Jean Asselborn au sujet des nouveaux postes à pourvoir avec l'entrée en vigueur du traité de Lisbonne

Stefan Heinlein: Ist der Zug für Ihren Premier tatsächlich schon abgefahren?

Jean Asselborn: Nein, das glaube ich nicht. Ich bin überzeugt, dass er nach wie vor sehr gut im Rennen liegt. Jean-Claude Juncker hätte drei Vorteile. Er kennt die Europäische Union aus dem FF, er denkt europäisch, er handelt europäisch. In der Europäischen Union brauchen wir weniger einen Leuchtturm, als einen Schmied, der Blöcke zusammenfügen kann. Er hat das gezeigt bei den Finanzperspektiven 2005, beim Stabilitätspakt, beim Euro.

Ich glaube, er wäre weniger Leuchtturm, denn Schmied, und einen solchen Politiker könnten wir gut gebrauchen. Ich will jetzt nicht sagen, dass andere Kandidaten das nicht sind, aber wenn Sie mich schon fragen, antworte ich Ihnen auch ganz klar als Luxemburger.

Stefan Heinlein: Manche sagen aber auch, Jean-Claude Juncker habe drei Nachteile. Er sei zu selbstbewusst, zu charismatisch und zu kantig für diesen Posten. Wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs ein europäisches Leichtgewicht an der Spitze der EU, damit sie hinter einem charismatischen Präsidenten nicht verblassen?

Jean Asselborn: Hier sind wir bei der Frage jetzt über Personen hinweg, und das ist eine sehr komplexe Frage: Welchen EU-Präsidenten wollen wir, was ist das Profil des EU-Präsidenten? Bis jetzt hat, außer Benelux, keiner ein greifbares Papier auf den Tisch gelegt, auch die Präsidentschaft nicht, auch kein Mitgliedsstaat.

Ich glaube, dass, wie ich jetzt eben gesagt habe, für mich das Profil des europäischen Präsidenten eines sein muss, der nicht nur nach außen hell leuchtet und glänzt, sondern nach innen aktiv koordiniert, der sich einsetzt für Solidarität, für gemeinsame Positionen, für das gleiche Mitspracherecht von allen. Und ich glaube, Leuchttürme haben wir genug in der Europäischen Union, die von weitem schon blinken, aber Schmiede an der Esse der Europäischen Union, die zusammenschweißen, die kreative Formen entwickeln in der Finanzpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik, haben wir weniger.

Wir brauchen keinen, der jetzt große feierliche Reden hält; da haben wir auch genug. Aber es muss koordiniert werden nach innen, vor allem nach innen, und das sollte eigentlich das Profil sein des Europäischen Ratspräsidenten. Es ist schade, dass über dieses Profil eigentlich nicht geredet wird. Dann wäre es, glaube ich, mit den Namen etwas leichter.

Stefan Heinlein: Verstehe ich, Herr Asselborn, Ihre Eingangsbemerkung, Ihre Antwort gerade richtig? Ist die personelle Besetzung der Posten für die europäischen Staats- und Regierungschefs derzeit wichtiger, als die Inhalte dieser beiden Funktionen?

Jean Asselborn: Ja, ganz klar. Wenn wir von der komplexen Frage jetzt von Personen mal absehen und auch vom Profil, haben wir ja auch die Frage zu beantworten, welche Ausrichtung geben wir nach Lissabon der Europäischen Union. Bleiben wir auf der intergouvernementalen Schiene? Das heißt, ist zum Beispiel der neu geschaffene Präsident des Europäischen Rates eigentlich der Gegenspieler der Kommission, des Kommissionspräsidenten, oder investieren wir uns stärker in die Gemeinschaftsmethode? Das heißt, das Zentralorgan in der Europäischen Union auch nach Lissabon bleibt die Kommission. Warum? Weil die Kommission die Impulse gibt, weil die Kommission nicht die Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten zu verteidigen hat und auf den Tisch zu bringen hat, sondern horizontale Interessen der ganzen Europäischen Union zu verteidigen hat.

Ich glaube, das traue ich wirklich als erster EU-Präsident eher einem kleineren Land zu. Das erstere, das Intergouvernementale, das Glänzen, traue ich eher einem größeren Land zu. Es ist sehr, sehr wichtig, wenn Sie sehen, wie Giscard d'Estaing den EU-Präsidenten beschreibt und ihn mit dem Washington der Europäischen Union vergleicht. Das ist es nicht. Der Präsident des Europäischen Rates, der Vorsitzende des Europäischen Rates ist nicht der Vorsitzende der Europäischen Union. Wenn man das sagt, dann verkennt man die Strukturen.

Stefan Heinlein: Wäre vor diesem Hintergrund, den Sie gerade schildern, Herr Asselborn, Tony Blair tatsächlich ein Fehlgriff an der Spitze des Europäischen Rates?

