Le ministre des Affaires étrangères, Jean Asselborn, au sujet de la crise économique et de la Grande Région

Christian Otterbach: Herr Asselborn, Luxemburg ist ein kleines, reiches Land mitten in Europa, nach wie vor. Aber auch bei Ihnen ist die Wirtschaftskrise angekommen, wie merken das eigentlich Ihre Bürger?

Jean Asselborn: Sie sagen ein kleines reiches Land. Mag sein, dass wir uns gut stehen. Es gibt aber nur wenig, sehr wenig reiche Leute, richtig reiche Leute in unserem Land.

Seit Ende des zweiten Weltkrieges haben wir eben ein Sozialnetz aufgebaut was sehr hoch angesiedelt ist heute. Das stimmt. Allerdings haben wir auch arme Leute in unserem Land. Das muss man auch wissen. Diese Krise hat uns selbstverständlich empfindlich getroffen, vor allem im Bankensektor, aber auch darüber hinaus in verschiedenen anderen Wirtschaftszweigen. Wir sind da nicht verschont geblieben, absolut nicht. Wir hoffen aber, dass wir mit dem was wir in Luxemburg kennen, nämlich uns wirklich verstehen in den großen Fragen des Landes, dass wir auch den Weg ganz schnell wieder aus der Krise finden.

Zurzeit ist das noch immer nicht der Fall. Im Herbst werden wir im Parlament ein Maßnahmenpaket ausdiskutieren, um auch bei uns die Ausgaben zu reduzieren. Das ist ein Vorschlag der Regierung und wir haben eine Diskussion die sehr, sehr schwierig ist hier im Lande, es geht um die Indexierung der Löhne und Gehälter die wir in den 1970er Jahren verallgemeinert haben und das ist eine Debatte die hier schon seit einigen Monaten doch sehr intensiv geführt wird.

Christian Otterbach: Also Unruhe im Land auch. Es wird natürlich auch viel darüber gesprochen wer die Verursacher dieser Krise sind. Es wird in der Politik darüber geredet, eben die Banken und auch die internationalen Finanzspekulationen stärker an die Kandare zu nehmen. Sie selbst sagen, gerade der Bankensektor in Luxemburg wurde getroffen. Wie viel Interesse hat denn ein Bankenplatz wie Luxemburg, offen gesagt, daran, dass der Bankenmarkt streng reguliert wird?

Jean Asselborn: Ein ganz großes Interesse. Luxemburg hat seit den 1960er Jahren effektiv mit diesem Bankgeheimnis gelebt. Das haben wir nicht erfunden in den 1960er Jahren, das besteht bei uns schon seit den 1930er, gar 1920er Jahren.

Wir müssen umbauen. Sie wissen vielleicht, dass wir das Bankgeheimnis abgeschwächt haben, so wie auch die Schweizer das getan haben, wie auch die Belgier und die Österreicher. Der Bankplatz Luxemburg wird jetzt zeigen, und ich bin überzeugt, dass er das kann, dass er Kompetenzen hat in Sachen Regulierung, in Sachen Überwachung, in Sachen Ratingagenturen. Das ist schon wichtig, dass wir hier in Luxemburg wissen, wenn der Markt, der Weltmarkt, der Finanzmarkt reguliert wird, dass wir uns anpassen müssen. Nur dann haben wir eine Chance. Sonst werden wir auch hier zerquetscht. Wenn jeder in seine Richtung agieren kann ist Luxemburg viel zu klein, viel zu klein um auch in den nächsten 100 Jahren noch Nischenpolitik machen zu können.

Christian Otterbach: Es wundert einen, dass ein Land das so stark vom Bankensektor abhängig ist tatsächlich sagt, wir brauchen ganz strenge Regeln.

Jean Asselborn: Das sagt vielleicht nicht jeder in Luxemburg, aber ich bin zum Beispiel einer von vielen die sagen, dass es gut war, dass wir diese Reinigung mit dem Bankgeheimnis in Luxemburg haben. Es sind ja viele Leute die Vertrauen in Luxemburg haben, weil wir sozial sehr stabil sind, weil wir den sozialen Frieden hier wirklich sehr ausgeprägt leben, weil wir auch ein Land sind mit niedrigen Lohnnebenkosten, weil wir ein Land sind wo es sich, glaube ich, anständig leben lässt. All diese Trümpfe die wir haben in der Mitte von Europa, unsere Sprachen die wir ja ziemlich adrett manipulieren können, obschon wir Touristen in vielen Sprachen sind, aber trotzdem, das sind schon Vorteile die wir auch auf dem Bankenplatz ausspielen müssen.

