet hat. Den Euro wird es länger geben als mich.

Moderation: Herr Blocher, Herr Juncker spricht von Solidarität. Das ist ein Wort das Sie nur noch Hilfe schreien lässt, oder?

Christoph Blocher: Die Politiker glauben dieses Wort zu viel, dass ich nicht in die Knie gehe wenn ich das höre. Weil Solidarität [undeutlich] Man ist solidarisch mit den Schwächeren, aber Solidarität wird natürlich von einem verlangt für Dinge, für Umverteilung, für Bezahlen, für Dinge die man meines Erachtens nicht bezahlen darf.

Wir sind jetzt bei der Verschuldungssituation. Ich möchte Ihnen ein [undeutlich] geben. Es ist nicht primär ein Problem der heutigen Währung Euro, sondern es ist ein Problem mit Staatsverschuldung, es ist auch ein Bankenproblem.

Ich höre ja nicht nur was die Politiker sagen, sondern ich schaue auch was sie denken. Weil, wenn jetzt gesagt wird, in Deutschland, in Frankreich, wir retten Griechenland, wir retten Irland, sie retten auch ihre Banken. Wenn sie sie fallen lassen gibt es wieder ein Bankenproblem, [undeutlich] Und da muss man auch ehrlich sein und das sagen, statt zu sagen, wir sind solidarisch, wir sind die Tugendhaften.

Jetzt sagt man von der Schweiz, was, du bist dagegen, dass der Währungsfond mir 16,5 Milliarden bezahlt? Du bist unsolidarisch. Du bist kein sozialer Mensch.

Ich muss Ihnen sagen, ich bin tiefster Überzeugung, was hier abläuft ist falsch.

Wissen Sie was die Alternative ist? Was wäre passiert, wenn Sie Griechenland bankrott hätten gehen lassen? Das ist ja das normale im Geschäftsleben. [undeutlich] in meiner Bude und hätte in Saus und Braus gelebt, wenn ich gewusst hätte, dass wenn es mir schlecht geht, dass mir die anderen helfen und solidarisch sind. Weil ich weiß, dass das nicht ist muss ich Erfolg haben.

Wir hatten einen Fall, der mir bekannt ist, es gibt ja mehrere, aber als Argentinien Konkurs ging, Bankrott ging, haben natürlich viele, auch Banken, verloren. Aber Argentinien hatte die Möglichkeit etwas zu werden und ist auch etwas geworden.

Moderation: Sie haben eine Inflation von 40%, eine massive Armut [undeutlich]

Christoph Blocher: [undeutlich] sind amerikanische, die können Sie mit der Schweiz vergleichen. Das wäre die Alternative gewesen. Sie hätten das nicht geglaubt.

Moderation: Vielleicht mit Griechenland vergleichbar?

Christoph Blocher: Aber jetzt komme ich auf den Euro. Es wäre billig, wenn ich jetzt über die Eurokonstruktion herfallen würde in der Situation. Aber [undeutlich] wird sagen, wir haben vor 20 Jahren gesagt, und die Regierung hat dem Schweizer Volk versprochen, auch wenn wir [undeutlich] die Währungsunion wird es nie geben. Und ich habe gesagt, und sie müssen sie machen, sonst bringen sie die Völker nicht zusammen, aus politischen Gründen. Sie ist gekommen.

Und ich habe gesagt, [undeutlich] so verschiedene Wirtschaftspolitiken haben und darum hat man da, ich höre noch Herrn Kohl, es ist wie Zement gegossen, die Stabilitätsfaktoren: nicht mehr als 3% Defizit dürfen sie haben, nicht mehr als so-und-so viele Schulden, ich glaube, es sind 60% des Bruttoinlandproduktes, eine Schuldenbremse, eine Inflationsgrenze, dann geht es.

Da wurde die Regierung Kohl weggewählt, dann kam die sozialdemokratische Regierung, [undeutlich] der sagt, das ist unmöglich, diese Kriterien. Man wusste 2004, dass Griechenland seine Bilanzen, seine Staatsrechnung gefälscht hat. Dass sie die Rüstungskäufe nicht in die Rechnung genommen haben. Aber alle waren in der EU der Meinung, wir lösen jetzt diese Stabilitätsfaktoren auf, und das ist dazu gekommen, dass sie Geld bekommen haben. Griechenland hat zu viel Geld bekommen. Griechenland hat doch bei seiner Produktivität zu wenig Geld gehabt, da gibt es doch nichts zu holen.

Und jetzt das zurück zu nehmen, und bei Irland natürlich auch, das ist jetzt wirtschaftlich, das hat nichts mit dem politischen zu tun.

Und ich hoffe, dass Sie Recht haben, ich glaube nämlich momentan, [undeutlich] keine andere Möglichkeit als alles zu tun, damit dieser Euro erhalten bleibt. Es gibt ja Modelle, die Leute aus dem Euro zu lassen und neue Währungen zu machen, das gibt ein furchtbares Debakel im sozialen Bereich. Aber das heißt nicht, dass die Eurokonstruktion richtig war.

Heute höre ich auch von europäischen Politikern die sagen, das waren Geburtsfehler, ja, schwere Geburtsfehler, aber die sind natürlich für den Menschen eine harte Strafe für das ganze Leben.

Jean-Claude Juncker: Ich möchte nicht abstreiten wollen, dass die Eurozone kein optimales Währungsgebiet ist, wegen der Divergenzen und Differenzen die es auch in Wettbewerbsbetrachtungsfeld gibt; unterschiedliche Inflationssätze, unterschiedliche Gesamtregelungen, auch unterschiedliche Rollen, politische Auffassungen die es hier und dort gibt.

