"Aufbau, Afghanisierung, Rechtsstaatlichkeit", Jean Asselborn au sujet de la réunion des ministres des Affaires étrangères des pays membres de l'Otan à Bruxelles

Tageblatt: Herr Minister, wie beurteilen Sie die neue Entwicklung in Sachen Afghanistan-Einsatz?

Jean Asselborn: Ich glaube, und das habe ich in Brüssel auch gesagt, wir nähern uns wieder dem UN-Mandat für Afghanistan. Wie Sie wissen, war ich vor einer Woche in Kambodscha. Was dort die Roten Khmer an Verbrechen begangen haben ist absolut vergleichbar mit dem Regime, das die Taliban vor ihrer Vertreibung im Jahre 2001 führten. Sie schufen einen Staat, der sich durch die absolute Abwesenheit von Menschlichkeit charakterisierte.

An uns liegt es, die Menschen in Afghanistan, die bisher 30 Jahre Krieg und zudem den Taliban-Terror erleiden mussten, zu schützen und ihnen die Möglichkeit bieten, in Würde leben zu können. Es geht nicht darum unsere Demokratievorstellungen zu exportieren, sondern eine Rechtsstaatlichkeit zu schaffen, die die Rechte der Bürger garantiert und respektiert.

In diese Richtung will auch Präsident Obama. Ich glaube es wird zu viel über den militärischen Aspekt geredet. Doch der Hauptakzent liegt künftig auf der Afghanisierung des Landes.

Tageblatt: Was hat man darunter zu verstehen?

Jean Asselborn: Es geht darum die Afghanen in die Lage zu versetzen, selber aktiv werden zu können. Wir wollen z.B. Ausbilder ausbilden, damit diese wiederum weitere Menschen ausbilden können. Selbst General McChrystal vertritt den Standpunkt, dass der Krieg nicht mit Kugeln und mit Bomben zu gewinnen ist.

Wir wollen die Infrastruktur des Landes wieder aufbauen. Doch man muss wissen, dass ein Großteil der Infrastruktur durchaus vorhanden ist. Das hat mir auch Kai Eide, der UN-Sonderbeauftragte für das Land soeben noch bestätigt. Fast alles ist da, doch Afghanistan hat keine Leute, die die Dinge am Funktionieren halten können. Es fehlen Ärzte, es fehlen Lehrer und Professoren. Hier muss unser Ansatz liegen.

Hinzu kommt, dass auch die internationale Hilfe sehr schlecht strukturiert ist und daher auch schlecht kooperiert. Das muss sich ändern.

Natürlich wird auch Afghanistan selber seinen Teil dazu beitragen müssen. Die Bekämpfung der Korruption steht hierbei ganz obenan.

Tageblatt: In Brüssel tagte auch zum ersten Mal wieder der NATO-Russland-Rat. Wie sind die Beziehungen zu Russland?

Jean Asselborn: Es war der erste formelle Gipfel seit dem Abbruch der Beziehungen durch den Georgien-Krieg. Die Außenminister der USA und Russlands, Clinton und Lawrow, haben neben den anderen Außenministern daran teilgenommen.

Das Verhältnis hat sich gebessert. Eigentlich war es ja die leidige Diskussion um den US-Schutzschild in Europa, die zu dem Zerwürfnis geführt hatte. In diesem Punkte redeten dauernd alle aneinander vorbei, innerhalb der NATO, innerhalb der EU und innerhalb des NATO-Russland-Rates. Es wurden Berge über Berge an Misstrauen aufgetürmt, ohne die vieles hätte verhindert werden können, vielleicht sogar der Georgien-Krieg. Es war ein großer Fehler, den NATO-Russland-Rat wegen Georgien zu stoppen. Der Rat ist ein exzellentes Gremium, um Vertrauen zu schaffen und das kann nur im Interesse der NATO-Mitglieder, aber auch Russlands sein. Aus diesem Grunde habe ich in Brüssel dafür plädiert, viel mehr gemeinsame Strukturen zu schaffen. Wir sollen nicht nur auf technischer Ebene kooperieren, sondern sollten Wege finden, um auch der diplomatischen Ebene ein größeres Gewicht zukommen zu lassen. In Brüssel haben alle Außenminister gesprochen, auch die der baltischen Länder. Natürlich gibt es da noch Ressentiments gegenüber Russland, aber immerhin wurde für einmal offen darüber geredet. Und das ist doch auch ein Fortschritt.

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