Christian Otterbach: Nun sind Sie auch Sozialdemokrat und Sie sprechen selbst von dem sozialen Frieden der hier noch da ist, anderswo in Europa gibt es ihn nicht mehr. Diese Auswüchse des Kasinokapitalismus, der auch viele Verlierer produziert muss Ihnen doch ein Dorn im Auge sein. Massenweise verlieren die Menschen das Vertrauen in die Politik und sagen, die eigentliche Macht liegt sowieso mittlerweile ganz wo anders.

Jean Asselborn: Die Sozialdemokratie steht vor einer sehr, sehr großen Herausforderung. Jeder sagt, dass Kasinokapitalismus selbstverständlich nicht geht. Das sagt jede Partei und jeder vernünftige Mensch, dass hier wirklich Riegel vorgeschoben werden müssen. Wo es einem Sozialdemokrat oder unserer Philosophie sehr weh tut, das ist wenn wir in eine Lage kommen würden, ich hoffe, dass wir sie vermeiden können, wo das Sparen, die Reduktion der Defizite nur auf Kosten der Sozialpolitik getätigt werden könnte. Ich sage aber auch, wenn ich das sagen darf, auch in einem Sommerinterview, weil es sehr, sehr ernst ist, dass der Euro nicht verträgt, dass wir zwei verschiedene Konzepte in der Europäischen Union zu lange vehikulieren.

Christian Otterbach: Das ist genau der Punkt, also gerade wenn man den europäischen Motor anspricht, da sprechen gerade momentan Berlin und Paris nicht unbedingt mit einer Stimme. Das muss Ihnen Sorgen machen.

Jean Asselborn: Ich glaube, dass mit Griechenland, Spanien, Portugal eingesehen wurde in den 27 Ländern, dass man die Haushaltsdefizite zügeln muss. Das heißt, nicht total blockieren, aber zügeln muss, sonst kommt der Euro in sehr große Gefahr, das stimmt.

Was auch stimmt, das ist, dafür braucht man kein Europäer zu sein, kein sehr hellhöriger Wissenschaftler zu sein, dass man sieht dass es zwischen Deutschland – die eben die Mark hatten und noch immer glauben, dass die Mark, oder sagen wir mal das Umfeld der Mark und auch wie die Mark eigentlich sich dargestellt hat, das Richtige ist, das einzig Richtige ist – und den Franzosen auf der anderen Seite, die das etwas anders sehen und vielleicht zurzeit mehr auf der Welle der Amerikaner sind. Um es mal schwarz-weiß darzustellen.

Das Problem ist, glaube ich, dass diese Einsicht, wenn sie da ist, wenn auch in Frankreich in die Verfassung eingeschrieben wird, dass man Haushaltsdefizite nicht über ein gewisses Maß hinaustragen darf. Es geht ja jetzt um diese Wirtschaftsregierung, wo kein Mensch richtig weiß wie die zu definieren ist. Was man weiß und was man hört ist, dass Sarkozy eher das zu 16 machen will in der Eurogruppe, während Frau Merkel das eher unter den 27 sehen will. Sie sieht vielleicht mehr Chancen für ihre Theorie, auch mit dem Argument, was ja auch nicht falsch ist, Europa nicht wieder zu spalten. Wichtig ist es, dass man nicht so weitermachen kann. Deutschland und Frankreich wollen Europa. Beide wollen Leader sein in Europa. Wenn sie das sein wollen, effektive Leader sein wollen, müssen sie auch an derselben Leine ziehen, nicht an zwei verschiedenen Leinen.

Christian Otterbach: Tun sie aber nicht und da stellt sich natürlich nun die Frage, wie effektiv ist in einer solchen Lage die, wie alle sagen, noch nie so da war überhaupt noch ein Krisenmanagement das nationalstaatlich ausgerichtet ist? Eine Frage an den Außenminister.

Jean Asselborn: Man muss ganz einfach sich 2 Sachen wieder in den Kopf zurückrufen, auch im großen Berlin und im großen Paris: Europa ist aufgebaut auf 2 großen Prinzipien. Das erste ist die Solidarität unter den 27. Und wenn ich Solidarität sage, dann meine ich auch, dass jeder die Argumentation des anderen respektiert und auch aufnimmt. Es stimmt was Sie sagen: manchmal heutzutage, in Brüssel, Straßburg oder in Luxemburg, redet man aneinander vorbei. „Dialogue de sourds“ sagen die Franzosen dafür.

Das Zweite ist genau so wichtig: in Europa hat jeder dieselben Rechte. Darum haben wir jetzt diesen Verfassungsvertrag, den wir so genannt haben. Wir haben den Lissabonner Vertrag, den wir durchgebracht haben. Die Mechanismen stehen, jeder hat dieselben Rechte. Es kann nicht sein, dass in Europa ein Direktorium entsteht,wo die Großen sagen wo die Kleinen und die Mittleren hinzuwatscheln haben.