Als wir den Maastrichter Vertrag abgeschlossen hatten, war uns dies ja alles bewusst. Wir wollten eine unabhängige Europäische Zentralbank haben, Gott sei Dank, ich bin noch nicht [undeutlich], was die Unabhängigkeit der Zentralbanken anbelangt. Und wir haben gesagt, weil wir in der Europäischen Union immer Rücksicht nehmen auf die Nationalstellung, weil Europa eben kein Schmelztiegel ist und weil nicht alles in einen Topf geworfen wird, Wirtschaftspolitik, die ja teilweise Sozialpolitik co-determiniert, bleibt national aber sie muss koordiniert werden.

Wir haben also nicht ein europäisches Konstrukt entworfen, wo alle in allen Feldern der Politik und in allen Lebensbereichen genau dasselbe tun müssen, sondern haben der Subsidiarität den Raum eingeräumt den sie haben muss, damit das nationalstaatliche noch einigermaßen frei atmen kann.

Das war, so sagt man heute, der Konstruktionsfehler, dass man den Nationalstaaten zu viel Raum gelassen hat.

Christoph Blocher: Da haben Sie völlig Recht. Sie müssen sie eben darin zentralisieren, aber das ist etwas.

Jean-Claude Juncker: Ich bin eben nicht der Meinung, dass Sie sich zu Recht darüber freuen. Weil ich bin schon der Auffassung, dass, wenn man sich in eine Währungszone begibt und eine Währung mit anderen teilt, man diese Währung kollektiv und solidarisch führen muss, aber mit den eigenen Wortmitteln, nach Anleitungen die von der Eurozone erlassen werden, aber unter Mitwirkung aller Mitgliedsstaaten der Eurozone.

Wir waren etwas zu nachsichtig, was das-sich-Auseinanderdividieren von wettbewerbsrelevanten, makroökonomischen Faktoren in den einzelnen Teilstaaten der Eurozone war. Deshalb plädiere ich – ich habe das damals auch gemacht – dass wir stärkeren Zugriff auf die Gestaltung nationaler Haushalte brauchen. Nicht was die interne Regulierung der budgetären Flüsse anbelangt, aber was die Gesamtmasse anbelangt die in Aufstellung gebracht wird. Das tun wir jetzt. Deshalb wird diese Lage besser.

Zweitens, ich hab den Eindruck, dass Sie den Internationalen Währungsfonds immer mit der Weltbank verwechseln. Der Internationale Währungsfonds war nie da um Ärmeren und anderen Ländern auf die Beine zu helfen, sondern war da um die Probleme der ordo-regulierten Wirtschaftswelt in Ordnung zu bringen.

Und das Beispiel Argentinien, das Sie erwähnt haben, zeigt, dass diese einfache Vorstellung, ein Staat und eine Nation, und Menschen, und Kinder, und Enkel, und Urgroßeltern wären mit einem Betrieb vergleichbar nicht stimmt. Ein Land ist kein Betrieb. Und eine Nation ist kein Industriebetrieb.

Es gibt viele anderen Komponenten [undeutlich] dass man so tut, als ob man alles nach betriebswirtschaftlichen Kriterien abhandeln könnte. Sie sind ein versierter und erfolgreicher Unternehmer, ich bewundere Sie auch dafür, aber ich weigere mich – nicht weil ich kein erfolgreicher Unternehmer bin, ich habe das nur nie versucht – dass man betriebswirtschaftliche Denkweisen auf nationale Einheiten überträgt.

Die Argentinier sind ein armes Volk geworden. Ich unterstütze alles was man in punkto Argentinien versucht auf die Reihe zu bringen. Aber ich möchte nicht, dass dieser Grieche, den ich da begegne auf der Straße, auf dem Bürgersteig wenn ich durch Athen oder durch Saloniki marschiere, der mit all dem Zeug nichts am Hut hat, dass der jetzt die Zeche zahlen muss.

Christoph Blocher: Aber er zahlt sie jetzt.

Jean-Claude Juncker: Er zahlt sie, und dazu gibt es im Übrigen auch keine andere Option als diese Haushaltskonsolidierung. Aber ich möchte helfen, dass dessen Kinder eine Zukunft haben. Das ist eine europäische Aufgabe und nicht eine griechische Aufgabe. Die Griechen sind mir so lieb wie alle anderen in Europa auch und ich möchte [undeutlich]

Moderation: 16,7 Milliarden soll die Schweiz dem IWF bezahlen. Finden Sie das richtig?

Jean-Claude Juncker: Ja. Weil der IWF in diese europäische Rettungschoreographie eingebunden wurde ist es normal, dass die Anteilseigner des IWF ihre Last tragen. Das macht die Schweiz ja auch für andere interessant. Das hat die Schweiz ja auch für südostasiatische Staaten gemacht. Das hat die Schweiz auch für Russland gemacht. Das hat die Schweiz schon für viele gemacht. Also insofern ist dies [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Sie werden auch begreifen, dass wir bei einem solchen Betrag wir das Gehirn nicht einfach ausschalten und sagen wir sind solidarisch. Vor allem [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Es geht ja nicht um Solidarität, es geht um die finanzielle [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Wissen Sie, wenn es ein Währungsproblem wäre, dann wäre ja der IWF da. Sie haben ja selbst gesagt, es ist kein Währungsproblem, es ist ein Bankenproblem. Man hat dann gesagt, diese Zahlung wäre völlig freiwillig, aber dann hat man gleichzeitig gesagt, wenn nicht alle zahlen, dann kommt da nichts zustande.

