"Umdenken beim Bankgeheimnis". Jean Asselborn au sujet du secret bancaire et des pays du Balkan

KURIER: Herr Außenminister, wie lange hält das Bankgeheimnis noch in der EU?

Jean Asselborn: Ich kann nicht sagen, wie lange das Bankgeheimnis noch hält, ich weiß nur, dass die Diskussion in den betreffenden Regierungen und im EU-Finanzministerrat zu führen ist. Ich bin überzeugt, man wird beim Bankgeheimnis in allen Ländern umdenken müssen. Wir dürfen aber nicht alles auf das Bankgeheimnis fokussieren: Es gibt Steuer-Vorteile in vielen EU-Staaten, darüber müssen wir auch reden. Das verzerrt die Wettbewerbsfähigkeit. Es gibt große Industriebetriebe, die keine Steuern mehr zahlen.

KURIER: Wie sehen Sie den Kauf von Steuersünder-Daten?

Jean Asselborn: Hier wurde ein kapitaler Fehler gemacht. Das Wichtigste, was man von Deutschland fordern kann, sind gute Beziehungen mit allen Nachbarn. Jedes Land, das sich von Leuten betrogen fühlt, die Steuern nicht zahlen, wird reagieren. Wie und mit welchen Mitteln, ist jedem Land überlassen. Ich fühle mich allerdings nicht wohl, wenn sich ein Land mit Hehlern zusammensetzt, auch wissend, dass es keine andere politische Option gibt.

KURIER: Die Außenminister sind nicht mehr beim EU-Gipfel dabei. Sind sie entmachtet?

Jean Asselborn: Sicher ist, dass wir in vielen Fragen unabkömmlich sind. Die Regierungschefs haben nicht die Zeit, sich mit Außenpolitik zu beschäftigen. Würden sie es tun, müssten sie die Interessensvertretung in die Hand von Beamten legen. Das würde der demokratischen Diplomatie unter parlamentarischer Kontrolle zuwiderlaufen. In Brüssel ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass viele Regierungen Koalitionen sind.

KURIER: Nicht jeder Staatenlenker versteht Außenpolitik?

Jean Asselborn: Das muss es nicht heißen, aber für die EU-Außenpolitik braucht es immer noch den Konsens der 27. Außenpolitik ist ja keine Show im Sinne, dass ein Regierungschef verkündet, man solle Israel in die EU aufnehmen, um die Probleme im Nahen Osten zu lösen. Zuletzt hat Kopenhagen gezeigt, dass es nicht genügt, dass Regierungschefs an- und wieder abreisen, um Lösungen zu finden. Mit Schnellauftritten macht man keine Außenpolitik.

KURIER: Die EU hat neue Spitzenvertreter. USA und China kennen sich jetzt noch weniger aus, wer für die EU spricht.

Jean Asselborn: Die EU ist kein Volk, kein Staat und hat keine Regierung. Uns Europäer zeichnet aus, dass wir die am besten integrierte politische Einheit auf der Erde sind. Wir haben eine Arbeitsaufteilung in der EU und sind in der Struktur anders als die USA, China oder Russland. Wir müssen im Entscheidungsprozess eine gemeinsame Sichtweise entwickeln, dann erst wird der Beschluss gefasst. Diese Komplexität wird nicht zum Chaos, wenn jeder seine Rolle spielt. Die große Herausforderung ist, mit einer Stimme zu reden, ohne die hierarchischen Strukturen einer Regierung zu haben.

KURIER: Was müssen die Balkan-Länder tun, um rasch in die EU zu kommen?

Jean Asselborn: Ich empfehle den Ländern, das Bild des Balkans in der EU zu verbessern. Es muss Kooperation zwischen den Ländern geben. Das fehlt. Sie müssen sich mehr anstrengen. Der Hafen Brüssel ist für sie offen, aber rudern und steuern müssen sie selbst.

KURIER: Wird Serbien noch 2010 EU-Beitrittskandidat?

Jean Asselborn: 2010 ist ein Schlüsseljahr. Ich hoffe, dass Serbien nach dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes es schafft, zum Kosovo eine andere Einstellung zu bekommen. Das wird schmerzen, ist aber im Sinne eines Serbiens, das in die EU will.

KURIER: Fürchten Sie den Zerfall von Bosnien-Herzegowina?

Jean Asselborn: Jede Teilung am Balkan, jeder neue Konflikt wäre fatal, auch für die EU. Die EU ist ja ein Friedensprojekt.

KURIER: Was bringt der Europäische Diplomatische Dienst?

Jean Asselborn: Für Luxemburg ist das sehr positiv, die EU muss Synergie-Effekte anbieten. Auf konsularischer Ebene lässt sich vieles zusammenlegen. In Krisenzeit kann es von Vorteil sein, Botschaften zu schließen, es kann aber auch von Vorteil sein, präsent zu sein. Jedes Land entscheidet selbst.

KURIER: Die große Mehrheit der EU-Staaten ist konservativ regiert. Was können Sozialdemokraten noch anbieten?

Jean Asselborn: Das Machtverhältnis hat sich dramatisch geändert. Der Faktor Liberalisierung hat die Sozialdemokratie gespalten. Nordische Länder wollten immer mehr Liberalisierung. Im Süden und in der Mitte Europas wurde das anders gesehen. Die Sozialdemokratie kann in der nervösen Welt noch viel bewegen, etwa die negative Dynamik zwischen den Kulturen abbauen. Die Allianz der Zivilisationen ist wichtig. Das Projekt Türkei, das in Österreich äußerst umstritten ist, könnte hier helfen, Europa auf die richtige Schiene zu bringen. Wir müssen die Atomarsenale abrüsten und die Kooperation mit den armen Ländern aufrüsten. Wenn das nicht gelingt, leben wir auf einem explosiven Planeten.

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