Christian Otterbach: Nun sitzen wir hier in Ihrem Büro mittendrin, sozusagen, in Europa, in der Großregion Saar-Lor-Lux die sich gern immer als Modellregion für Europa sieht, selbst sieht, aber das stimmt auch nur teilweise. Viele Saarländer arbeiten bei Ihnen in Luxemburg, viele Luxemburger wohnen auf der anderen Seite der Mosel. Das funktioniert, aber die Politik ist dann doch immer noch eine eigene und schaut jeweils auf den eigenen Nationalstaat.

Jean Asselborn: Ich will Ihnen nicht widersprechen, prinzipiell, aber Sie müssen folgendes sehen: nach der Region Basel ist diese Großregion mit 11,5 Millionen Einwohnern, wenn man Rheinland-Pfalz, Saarland, Wallonie, Lothringen und Luxemburg zusammen nimmt, und bedenkt, dass wir ja das einzige Land in diesem Ganzen sind, in der ganzen Großregion.

Und die Zahlen, ich weiß wir sind beide keine Mathematiker aber wenn man sagt, 7.000 Menschen kommen jeden Tag aus dem Saarland, 25.000 aus Rheinland-Pfalz, 75.000 aus Frankreich, 30.000 aus Belgien zu uns arbeiten hier nach Luxemburg und zusammen haben wir 200.000 Leute die jeden Tag grenzüberschreitend auf ihre Arbeit fahren, ist das doch schon etwas wo sich Sachen bewegen.

Die Großregion, die Struktur ist ja entstanden nach der Stahlkrise in den 1970er Jahren, da hat man sich zusammen getan. Das war Saar-Lor-Lux. Dann haben wir aber auch die Rheinland-Pfälzer mitgenommen und auch die Belgier mitgenommen, später, das ist auch gut so. Wir geben uns Strukturen in dieser Großregion, es ist das Haus der Großregion hier in Luxemburg. Man arbeitet jetzt an einem Sekretariat und es gibt 3 Bereiche, wo man trotzdem für die Menschen schon sehr viel erreicht hat, das erste ist Bildung.

Sie kennen das Schengen-Lyzeum in Perl wo jetzt 500 Schüler sind, Deutsche und Luxemburger. Auch die Professoren sind Luxemburger und Saarländer und man versucht auch in der Qualifikation und auch in der Ausrichtung der Ausbildung transnational zu operieren. Es ist schon ein großer Erfolg.

Wir haben auch ein Netz der Universitäten. Es gibt 112 Fachhochschulen in dieser ganzen Region die zusammenarbeiten.

Es gibt auch, zum Beispiel, diese „Taskforce Grenzgänger“ in Saarbrücken, wo Menschen die Grenzgänger sind aus allen 5 Regionen dahin kommen können wenn sie Probleme haben, und sich als Arbeitgeber oder als Arbeitnehmer da informieren und beraten werden. Das ist schon eine wichtige Sache.

Und dann, was noch quietscht im Gebälk, dass ist Mobilität. Es sind nur 7-8% die mit dem öffentlichen Transport nach Luxemburg kommen.

Großregion haben wir auch, weil wir auf einem Knoten, nämlich hier in Luxemburg das Glück haben, dass so viele Menschen bei uns Arbeit finden. Wenn man vor allem die Gegend in der Lorraine, nimmt, mit mehr als 70.000 die jeden Tag kommen, wenn man da Luxemburg zudrehen würde, oder es geschähe etwas was unsere Wirtschaft sehr stark beeinträchtigen würde, wäre das auch schon für die ganze Region und auch für die ganze Region, nicht nur in Frankreich, in Deutschland aber auch in Belgien, wäre das schon eine Konsequenz die wehtun würde.

Christian Otterbach: Aber gerade deshalb haben eine doch auch ein vitales Interesse an grenzüberschreitendem Verkehr, Mobilität. Nun ist es in allen Teilregionen dieser Großregion momentan am quietschen. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Die Haushalte zum Beispiel der Landeshaushalt im Saarland, das Saarland hat sehr viele Schulden, hat Schwierigkeiten seinen Landeshaushalt aufzustellen.

Ist es denn noch zeitgemäß in einem heutigen Europa alle diese Probleme sozusagen von den einzelnen Hauptstädten abhängig zu machen, also sprich, das Saarland richtet sich, schaut nach Berlin, Lothringen schaut nach Paris. Sollte man sich denn nicht zusammentun, oder kurz gefragt, kann man denn Strukturprobleme nicht besser lösen, wenn man sich innerhalb der Großregion zusammentut?