Lassen wir jetzt diese Details, aber ich möchte auf Ihre Sache zurück kommen, weil, was wäre passiert wenn Griechenland noch den Drachmen gehabt hätte? Das kann man sich ja mal vorstellen. Diese Währung wäre schwach geworden bei diesem haushalten in Griechenland. Zweitens, sie haben über ihre Verhältnisse gelebt, da gibt es nichts zu holen und zwar alle. Die Reichen, die Armen und die Pensionierten und so weiter.

Jean-Claude Juncker: Aber die Reichen mehr als die Armen. Die Reichen haben keine Steuern bezahlt und die Kleinen sollen jetzt nur die Zeche zahlen, das ist [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Herr Juncker, ich rede jetzt über die gerechte Demokratie. Jetzt bezahlen alle, und auch die Armen. Und dann müssen Sie mir nicht meinen, die Armen bezahlen hier nichts.

Jean-Claude Juncker: Ja, ja, ja

Christoph Blocher: Zweitens, die Politiker, die man immer wieder gewählt hat, haben betrogen bis zum Letzten mit den Finanzen.

Ich sage das einfach ganz nüchtern, weil wir das überprüft haben. Sie haben ganze Positionen, ganze Rüstungsbeschaffungen nicht ins Staatshaushalt genommen, für Dinge die wir als Unternehmen, wenn Sie schon wollen, dass man nicht vergleicht, wir wären hinter Schloss und Riegel, wenn wir das getan hätten.

Viertens, Herr Juncker. Sie haben gesagt, man solle nicht private Unternehmen mit Staaten vergleichen. Das mache ich nicht. Aber diejenigen, die jemandem Geld geben, haben die Verantwortung dafür zu sorgen, dass sie am Risiko teilhaben. Und das hat eben jetzt diese Solidaritätsübung weggeschwemmt. Sie hat es ja auch bei den Banken weggeschwemmt. Jetzt zahlen die Steuerzahler, weil man leichtfertig diesen Staaten Kredit gegeben hat.

Und die hätten sie nicht gegeben, wenn sie gewusst hätten, dass dem so ist, und weil sie wissen, dass sie es nicht verlieren, haben sie es gegeben, und sie werden es ihnen auch in Zukunft geben. Und das ist die Finanzierung von Spekulation durch die Steuerzahler und die Bürger. Und da wehre ich mich.

Jean-Claude Juncker: Also, Sie Schweizer, und ich Luxemburger, die wir ja beide in unseren Staaten tätig sind, die gleichzeitig auch Finanzzentren sind, ohne dass ich akzeptiere, dass man sagt, Schweiz und Luxemburg ist sonst nichts als ein Finanzzentrum. Es ist ja diese Karikatur, die man über unsere Länder sehr oft, auch im deutschsprachigen Raum, entwirft. Wir beide sind eigentlich analytisch auf derselben Ebene tätig.

Ich bin kein Freund der Banken, nur weil Luxemburg ein Finanzzentrum ist. Ich habe mir einen kritischen Blick auf die Finanzarchitektur bewahrt, die ich lange Jahre schon nicht mehr verstehe, und von der ich entdeckt habe, dass die Banker selbst die Finanzarchitektur und ihre Produkte nicht mehr verstehen.

Deshalb reagiere ich etwas allergisch darauf, wenn Sie sagen: ich als Unternehmer habe diese These – die Banken sind auch Unternehmen, und die Banken haben sich eben nicht benommen [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Wählen wir auch.

Jean-Claude Juncker: Die Banken haben sich eben nicht benommen wie verantwortungsvolle Unternehmer. Ich rede jetzt nicht von der Sparkasse und von der Raiffeisenkasse, ich rede von den grossen Banken [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Weil die wissen, die gehen nicht zu Grunde, die Banken wissen das auch.

Jean-Claude Juncker: Aber ich bin ja sehr bei Ihnen, wenn Sie sich darüber aufregen. Ich kann so lange mit der Faust auf den Tisch schlagen wie ich will, das Holz ist härter als meine Faust.

Und ich mahne Reformen tiefsten Ausmasses in der internationalen Finanzarchitektur an. Und in der Europäischen Union haben wir auch schon vieles auf den Wege gebracht, was die Regulierung der Finanzmärkte anbelangt, was die Encadrierung, um ein französisch-deutsches Wort zu gebrauchen, der Ratingagenturen anbelangt.

Es ist doch ein verrückter Zustand, man hat die Ratingagenturen zu Recht kritisiert, dass sie die Risikoanhäufungen vom amerikanischen Finanzsystem völlig übersehen haben, weil sie ja auch kundenliiert waren. Jetzt sind diese selben Ratingagenturen dabei, die Bonität einzelner Mitgliedsstaaten der Eurozone nach unten zu revidieren, und der Herdentrieb setzt sich genau in die Richtung fort, die die Ratingagenturen angeben.

Wir kritisieren die Ratingagenturen, dass sie nicht gesehen haben, was sich da an den Finanzmärkten zusammenbraut, und jetzt laufen alle in die Richtung der Ratingagenturen, wenn die sagen portugiesische, irische, und andere Staatspapiere haben eigentlich nur Ramschwert.

Wir müssen auch konsequent sein. Wenn wir diese "dunklen Mächte" kritisieren, dann müssen wir sie auch auf der ganzen Linie kritisieren.

