"Diese blöde Telefonnummer ist nicht alles". Le ministre des Affaires étrangères au sujet de la politique étrangère de l'Union européenne

Standard: Wir haben seit Dezember einen neuen EU-Vertrag, neue führende Köpfe, und es soll eine neue Außenpolitik geben - aber noch merkt man nicht viel davon.

Asselborn: Catherine Ashton ist seit 1. Dezember EU-Außenministerin, Herrn an Van Rompuy seit 1. Jänner EU-Ratspräsident. Wir sind in einer Transitionsphase. Man muss den Dingen schon ein wenig Zeit geben. Aber wir müssen auch aufpassen, dass der Geist von Lissabon, nämlich die Dinge strukturell einfacher zu gestalten, auch umgesetzt wird. Es darf kein Vakuum entstehen, in dem die Solidarität zwischen allen EU-Staaten und das Gleichheitsprinzip in Gefahr geraten. Jetzt müssen wir als mittlere und kleinere Länder sehr aufmerksam sein.

Standard: Sehen Sie Indizien dafür, dass Solidaritäts- und Gleichheitsprinzip angekratzt werden?

Asselborn: Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass die EU nur mit dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs arbeitsfähig sein kann. Auch wenn diese sich einmal im Monat sehen - so funktioniert Europa nicht. Europa ist immer horizontal zu sehen. Mit so einem Europäischen Rat würden wir etwas aushebeln, das wir eigentlich mit Lissabon ja explizit gewollt haben, nämlich, dass sehr viele Politikfelder der qualifizierten Mehrheit übergeben und nicht länger im Konsens entschieden werden müssen, wie dies im Europäischen Rat notwendig ist. Neben den Staats- und Regierungschefs gibt es ja auch noch den Rat für Allgemeine Angelegenheiten der Außenminister und nicht zuletzt die Kommission, die verschiedenste Politikfelder horizontal beackert.

Standard: Am Wochenende treffen einander die EU-Außenminister in Cordoba. Dort soll es um Strategien und auch die Konzeption des neuen auswärtigen Dienstes gehen. Was erwarten Sie sich davon?

Asselborn: Man darf nicht glauben, dass mit Lissabon und Catherine Ashton die europäische Außenpolitik sich in der Substanz ändern wird. Die größten Herausforderungen, wie im Nahen Osten, im Iran, in der Zusammenarbeit mit Amerika oder Russland, hängen ja nicht von den Strukturen ab, die wir mit dem Lissabonvertrag bekommen. Es ist falsch, alles auf diese blöde Telefonnummer zu reduzieren. Wir brauchen in der Au-ßenpolitik noch immer den Konsens der 27, um ein Mandat zu formulieren. Die europäische Au-ßenpolitik wird nicht in Strukturen gemessen, sondern in der Substanz. Durch Deklarationen alleine ist sie nicht zu bewältigen. Es genügt nicht, die Großen der Welt ein- und ausfliegen zu lassen, man muss auch wissen, dass Außenpolitik in die Tiefe geht, dass man verhandeln und vor Ort sein muss. Das werden wir in Cordoba mit der Hohen Vertreterin für die europäische Außenpolitik besprechen.

STANDARD: Aber Substanz wird natürlich auch durch Strukturen gestützt. Was erwarten Sie sich vom Auswärtigen Dienst?

Asselborn: Der neue Europäische Auswärtige Dienst, das sind die Augen und Ohren der europäischen Außenpolitik. Wir werden in mehr als 130 Ländern präsent sein. Als EU, nicht mehr jeweils als Generalsekretariat und als Kommission. Das wird zu einer großen Verbesserung führen. Es bringt Europa nichts, wenn am Montag der Kommissionspräsident und am Freitag der Ratspräsident den neuen Präsidenten der Ukraine beglückwünschen. Mir ist egal, wer gratuliert, aber wir sind eine Union und müssen mit einer Stimme sprechen. Es ist gut, dass wir diese gemeinsame Vertretung bekommen. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass es keine Fehler bei der Besetzung gibt. Dabei gibt es drei Komponenten, denen Rechnung getragen werden muss: dem Ratssekretariat, der Kommission und den Mitgliedstaaten.

STANDARD: Was halten Sie von der Besetzung des Barroso-Vertrauten Almeida als EU-Vertreter in Washington?

Asselborn: Ich glaube, es wurde verstanden, dass wir es uns in Zukunft nicht bieten lassen, nicht konsultiert zu werden. Wenn erklärt wird, das sei ein Überhang noch aus 2009, also noch von vor Lissabon, gut, dann soll man das jetzt ruhen lassen. Aber: Solche Dinge dürfen sich nicht mehr wiederholen. Das bringt böses Blut.

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