Jean Asselborn: Ich glaube schon, aber man muss wissen, dass Saarbrücken keine Verbindung bauen wird, oder auch nicht Mainz oder Trier, nach Luxemburg. Das muss schon das Land sein. Dann in Lothringen: Sie wissen, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist, auch von Lothringen. Das ist sehr schwierig, wie Sie das richtig sagen.

Aber ich glaube hier sind genau wir Luxemburger, die ja das einzige Land sind, gefordert sind und tun das ja auch, in Paris, in Brüssel, in Berlin auch vorzusprechen und zu sagen, passt auf, diese Region hier die lebt vom grenzüberschreitendem Verkehr, der Mobilität, der Arbeit, die die Menschen grenzüberschreitend haben. Also könnte man schon sich trotzdem hinsetzen.

Was man fertiggebracht hat zwischen Luxemburg und Saarbrücken müsste man auch fertig bringen mit Trier, oder mindestens verbessern. Aus Frankreich geht das ganz gut. Wir haben Probleme auch mit den Verbindungen von Belgien her, das stimmt. Aber hier besteht ein Manko an Geld. Aber Sie wissen, ich glaube nicht, dass jemals das Saarland oder auch Lothringen sich selbst in die Lage versetzen kann um autonom, sagen wir mal, infrastrukturpolitisch überleben zu können. Da braucht man ja immer dieser Anbindungen trotzdem und auch diese Hilfe die vom Bund kommt, bei euch, oder die dann in Belgien vom Föderalstaat kommt.

Christian Otterbach: Aber Sie sagen selbst, überall wird diskutiert, in Deutschland flammt die Diskussion um eine Länderneugliederung immer wieder neu auf, in Belgien ist man am diskutieren wie man sich mit den verschiedenen Volksgruppen überhaupt noch verständigen kann, ist in einem Europa, wenn man das mal visionär betrachtet, es nicht möglich sich über die alten nationalstaatlichen Grenzen zusammen zu tun, wenn man vielleicht kulturell viel eher zusammen gehört?

Jean Asselborn: Auf das „Wir-Gefühl“ in der Großregion müssen wir jetzt aufpassen: man ist Saarländer, man ist Luxemburger und dann ist man auch noch Europäer und dann kann man nicht auch noch verlangen, dass man Großregionalist ist oder so etwas. Das brauchen wir nicht, aber trotzdem ein Gefühl, dass Verschiedenes zusammen gehen könnte.

Die Föderalismusdebatte in Deutschland ist eine andere als das was in Berlin geschieht. Mag sein, dass in Deutschland vor allem die Rationalität im Vordergrund steht. In Belgien ist es ja etwas anders.

In Belgien gibt es eine leichte Desolidarisierung zwischen dem Norden und dem Süden, weil der Norden jetzt 2010 sagt, das Geld was wir hier erwirtschaften wird zum Teil transferiert in den Süden.

Ich weiß, bei Euch in Deutschland gibt es ja auch verschiedene soziale Aspekte, aber Ihr fühlt Euch ja noch immer als ein Land in Deutschland. Die Reform des Föderalismus geht ja nicht in Richtung Konföderalismus, wie es in Belgien der Fall ist. Ob das jetzt mit Europa zu tun hat ist schwer zu sagen.

Christian Otterbach: Aber ganz kurz, zum Abschluss noch mal gefragt, dass Sie das Saarland kaufen, können Sie sich auch in 30 Jahren nicht vorstellen?

Jean Asselborn: Wir haben ja kein Geld um das Saarland zu kaufen, wir wollen das überhaupt nicht machen.

Die „Province de Luxembourg“, also die Luxemburger Provinz in Belgien, würde schon manchmal sehr gerne zu uns kommen.

Ich glaube, Ihr habt Eure Geschichte, eine sehr bewegte Geschichte. Ich weiß, dass Ihr keine – ich sage jetzt etwas, ich weiß nicht ob ich das sagen darf – aber Ihr seid ja keine typischen Deutschen, Ihr seid nicht preußisch angehaucht, wenn ich mal so sagen darf. Ich habe jetzt nichts gegen die Preußen, aber Ihr seid anders, das will ich nur damit sagen und das ist etwas was uns Luxemburgern ja auch sehr gefällt, wenn etwas mehr frankophon ist, sagen wir mal so, da mit hineinspielt, dann nimmt man das Leben schon irgendwie etwas lockerer und das Temperament des Saarlandes und auch der Luxemburger passt da schon zusammen. Das ist etwas, das braucht man überhaupt nicht zu kaufen, Ihr seid ja auf unserer Linie, das wissen wir ja.

Christian Otterbach: Herr Minister, vielen Dank.

Jean Asselborn: Bitte.

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