Ich bin nachdrücklich der Auffassung, dass wir dafür zu sorgen haben, dass die Finanzstabilität in der Eurozone erhalten bleibt. Dies tut auch der Finanzstabilität auf dem gesamten Kontinent gut. Und wenn die Finanzstabilität gesamtkontinental gesichert bleibt, wird das auch dem Weltwährungssystem gut tun, das ja eh irrational funktioniert, weil es gibt ja keinen erkennbaren Grund, wieso und weshalb die Eurozone jetzt, via einzelne Mitgliedsstaaten, im Fokus der Finanzmärkte steht, während die Fudamentaldaten in den USA und in Japan wesentlich verheerender sind als in der Eurozone. Spanien, beispielsweise, hat eine Staatsverschuldung von 70%, die Amerikaner eine von 100%, die Japaner eine von 200%.

2007 hatten wir auf Grund der Konsolidierungspolitik, die bis dahin betrieben werden konnte, einen Auslandsdefizit im Durchschnitt von 0,7% in der Eurozone.

Wir hatten in den 10 ersten Jahren der Währunsunion eine Inflation von deutlich unter 2%.

Es wurden 16 Millionen Arbeitsplätze dank der Einführung des Euros geschaffen, mehr als in den Vereinigten Staaten von Amerika. Und jetzt stehen diese Eurostaaten im Fokus der Finanzmärkte. Ist das ein Zufall? Oder muss ich glauben, dass das wissenschaftlicher Recherche und Analyse entsprechen würde, dass jetzt die Eurozone, die mir ihren Fundamentaldaten besser da steht als die USA, und besser da steht als Japan, jetzt so von den Finanzmärkten abgestraft wird, die ja auch diese divergierenden Länder schon vor Jahren hätten abstrafen können durch definanzierte Zinssätze.

Wir können aber noch gerne darüber streiten, ich ersinne mir auch noch einiger Nuancen, aber ich glaube wir sind da fundamental einer Meinung.

Christoph Blocher: Herr Juncker, sehen Sie, hier haben wir natürlich im Wirtschaftlichen und im Politischen verschiedene Auffassungen.

Ich habe nie an die Weltfinanzsysteme geglaubt, das kann man nicht überblicken, der Mensch ist nicht in der Lage dazu. Ich habe auch immer vor Grossfusionen über alle Erdteile gewarnt. Es ist eine Frage des [undeutlich].

Die ganze Bankangelegenheit, ich sehe sie jetzt von der Schweiz aus, Ihre Banken sind vielleicht in einer anderen Situation. Die Schweizer Banken, solide Vermögens-, Verwaltungsbanken, wir haben doch hier kein Geldverrücken. Aber, weil es musste ein Weltsystem sein, beide Grossbanken haben sie natürlich Amerika, über 50% Amerika, sie haben nie Geld verdient in Amerika.

Und jetzt, wenn sie hören was sie gemacht haben, sagen sie, wir waren doch 10 Jahre ausserordentlich erfolgreich – wie Sie auch mit dem Euro – es war doch eine erfolgreiche Bank. Wir haben 10 Milliarden Gewinne pro Bank gemacht, und so weiter. Das ist doch nicht ein Erfolg, weil es am Schluss dazu geführt hat, dass es einen Klack gab. Und die gute Situation der ersten 10 Jahre war mitverantwortlich für die Kalamität in Spanien. Diese Länder haben viel zu viel Geld bekommen, einen Euro, der natürlich eine Salonwährung war par excellence. Und das musste irgendwo zu einem Klack kommen. Irland ist in die Verschuldung gekommen, weil sie die Banken gestützt hat bis sie das Geld nicht mehr meisterten. Und zu Griechenland hat betrogen und hat über die Verhältnisse gelebt.

Und darum sage ich, die erfolgreiche Phase des Euros ist eine Mitursache der heutigen Situation. Und darum glaube ich, dass eben auch Europa in dieser grossen Konstruktion keine – Sie haben ja gesagt, wir hätten keine Perspektive, das dürfen Sie auch sagen. Ich glaube auch [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Nein, das ist nicht so.

Christoph Blocher: Jawohl, auch Sie brauchen die Schweiz [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Ich habe das Interview auch mitgebracht.

Christoph Blocher: Sie sagen, [undeutlich] die Schweiz in ein aufstrebendes Projekt.

Jean-Claude Juncker: Wie war denn die Frage?

Christoph Blocher: Nein, also lassen wir diese Debatte [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Wie war die Frage, frage ich Sie. Ob ich ein [undeutlich] Projekt vertrete?

Christoph Blocher: Dann haben Sie gesagt, es kann die Schweiz sein, [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Ich halte Sie durchaus fähig, derartige [undeutlich] aufzugeben [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Sie haben mir gesagt, Sie möchten uns stabilisieren, und so weiter, mit dem Beitritt, aber lassen wir jetzt das.

Jean-Claude Juncker: Ja, ja.

Christoph Blocher: Herr Juncker, ich möchte Ihnen antworten.

Ich glaube nicht an dieses Grossprojekt. Herr Oettinger, ein EU-Kommissar, hat jetzt in der Schweiz einen Vortrag gehalten vor Regierungsräten, unter Ausschluss der Presse, hat mir ein Regierungsrat der schweizer Volkspartei erzählt.

Der sagt, das ist das grosse Gewicht auf der Welt. Darum muss die Türkei, und dann die nordafrikanischen Staaten dazu. Wir bilden das Gegengewicht zu China. Es wird in 20 Jahren keine G20, oder eine G3, und da sehen wir, an das glaube ich nicht [wird unterbrochen]

Moderation: Herr Blocher, das geht nicht. Sie können nicht aus einer Quelle, die nicht seriös ist, zitieren. Also, das geht nicht.

Christoph Blocher: Ja, ja.

