Jean-Claude Juncker au sujet du pacte de stabilité et d'un instrument pour l'adaptation de la compétitivité

Luxemburger Wort: Worauf kommt es bei der Novellierung des Stabilitätspaktes an?

Jean-Claude Juncker: Die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen sollte stärker thematisiert werden. Wir sollten eine Situation anstreben, in der die Wachstumsraten ähnlich sind und die Inflationssprünge nicht allzu stark divergieren.

Luxemburger Wort: Wie sollte dies erreicht werden?

Jean-Claude Juncker: Wir könnten uns ein Instrument zur Kontrolle der Wettbewerbsfähigkeit geben. Länder, die sich zu stark vom Wettbewerbsfähigkeitsziel entfernen, würden in eine mit Empfehlungen verbundene Prozedur eingewiesen.

Luxemburger Wort: Braucht der Wettbewerbsfähigkeits-Mechanismus Sanktionen?

Jean-Claude Juncker: Nein, hier muss man mit Empfehlungen arbeiten.

Luxemburger Wort: Im Gegensatz zu den Haushaltszielen?

Jean-Claude Juncker: Bei den Haushaltszielen muss man zu einer vorab festgelegten Art automatischer Sanktionen kommen, damit die Entscheidung über die Verhängung von Sanktionen nicht in politischen Kompromissen zwischen vornehmlich großen Mitgliedsstaaten unter die Räder gerät. Deshalb benötigen wir ein System mit klaren Regeln. Wenn diese verletzt werden, muss es zu automatischen Sanktionen kommen.

Luxemburger Wort: Hängen Haushaltsdisziplin und Wettbewerbsfähigkeit zusammen?

Jean-Claude Juncker: Griechenland etwa hat ein Haushaltsproblem, weil es ein enormes Wettbewerbsfähigkeitsproblem hat. Athen hat seit dem Eintritt in die Eurozone 25 Prozent seiner Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Dadurch erklärt sich zu einem großen Teil die totale Schieflage der öffentlichen Finanzen Griechenlands.

Luxemburger Wort: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation Griechenlands?

Jean-Claude Juncker: Die griechische Regierung geht mutig zu Werke. Das Haushaltsdefizit hat sich im ersten Semester 2010 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über 30 Prozent abgesenkt. Die Strukturreformen, auch im Rentenbereich, sind zielorientiert und finden die absolute Zustimmung aller, die an diesem Euro-Rettungspaket beteiligt sind.

Luxemburger Wort: Das Rettungspaket ist also eine gute Investition?

Jean-Claude Juncker: Wir haben kein luxemburgisches Steuergeld über die Theke geschoben. Es geht hier um Kreditgewährung. Zum Griechenland-Paket gehört, dass Griechenland seine Schulden zu einem Satz von fünf Prozent zurückbezahlt.

Luxemburger Wort: Eine Umschuldung steht nicht an?

Jean-Claude Juncker: Ich bin der Meinung, dass das Rettungspaket aufgrund seiner Resultatsgebundenheit die erwarteten Ergebnisse zeigen wird. Wer ins Auge fasst, dass es einen Ausweg aus der griechischen Schuldenkrise nur via Umstrukturierungen geben kann, stellt in Aussicht, dass das Rettungspaket nicht zu vollem Erfolg führen würde.

Luxemburger Wort: Hat die Slowakei falsch gehandelt?

Jean-Claude Juncker: Die Position der Slowakei ist politisch nicht akzeptabel. Die Weigerung, sich am griechischen Rettungspaket zu beteiligen, ist kein eklatanter Rechtsbruch, sie ist nicht einmal ein minimaler Rechtsbruch, sondern ein Ausscheren aus der gemeinsam mit der Stimme der Slowakei vereinbarten Gesamtsolidarität. Wenn sich alle so benehmen würden, hätten wir jetzt eine verheerende wirtschaftliche und soziale Abwärtsspirale.

