"Wir müssen intelligent sparen". Le Premier ministre, Jean-Claude Juncker, au sujet de la crise économique et financière

KURIER: Herr Premierminister, ist die Krise nun vorbei?

Jean-Claude Juncker: Wer so tut, als ob alle Probleme gelöst wären, macht sich der Irreführung der Öffentlichkeit schuldig. Wir dürfen uns als Politiker nicht genieren,

Normatives vorzuschlagen. Wir können nicht so weitertun wie vorher. Die Wahrheit ist, dass niemand weiß, wie wir aus der Talsohle herauskommen. Wir müssen zur Wachstumsstärke zurückfinden.

KURIER: Ist die EU-Finanzmarktaufsicht, die 2011 kommt, das Folterinstrument, von dem Sie sprachen?

Jean-Claude Juncker: Die Instrumentarien werden stark sein. Die Finanzmärkte werden sich nicht länger so gebären können wie bisher. Dieses Verhalten hat ja ins Desaster geführt.

KURIER: Reagieren die Finanzmärkte auf die Krise?

Jean-Claude Juncker: Viele tun so, als ob nichts passiert wäre. Das führt in der Bevölkerung zur Missstimmung und zum Eindruck, die staatlichen Haushalte haben mit Steuergeldern die Krise beigelegt und jetzt geht die Party weiter, während viele den Gürtel enger schnallen müssen. Jetzt kommt die Gerechtigkeitsdebatte. Nach der Krise darf nicht die soziale Krise folgen. Es gilt der alte Satz: Eigentum verpflichtet.

KURIER: Ist die Krise ein Offenbarungseid für die EU?

Jean-Claude Juncker: Die Krise ist ein Offenbarungseid für die Nationalstaaten. Kein Land kann die Krise alleine lösen. Der Zuspruch zur EU als Krisenmanager ist größer geworden. Viele verstehen jetzt, dass es ohne Europa wirtschaftlich und sozialer schlimmer bestellt wäre.

KURIER: Am 23. Juli werden die Bankenstresstests veröffentlicht. Fallen Banken durch?

Jean-Claude Juncker: Ich erwarte keine großen Katastrophen. Beschönigungen kann es nicht geben, sie werden von der Realität eingeholt.

KURIER: Wie spart man, ohne die Konjunktur zu schwächen?

Jean-Claude Juncker: Hohe Schulden sind keine Voraussetzung für hohes Wachstum, im Gegenteil. Erst wenn die öffentlichen Finanzen in Ordnung sind, zeigen private Investoren Risikobereitschaft. Wir müssen intelligent sparen, dabei darf das Wachstum aber nicht abgetötet werden.

KURIER: Habe Sie noch Illusionen über Europa?

Jean-Claude Juncker: Ich mache mir über das europäische Projekt keine Illusionen, weil ich keine Illusionen verlieren will. Die EU ist ein rational begründbares Projekt, zu dem es keine Alternative gibt. Gerade kleinere Staaten brauchen Europas Schirm, um international existieren zu können.

KURIER: Die Financial Times bemängelt die Schwäche des europäischen Führungspersonals Merkel, Sarkozy und Van Rompuy. Stimmt das?

Jean-Claude Juncker: Ich rede mit Kollegen und nicht über Kollegen. Ich kommentiere die Namen nicht. Ich kritisiere, dass es in vielen Ländern chic ist, rein nationalen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen und das Gesamtinteresse der EU tiefer zu hängen, obwohl viele Menschen merken, dass es ohne Europa nicht geht. Es gab eine Zeit, wo Regierungschefs großer Länder im Zweifelsfall die europäische Karte gezogen haben. Die Bereitschaft, innenpolitische Risiken im Interesse Europas einzugehen, hat sich abgeschwächt.

KURIER: Hält die Euro-Zone?

Jean-Claude Juncker: Der Euro wird seine Kritiker überleben, er ist nicht in Gefahr. Wir brauchen aber einen strengeren Stabilitätspakt und eine Ordnung, die Finanzkräften keinen freien Lauf lässt, sondern dem allgemeinen Interesse entspricht.

KURIER: Sollten Länder aus dem Euro-Klub austreten können?

Jean-Claude Juncker: Kein Land will austreten. Das wäre mit fundamentalen wirtschaftlichen Folgen verbunden. Niemand denkt im Ernst daran, die Solidaritätszone zu verlassen. Ich habe es nur mit Ländern zu tun, die beitreten wollen.

KURIER: Sind Sie für eine europäische Wirtschaftsregierung?

Jean-Claude Juncker: Seit 1991 will ich eine stärkere Koordinierung der Wirtschaft. Deutsche und Franzosen haben einen profunden Dissens, was die inhaltliche Ausgestaltung dieser Koordinierung angeht. Es wäre ratsam, wenn sie sich um sachliche Inhaltsfindung bemühen würden, anstatt sich in Wortklauberei zu üben.

KURIER: Kommt die Finanztransaktionssteuer in der EU?

Jean-Claude Juncker: Wir planen es in der EU-27, wenn nicht, in der Euro-Zone. Globale Investoren fühlen sich in einem ordnungspolitisch korrekten Raum wohler als im Wilden Westen. Sicherheit hat man nur, wenn nach klaren Regeln gespielt wird und nicht nach Kasino-Mentalität.

KURIER: Wie hoch sind die sozialen Kosten der Krise?

Jean-Claude Juncker: Man muss darauf achten, dass nicht die kleinen Leute die Krise zahlen. Ich war stets allergisch gegen dieses ewig anhaltende Privatisierungs- und Flexibilisierungsgesäusel, weil man auf die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen ungenügend Rücksicht nimmt. Es wäre besser, wenn in den Chefetagen kompliziert gedacht und einfach geredet würde als umgekehrt.

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