Jean-Claude Juncker: Ich möchte erst einmal sagen, dass ich ja auch die Schwächen des Eurosystems sehe, und sehr daran interessiert bin, und auch damit beschäftigt bin, diese Schwächen zu beheben. Das ist eine junge Währung. Wir sind 10-11 Jahre alt. Dass es Schwachstellen gibt, ist unverkennbar. Es gibt sogar in älteren Währungen Schwachestellen, die unverkennbar sind.

Ist das britische Pfund in den letzten 60 Jahren so gewachsen, eigenständig, autonom, in splendid isolation, dass es nie ein Problem gegeben hätte? Das ist eine alte Währung. Der Dollar ist eine alte Währung, und hat lange Zeit gebraucht um das britische Pfund, übrigens zwischen den beiden Weltkriegen, zu überrunden.

Wenn ich mir anschaue was wir als Euro, sage ich jetzt einmal, in 10 Jahren hingekriegt haben, dann ist so schlecht nicht. Und wir müssen selbstverständlich daran arbeiten. Ich bin ja kein naiver Idiot, Dorftrottel, der nicht sieht, dass es da Probleme gibt.

Nur ich sage, in der Politik reicht es nicht nur zu wissen, was man nicht will. Man muss auch wissen was man will. Und ich hätte gerne ein erfolgreiches Europa. Und ich hätte gerne eine erfolgreiche europäische Währung. Und ich hätte gerne, dass die Stimme Europas, mit allen Stimmen europäischer Staaten zusammengebündelt in der Welt zählt .

Ich bin ja auch, wie Sie, der Auffassung, diese globalen Entwürfe taugen nicht alle etwas. Aber die Welt ist global, die Wirtschaft ist global. Wir sind in der zweiten Phase der Globalität. Nach der Wirtschaftsglobalisierung sind wir jetzt in der politischen Globalisierung angekommen.

Und wir hatten am Anfang des 20. Jahrhunderts 20% Europäer, am Anfang des 21. Jahrhunderts 11%, wir werden Mitte des Jahrhunderts 7% haben, und Ende des Jahrhunderts 4%. Dann sage ich mir, aus meiner kleinen Perspektive und meinem Kleinhirn, ich habe da 500.000 Menschen in die Zukunft zu führen. Ist das jetzt so, dass wir mit niemandem uns in gemeinsamer Anstrengung zusammenfinden, und ist das nicht so, dass wir in gemeinsamer Solidarität versuchen sollten, die Dinge zu bestreiten?

Sind wir jetzt diejenigen, 7 Millionen Schweizer, 500.000 Luxemburger, die Abstand nehmen können von alledem was um uns herum passiert? Wir sind [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Das machen wir auch nicht.

Jean-Claude Juncker: Wir sind doch zuständig dafür, Herr Blocher, dass wir eine Welt hinterlassen, wenn wir beide den Löffel abgegeben haben, wo die jungen Menschen [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Ich hätte gerne, dass die Menschen in 40 Jahren anständig leben, mindestens so gut wie wir, und nicht nur in Europa.

So lange wie jeden Tag 25.000 Kinder an Hunger sterben, so lange sind wir hier in Europa, in der Schweiz und in Luxemburg, mit unseren Aufgaben nicht fertig. Und wenn wir uns nicht um die grossen Probleme der Welt kümmern, die uns erreichen werden; wenn wir nicht helfen via Solidarität sie zu lösen, dann genügen wir nicht der Aufgabe, die uns gestellt ist.

Christoph Blocher: Das ist selbstverständlich. Sie haben jetzt in meinem Sinn gesprochen. Nur glaube ich nicht, dass wir mit dieser Konstruktion diese Ziele erreichen. Und da kommen sie nicht darum herum, und das zeigt den Ansatz und das zeigen diese Systeme.

Sehen Sie, mit der Sowjetunion ist auch ein Grossreich zusammengebrochen. Wir haben auch in der Vergangenheit Grossreiche gehabt. Sie hatten alle edle Ziele, aber man kommt nicht darum herum über edle Ziele zu sprechen, und dann den Weg, ich bin nicht sicher ob der gelingt. Sie auch nicht. Sie haben gesagt, sie wollen ein irreversibles Reich [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Nein.

Christoph Blocher: Entschuldigung, ich habe diesen Artikel [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Reich?

Christoph Blocher: Ein irreversibles Gebilde, oder wie wollen Sie denn sagen? Sie haben nicht von Gebilde gesprochen

Jean-Claude Juncker: Nein, aber auch nicht von Reich.

Christoph Blocher: Dass die EU eine [undeutlich] auch wenn es andere gebraucht haben, dies ergibt ein negatives Bild.

Jean-Claude Juncker: Also für mich [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Nein, aber die EU möchten Sie als irreversibel haben, das ist auch Ihr Ziel. Ob Sie es erreichen, ist eine andere Frage. Die grossen, vielleicht darf ich das nicht sagen, in Europa [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Undinge?

Christoph Blocher: Hinterher ist das einfach zu sagen.

Nein, ich glaube nicht daran, und die Schweizerinnen und Schweizer haben jetzt eben bis jetzt darauf gebaut, dass das Übersichtliche, das Bewerte, und mir, Sie haben gesagt, wir sind dann nur noch 7%. Ich glaube, wir sind ein Promille der Weltbevölkerung. Aber dieses Problem der Weltbevölkerung, wir sind für diese 7 Millionen verantwortlich. Und ich glaube eben, dass das direktdemokratische, freiheitliche System in einer überblickbaren Situation das erfolgreichere ist, und bei anderen Werten Sie den Überblick verlieren.

Auch wenn alles global ist, man muss global denken, aber nicht global handeln. Das glaube ich nicht.

Jean-Claude Juncker: Ja, aber man darf nicht lokal denken und nicht global handeln. Das geht nicht.