Jean Asselborn: Ich habe meine Position über Tony Blair gesagt und ich werde sie auch gerne wiederholen. Aber ganz einfach: Es gibt Alternativen zu Tony Blair, wenn Sie mich richtig verstehen. Tony Blair war nicht immer ein Schmied. Tony Blair hat nicht immer zusammengeschweißt. Und ich glaube, Tony Blair hat in England große Leistungen vollbracht, aber er hat einen kapitalen Fehler gemacht. Wir können nicht die Europäische Union jetzt wieder, wenn wir sie neu starten mit Lissabon, mit dieser Vergangenheit konfrontieren.

Es gibt diesen Link zwischen Präsident Bush, dem Irakkrieg und Tony Blair, den blasen wir nicht weg, auch die kommende Generation nicht. Darum gibt es Alternativen zu Tony Blair. Es gibt Leute in der Europäischen Union, die in meinen Augen das anders machen könnten, als Tony Blair es machen würde, und vielleicht auch besser.

Stefan Heinlein: Gibt es auch Alternativen zum Italiener Massimo D'Alema? Er gilt ja als Favorit für den Posten des europäischen Außenministers.

Jean Asselborn: Wissen Sie, Herr Heinlein, ich kann mich jetzt nicht über jeden Namen auslassen. Das will ich nicht tun und das kann ich auch nicht tun. Wir sollten hier den Schweden wirklich den Vortritt lassen. Die Schweden werden einen Vorschlag machen. Ich hoffe, dass sie bereit sein werden, am nächsten Donnerstag diesen Vorschlag zu machen.

Aber ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn heute noch die 27 jetzigen Außenminister abzustimmen hätten, wer ihr idealer Kandidat wäre – und ich sage das jetzt nicht, weil Frank-Walter Steinmeier ein Sozialdemokrat ist, weil er ein Freund Luxemburgs ist und auch mein persönlicher Freund ist, aber ich sage es – wir hätten alle sehr schnell einen Kompromiss zu ihm gefunden. Er wäre der Vertreter des größten Mitgliedslandes der Europäischen Union, der aber immer wusste, wie man aufbaut auf die Freundschaft der USA, wie man sich öffnet gegenüber Russland, und vor allem: Er hat in all seinen Positionen immer bis 27 gezählt, nicht bis drei oder bis sechs. Deutschland hat anders entschieden. Da habe ich mich völlig rauszuhalten, aber das wäre für mich der ideale Außenminister gewesen.

Stefan Heinlein: Sie haben sich gefälligst rauszuhalten, sagen Sie selber. Dennoch Ihre Meinung: Hat Angela Merkel vielleicht einen Fehler gemacht, gerade aus europäischer Sicht, aus Ihrer Sicht, Frank-Walter Steinmeier hier nicht ins Rennen zu schicken?

Jean Asselborn: Ich bin der kleine Außenminister eines kleinen Landes und ich werde mir nie anmaßen, der Kanzlerin, sagen wir mal, aus Luxemburg hier Kritik auszusprechen. Wenn ich nur sagen darf, wiederholen darf, was ich gesagt habe: Es wäre natürlich auch interessant gewesen für Deutschland, einen so entscheidend wichtigen Posten in der Europäischen Union zu besetzen. Weiter will ich nicht gehen.

Deutschland hat sich anders entschieden. Sie haben ja schon den Kommissar bestimmt. Ich glaube, es wird jetzt anders laufen, aber es hätte für die Außenpolitik in der Europäischen Union noch besser laufen können.

Stefan Heinlein: Wäre Steinmeier tatsächlich auch ein Konsenskandidat, der eine Spaltung zwischen alten und neuen EU-Mitgliedsländern verhindern könnte? Massimo D'Alema als Exkommunist, als Eurokommunist ist ja durchaus umstritten, gerade in den osteuropäischen Ländern.

Jean Asselborn: Jetzt zu Massimo D'Alema trotzdem ein Wort. Sie müssen wissen, wenn Sie die europäische Geschichte – und ich glaube, Sie kennen sie viel besser noch als ich – sehen, das war ein italienischer Kommunist mit allem, was das beinhaltet; zum Beispiel waren die italienischen Kommunisten nie einverstanden mit der Politik Moskaus, in vielem, weder in 1968, noch 1956. Das darf man also nicht dem Massimo D'Alema jetzt ankreiden. Er war Premierminister seines Landes während vier Jahren. Er war ein exzellenter Außenminister Italiens.

Ich glaube, von dieser Seite her muss man wirklich diese Vorurteile schnellstens abbauen. Sie haben mich gefragt, wenn jetzt abgestimmt würde, oder ich habe selbst gesagt, wenn abgestimmt worden wäre zwischen den jetzigen Außenministern, hätte Frank-Walter Steinmeier das Rennen haushoch gemacht.

Stefan Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Luxemburg.

Jean Asselborn: Bitte, Herr Heinlein.

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