Luxemburger Wort: Rechnen Sie mit weitreichenden Vorschlägen der Task Force?

Jean-Claude Juncker: Herr Van Rompuy wird heute keinen Bericht der Arbeitsgruppe vorlegen können, weil es nur in sehr wenigen Einzelpunkten totales Einverständnis innerhalb der Task Force gibt. Über Festlegungen zur Einführung des Europäischen Semesters zur ex-ante Konsultierung der nationalen Haushaltspläne innerhalb der Eurozone hinaus gibt es keinen Konsens.

Luxemburger Wort: Erwarten Sie Fortschritte?

Jean-Claude Juncker: Ich gehe davon aus, dass es Herman Van Rompuy kaum gelingen dürfte, bis zur Oktobersitzung des Europäischen Rates einen Abschlussbericht vorzulegen. Ich glaube auch, dass der Europäische Rat ihn nicht bitten wird, bis zum Oktober einen abschließenden Bericht vorzulegen.

Luxemburger Wort: Stört Sie das?

Jean-Claude Juncker: Pausenlose Wiederholung von Allgemeinsätzen bringt uns in der Sache nicht weiter und erweckt auch an den Finanzmärkten den Eindruck, als ob wir uns nicht schlüssig wären, was in Sachen Novellierung des Stabilitätspaktes zu unternehmen ist.

Luxemburger Wort: Und die EU-Kommission?

Jean-Claude Juncker: Man wird der Kommission das Recht nicht absprechen können, auf ihr Initiativmonopol zurückzugreifen und eigene Vorschläge vor Ende des Monats vorzulegen. Herr Van Rompuy und Herr Barroso müssen sich über die weitere Vorgehensweise zu verständigen verstehen.

Luxemburger Wort: In der EU gibt es Wirtschaftswachstum. Ist die Krise vorbei?

Jean-Claude Juncker: Aus den Prognosen der EU-Kommission geht hervor, dass sich die Eurozone auf Wachstumskurs befindet. Das ist erfreulich. Doch Europas Wachstum 2010 reicht nicht aus, um die Rückfälle von Ende 2008 und 2009 zu kompensieren. Wir müssen bis Ende 2011 oder Anfang 2012 warten, damit wir zum Niveau von vor Krisenbeginn aufgeschlossen haben. Man sollte nicht die Champagnerkorken knallen lassen.

Luxemburger Wort: Das gilt auch für Luxemburg?

Jean-Claude Juncker: Für Luxemburg ist erfreulich, dass es vor allem in Deutschland, unserem Haupthandelspartner, zu einem soliden Wachstumsschub kommt.

Luxemburger Wort: Wächst Deutschland auf Kosten Anderer?

Jean-Claude Juncker: Ich halte nicht viel davon, Deutschland vorzuwerfen, es würde Wachstum auf Kosten anderer generieren. Dennoch äußere ich mich manchmal zurecht missmutig über reale Lohnrückentwicklungen, die es in Deutschland in den letzten zehn Jahren gegeben hat. Diese Politik fasse ich für Luxemburg nicht ins Auge.

Luxemburger Wort: Beunruhigt Sie die Lage in Belgien?

Jean-Claude Juncker: Ich beobachte die Entwicklung der Lage in Belgien mit Sorge. Ich mische mich allerdings nicht in die innerbelgische Behandlung der belgischen Existenzfrage ein. Allerdings bin ich froh, dass wir den Euro haben und nicht mehr den belgisch-luxemburgischen Franken.

Luxemburger Wort: Wie bewerten Sie die Arbeit der EU-Außenbeauftragten Ashton?

Jean-Claude Juncker: Ich würde mir wünschen, dass Frau Ashton mit deutlich erkennbaren eigenen Vorschlägen die Arbeit des Europäischen Rates animieren würde. Das konnte ich bei der Vorbereitung des Sondergipfels nicht einmal ansatzweise erkennen.

Luxemburger Wort: Wir bedanken uns für das Gespräch, Herr Premierminister.

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