Christoph Blocher: [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Es ist immer schwieriger, wenn man mit anderen gemeinsam versucht, die Dinge in die richtige Richtung ze bewegen. Es ist immer einfacher, das im Alleingang, im Sologang zu tun. Das ist [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Das ist schwieriger.

Jean-Claude Juncker: Ja das ist schwierig intern, aber es ist extern so einfach, wenn man sich nicht mit anderen zusammenraufen muss, um die Dinge auf den richtigen Weg zu bringen.

Ich bin mit Ihnen ja einverstanden, die grossen Reiche die zerfallen, aber Sie dürfen doch nicht Käse mit Quark hier vergleichen. Sie vergleichen die Sowjetunion mit der Europäischen Union [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Nein.

Jean-Claude Juncker: Und Sie versteigen sich in der Aussage [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Sie sagten, die Sowjetunion hätte edle Ziele gehabt – das hatte sie überhaupt keine edlen Ziele. Das war die Grösse zur Verknechtung der Menschen, das war das Ziel.

Christoph Blocher: Früher hatten sie auch edle Ziele.

Jean-Claude Juncker: Ja, aber ich erkläre Ihnen die edlen Ziele. Sie werden nicht abstreiten, dass ich edle Ziele habe – edel ist so ein altdeutsches Wort, ich sage auch nicht gerne noble Ziele – ehrliche Ziele für die Menschen, darum geht es in der Politik. Und deshalb sollten wir uns auch über Ziele nicht streiten.

Wenn Sie sagen, Sie wären mit mir einverstanden, wenn ich hier dafür plädiere, dass Sie auch Solidarität mit dem Rest der Welt üben. Und wenn Sie hier plädieren, was ich verstehe, Sie wären für direkte Demokratie, was ich nachvollziehen kann, ich habe auch den Europäischen Verfassungsvertrag per Referendum in Luxemburg, per Volksabstimmung also, annehmen lassen, und habe gesagt, wenn ich diese Auseinandersetzung verliere, dann trete ich zurück. Ja, also deshalb auch in Sachen Demokratie, bitte etwas vorsichtig mit Nachhilfestunden. Ich habe da schon genug im Leben unter Beweis gestellt.

Und dann wären Sie mit mir einverstanden.

Wieso versuchen Sie denn nicht einmal per Volksabstimmung der Schweiz zu dem Thema zu bewirken, dass die Schweiz ihre Entwicklungshilfe massiv erhöhen müsste, zum Beispiel auf 1% des Bruttosozialproduktes, so wie Luxemburg [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Wir werden wahrscheinlich [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Versuchen Sie das einmal.

Christoph Blocher: Wir werden wahrscheinlich das Gegenteil [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Ich werde der erste Christdemokrat sein, der in der Schweiz für die SVP Kampagne macht, wenn sie eine derartige Volksabstimmung [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Also [undeutlich] verliebt in der Partei soweit sind, dass Sie das machen?

Wenn Sie über Entwicklungshilfe sprechen, ich kenne Afrika, und ich habe, und zwar ich persönlich, nicht solidarisch mit der EU, habe ich grosse Entwicklungshilfe gemacht, die ich heute nicht mehr mache, das war noch in den idealistischen jüngeren Tagen. Und es tut mir weh, dass wir das Bruttosozialprodukt in Afrika trotz Milliarden und Abermilliarden halbiert haben.

Und da ist die Entwicklungshilfe nicht unschuldig daran. Ich habe Leute, die haben immer gefragt, was können wir tun, damit das Geld kommt, anstatt dass sie gefragt haben, was können wir produzieren, das man verkaufen könnte. Nur sagen, wir erhöhen die Entwicklungshilfe, dann sind wir auch gute, solidarische Menschen, das kann ich nicht mitmachen, es tut mir leid. Aber das ist natürlich eine absolute Ausnahme in der Politik, Sie haben recht.

Jean-Claude Juncker: Nein, diejenigen die massiv Enwicklungshilfe leisteten und kluge Projekte drüben entwickelten, die sind in der Minderheit. Es gibt 5 Staaten in der Welt, die mehr als 0,7% Entwicklungshilfe leisten. Das ist Norwegen, das ist Schweden, das ist Dänemark, das sind die Niederlande und Luxemburg.

Und wir tun das in unserem kleingeistigen Milieu, dadurch dass wir Projekte finanzieren, und nicht einfach Gelder an korrupte Regierungen geben, sondern sehr genau darauf achten was mit dem Geld passiert. Also ich werde [wird unterbrochen]

Christoph Blocher: Sie bezahlen nicht für [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Nein, es geht um Inhalte. Und ich weigere mich, dass man mit Hinweise auf korrupte Regierungen in Afrika die Enwicklungshilfe einstellt, anstatt via Wirtschaftssanktionen und durch Einwirken auf unsere Banken, auf unsere Wirtschaftsbetriebe, auf unsere Exportbetriebe dafür zu sorgen, dass diese korrupten Regierungen verschwinden. Die Menschen dürfen nicht verschwinden, die Korrupten müssen verschwinden.

Christoph Blocher: Und die ganze Welt macht das Gegenteil?

Moderation: Wir hatten dem Publikum versrpochen, dass es Fragen stellen kann.

Jean-Claude Juncker: Aber ich habe noch einen Wunsch. Wenn jetzt, wie man so salopp formuliert, der Saal das Wort kriegt, dann hätte ich aber gerne, dass die Beleuchtung so gemacht wird, dass ich endlich mal einen Menschen sehe. Wir sehen hier nichts, eine schwarze Masse.

Publikumsfrage: Die Frage an den Herrn Ministerpräsidenten. Gibt es Ihrer Meinung nach eigentlich ein Rating in der Demokratie, eine Art und Weise wie man Demokratie betreibt? Und ist auch vielleicht die direkte Demokratie mehr wert als die repräsentative Demokratie? Müsste in der EU mehr direkte Demokratie sein?

Jean-Claude Juncker: Das kann ich so einfach nicht beantworten, weil man in der Europäischen Union sehr grossen Wert auf den Respekt vor der kulturellen und politisch-geschichtlichen Identität der einzelnen Mitgliedsstaaten legt.

Es gibt Staaten, die die Formen der direkten Demokratie kennen, weil sie eine Referendumstradition haben, Dänemark, Irland und Luxemburg manchmal, immer weniger oft. Und es gibt Staaten, die diesem Gedanken sehr unfreundlich gegenüber eingestellt sind, beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland nach den Erfahrungen der Weimarer Republik.

Wer bin ich denn, dass ich jetzt den Deutschen sagen würde, die Weimarer Republik ist Geschichte, ihr müsst euch jetzt in Richtung mehr Volksbefragung bewegen? Ich bin der Meinung, dass sie dies tun sollte. Aber ich halte ja, so wie auch wenn es um die EU und um die Schweiz geht, keine öffentlichen Vorträge zum Thema, was andere tun sollten.

Mir gefällt die direkte Teilhabe des Volkes an der effektiven Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse besser als das Verordnen von oben. Ich wäre ja gerne Schweizer, aber es würde dann anders abgestimmt werden.

Publikumsfrage: Herr Blocher, Sie sagten ja am 2. Januar per Rundfunk, ein Politiker muss unanständig sein. Heute Abend sagten Sie, [undeutlich] ein Ausrutscher?

Christoph Blocher: Nein, bitte so nicht.

Publikumsfrage: Und heute vor wenigen Tagen wurden in Arizona, USA, 6 Leute erschossen, eine Abgeordnete liegt im Krankenhaus, kämpft um ihr Leben.

Wieso? Weil ein grenzenloser Hass auf Politiker die anders denken, eine andere Meinung haben, geschürt wurde unterm Volk, und ein Idiot hat das gehört, und hat dann 6 Menschen erschossen, und eine Politikerin überlebt [undeutlich]

Sie haben jetzt Herrn Juncker mit Adolf Hitler, mit einem Massenmörder, mit einem Verbrecher verglichen

Moderation: Ich glaube wir haben das verstanden. Wir haben das auch diskutiert. [wird unterbrochen]

Publikumsfrage: [undeutlich] öffentlich verschärft wurde.

Christoph Blocher: Das mit dem Hitler-Vergleich, dass das nicht stimmt, können Sie hören auf Télé Blocher, dann können Sie abrufen, dann sehen Sie was ich gesagt habe.

Ich habe nichts anderes gesagt, als die Worte, die Schweiz sei ein geostrategisches Unding – und das möchte ich nochmals sagen – haben mich daran erinnert, meinen Sie nicht, das ist für die grosse [undeutlich]. Das ist gewesen.

Als zweites hätte ich gesagt, unanständig sein – hören Sie auf diesen Wortlaut, und lesen Sie, das ist auf der Homepage zu sehen. Was habe ich gesagt? Es gibt Situationen in der Politik, wo laut und unanständig notwendig ist, wenn es mit dem leise und anständig bezweckt ist, das Unrecht und namentlich von allen getragene Missstände zuzudecken.

Und ich habe da jemanden zitiert: "Lieber laut und unanständig in diesen Situationen, als leise und anständig." Das ist der grosse Theologe Karl Barth, der übrigens in Deutschland, während der Hitlerzeit vertrieben wurde nach Basel, und hat diesen Satz gebraucht.

Lesen Sie das worum es geht, und verdrehen Sie das nicht.

Publikumsfrage: Eine Frage an den Herrn Ministerpräsident. Wir lesen und hören, dass sehr strenge Anforderungen an diese gefährdeten Länder gestellt werden, überall werden Sparmassnahmen eingeleitet, die Bevölkerung muss dann leiden.

Die Frage ist, haben Sie keine Angst, dass diese demokratisch gewählten Regierungen nicht in der Lage sein werden, diese Massnahmen wirklich durchzusetzen, und dass sie bei Gelegenheit ihre Macht verlieren, und dass dann am Schluss vielleicht Militärdiktaturen in einem Land wie Griechenland an die Macht kommen? Es wäre nicht zum ersten Mal, auch in Spanien, kann ich mir vorstellen.

Am Schluss ist diese tragische Konsequenz, dass die EU eigentlich, das [undeutlich] der Demokratie [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Ich bin nicht interkontinental weit davon entfernt, Teile Ihrer Sorgen auch zu meinen Sorgen zu machen, weil ich auch sehe, dass die Erfordernisse an die parlamentarisch organisierte Demokratie sehr weitreichend sind. Vor allem in Griechenland, aber auch in Irland, und dies kann sehr wohl zu sozialen Verwerfungen führen, deren Endkonsequenzen man nicht, von heute aus betrachtet, absehen kann.

Ich weiss aber auch, dass, wenn wir diese Staaten, diese Länder nicht dazu bringen, dass deren Regierungen, deren Parlamente einen strikten Sparkurs steuern, und die Haushaltskonsolidierung aus Gründen der Zukunftschancen mehr herbeiführen, dass wir diesen Ländern keinen Dienst leisten. Man muss ja auch verstehen, bei aller notwendiger Solidarität, zu der ich fähig bin, dass es hier auch um Akzeptanz von Politik geht.

Man muss in Ländern, die einigermassen anständig gehaushaltet haben, erklären, dass man jetzt Ländern zur Seite stehen muss, die dies nicht getan haben, oder in ungenügendem Masse getan haben. Wobei ich einen gnädigen Blick, ohne Belustigung sage ich das, auf diese Länder werfe, weil wer wie Länder wie Spanien, wie Portugal, wie Griechenland aus Militärdiktaturen zur demokratischen Entfaltung gefunden hat, der hat andere Startpositionen als alteingesessene Demokratien wie die Schweiz, wie Luxemburg und wie andere.

Aber ich gehe nicht davon aus, dass dies derartige Konsequenzen zeitigen könnte, wie diejenigen die Sie beschreiben. Ich glaube, Spanier, Portugiesen und Griechen haben gelernt, dass ihr Glück nicht in die Hände derer gelegt werden kann, die systematisch Menschenrechte missachten, die foltern, die Menschen einsperren. Ich glaube, die Griechen, Portugiesen und Spanier sind endgültig von diesem Wege abgekommen.

Deshalb sollte man auch vorsichtig sein, wenn man andere Politiker mit Diktatoren vergleicht, und nicht so tun als ob dies die anständigste Art der politischen Auseinandersetzung wäre.

Publikumsfrage: Herr Ministerpräsident Juncker, Sie haben vorhin angesprochen, dass Sie sich auch für die Ärmsten der Welt einsetzen. Ein anderes Thema, das heute nicht angesprochen wurde, aber das uns jeden Tag in den Nachrichten entgegen kommt, ist die Klimaerwärmung.

Wir sehen in der letzten Zeit Australien untergehen, wir haben Pakistan gesehen, diese Einschläge kommen immer mehr, es passiert immer mehr. Ich glaube, es ist ein sehr wichtiges Thema. Vielleicht können die beiden Kandidaten heute noch sagen [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Ich habe inmitten der Finanzkrise gesagt, dass die Klimakrise bleibt. Die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise werden wir eines Tages überwinden. Mehr oder minder gut, aber irgendwann werden wir dieses Kapitel hinter uns gelassen haben, und dafür gesorgt haben, falls wir die richtigen Lehren ziehen, dass es sich in der Form und in keiner vergleichbaren Formen wiederholen kann.

Aber die Klimakatastrophe bleibt. Und ich habe den Eindruck, auf der politischen Agenda vieler ist die Klimakatastrophe in den Hintergrund gerückt, weil wir so sehr beschäftigt sind mit der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Wir werden als Europäische Union noch in diesem Jahr, ich glaube im Juni wird das der Fall sein, uns eingehend mit den verbleibenden Fragen in Sachen Klimaschutz beschäftigen, nachdem wir uns im Februar mit der Energieversorgungssicherheit in Europa beschäftigt haben werden, beides hängt zusammen.

Ich bin, was Klimawandel anbelangt, mit dem was die Europäische Union international geleistet hat, überhaupt nicht zufrieden. Wir haben in Kopenhagen zugesehen, zugeschaut, sassen eher auf den Zuschauerrängen, wie Chinesen und Amerikaner den Deal unter sich gemacht haben. Das zeigt, dass die europäische Stimme sich stärker wird artikulieren müssen, damit die Dinge der Welt den Verlauf nehmen von dem wir denken, dass er für die Zukunft des Universums gut wäre.

Publikumsfrage: Ich hätte eine Frage bezüglich des Lissabonner Vertrags, beziehungsweise der Zusatztexte, Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, an der Herr Juncker ja mitgearbeitet hat, als einer der Architekten des Lissabonner Vertrags. Es ist eine Frage, die eher seltener erörtert wird hier, ich weiss auch nicht genau warum, sie müsste eigentlich Sie besonders interessieren, Herr Blocher

Und zwar geht es um die Todesstrafe, die wird eingeführt werden, es wird nähmlich in dem Zusatztext unter Artikel 2, Absatz 2 bemerkt, dass scharfgeschossen werden darf zur Niederstreckung eines Aufstandes. Das führt zur Todesstrafe, in diesem Sinne [undeutlich] um einen Aufstand rechtmässig niederzuschlagen, wie es heisst.

Jetzt möchte ich Herrn Juncker, aber das ist eine andere Frage, Herr Juncker haben Sie die [undeutlich] Zuständen wie in Griechenland, [undeutlich] als Chef der Eurogruppe, dass man Gesetze [undeutlich]

Jean-Claude Juncker: Ich muss schon sagen, dass Sie einen ausgeprägten Sinn für negativen Humor haben.

Sich vorzustellen, ich hätte mir gedacht, in Griechenland gebe es eine Protestbewegung gegen europäisch-griechische Sparprogramme, und deshalb hätten wir durch die Hintertür die Todesstrafe via europäischer Verträge eingeführt – wenn ich so etwas sagen würde, würde ich vom Balkon stürzen.

Die Texte, die Sie zitieren sind mir in der Form, wie sie von Ihnen zitiert werden nicht bekannt, und diese Unterstellung die Sie mir machen, weise ich in aller Form zurück.

Christoph Blocher: Also ich muss Ihnen sagen, da drin ist keine Todesstrafe.

Eine Todesstrafe ist ein Strafmittel für Verbrecher, und das steht nirgends in diesem Vertrag. Was Sie anschneiden ist, ist der Waffeneinsatz erlaubt beim Ordnungsdienst, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt? Das ist die Grundfrage der Armee, und so weiter. Das ist so, und das kann man auch nicht beseitigen.

Moderation: Die Zeit ist jetzt noch weiter vorgerückt. Ich danke Herrn Premierminister Juncker, Herrn Blocher sehr herzlich für dieses Gespräch.

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