"L'être humain prime sur l'Etat", Jean Asselborn au sujet de la politique étrangère menée par le Luxembourg

Luxemburger Wort: Herr Außenminister, Sie stellen heute der Luxemburger Volksvertretung Ihre europa- und außenpolitische Erklärung vor. Macht Ihnen Ihre Arbeit an der Spitze der Luxemburger Diplomatie eigentlich noch Spaß?

Jean Asselborn: Ja, mehr als jemals zuvor. Denn wir leben in außenpolitisch höchst spannenden Zeiten. Die Welt, in der wir leben, bewegt sich zunehmend schneller. Und wir dürfen als Luxemburg den außenpolitischen Zug keinesfalls verpassen. Das wäre fatal für unser kleines, aber dennoch nicht unbedeutendes Land mitten in Europa.

Luxemburger Wort: Kann ein solch kleines Land wie Luxemburg eigentlich international mitreden oder gar etwas bewegen?

Jean Asselborn: Eindeutig ja! Unsere Stimme wird in Europa und manchmal sogar in der Welt gehört. Dies hängt natürlich vor allem mit der Nähe der luxemburgischen zur europäischen Außenpolitik zusammen. Wir werden ernst genommen, weil wir europäische mit luxemburgischen Interessen verbinden. Und wir haben keine machtpolitischen Hintergedanken. Das kommt gut an. Und manchmal kann man sogar etwas bewegen. Auch wenn die Bewegung oft sehr schleppend ist.

Luxemburger Wort: Ist dies nicht oft frustrierend für Sie?

Jean Asselborn: Mich frustrieren vor allem die kolossalen Ungerechtigkeiten, die ich jeden Tag in der Welt, die ich ja oft bereise, feststellen muss. Sie motivieren mich aber auch in meiner außenpolitischen Arbeit als Außenminister.

Luxemburger Wort: Sie sind als Außenminister zwangsläufig oft auf Reisen in aller Welt. Direkte politische Profite für die Luxemburger Innenpolitik sind für viele Bürger nicht immer zu erkennen. Was bringt unsere Außenpolitik eigentlich unserer Innenpolitik?

Jean Asselborn: Sehr viel! Ich habe bereits die legitime Interessenvertretung angesprochen. Unsere Botschaften machen hier eine wunderbare Arbeit. Es ist mir auch sehr wichtig, dass alle Luxemburger Regierungsaktivitäten im Ausland über unsere Botschaften abgewickelt werden. Die Bandbreite geht von Kooperations- über Kultur- bis hin zu Wirtschaftspolitik. Denn mit Außenpolitik werden auch Arbeitsplätze im Inland geschaffen oder gesichert. Hinzu kommt, dass gerade ein kleines Land eine große internationale Visibilität braucht. Die erreicht man nur mit einer proaktiven Außenpolitik.

Luxemburger Wort: Sie haben gerade von einer immer schneller werdenden Welt gesprochen. Wie sehen die großen Trends dieser Veränderung aus? Nicht zuletzt auf die realexistierende Globalisierung ...

Ein gutes Stichwort. Ich stelle in meiner Arbeit fest, dass international die Zusammenarbeit immer größer wird. Kein Land - nicht einmal die USA oder China - kann heute die globalen Probleme alleine lösen. Dies funktioniert nur gemeinsam und im Team. Dies gilt zunächst für die Europäische Union. Dies gilt aber auch für die G2O-Staaten. Und nicht zuletzt auch für die reformbedürftigen UN.

Luxemburger Wort: Welche globalen Probleme meinen Sie?

Jean Asselborn: Ich habe ja bereits von den wirtschaftlich-sozialen Ungerechtigkeiten gesprochen. Wir leisten vorbildliche Kooperationspolitik in Luxemburg. Aber wir brauchen ein größeres internationales Bewusstsein für Armut. Reiche Staaten wie etwa die Golfstaaten müssten hier noch wesentlich mehr tun.

Luxemburger Wort: Welche Herausforderungen sehen Sie noch?

Jean Asselborn: Vor allem die globale Erderwärmung. Hier sehe ich auch noch großes außenpolitisches Potenzial. Und natürlich die zentrale Frage jeder Außenpolitik: die Frage von Krieg oder Frieden. Auch als Realpolitiker glaube ich immer noch an ein 21. Jahrhundert ohne Hunger, ohne Umweltverschmutzung und ohne Krieg.

Luxemburger Wort: Wieso kommen wir denn nicht voran in diesen Fragen? Wo liegt das Kernproblem?

Jean Asselborn: Auch Außenpolitiker sind nur Menschen. Und vor allem große Staaten verfolgen zunächst einmal vordergründig ihre vermeintlichen Interessen. Da wird oft zu kurz gedacht. Ich denke aber, dass bei einer rationalen Betrachtung ethische, politische und selbst wirtschaftliche Interessen langfristig immer Hand in Hand gehen. Das Problem ist, dass viele Staaten weder langfristig noch rational denken oder handeln.

Luxemburger Wort: Sie sprechen die Staatenwelt an. Ist dieses außenpolitische Denken und Handeln nur in staatlichen Kategorien nicht veraltet?

Jean Asselborn: Doch, das ist es. Aber dennoch wird der außenpolitische Mainstrcam von den großen Staaten bestimmt.

Luxemburger Wort: Auch in der EU? Viele Beobachter haben etwa nach Deauville von einer Renationalisierung der europäischen Politik gesprochen.

Jean Asselborn: Ich bin kein Freund der deutschfranzösischen Deauville-Methode. Lassen wir den Inhalt einmal außen vor und konzentrieren wir uns auf die Methode: Berlin und Paris haben einen Deal ausgehandelt und diesen dann den restlichen 25 EU-Ländern aufgezwungen. Dies ist gegen den europäischen Geist. Deauville war ein Rückschlag für Europa. So gesehen kann man durchaus von der Gefahr einer Renationalisierung sprechen.

Luxemburger Wort: Auch beim G2O geben die großen Nationalstaaten der Welt gewissermaßen per definitionern den Ton an.

Jean Asselborn: Ja, das stimmt. Deshalb kann der G2O auch niemals die Vereinten Nationen ersetzen. Wir versuchen als Luxemburg immer auf die Gemeinschaftsmethode zu setzen. Sowohl innerhalb der Union als auch innerhalb der UN. Ich gebe zu, dass wir nicht immer erfolgreich sind.

Luxemburger Wort: Stichwort UN: Wäre es nicht an der Zeit, nur einen europäischen UN-Sitz zu haben? Oder ist die UN gänzlich reformunfähig?

Jean Asselborn: Es sind nicht die UN, sondern die Staaten der UN! Die Reform des Weltsicherheitsrates ist absolut notwendig. Aber sie ist auch sehr schwierig und komplex. Dennoch: es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, dass kein afrikanisches, kein lateinamerikanisches und nur ein asiatisches Land einen permanenten Sitz im zentralen UN-Gremium hat. Ein einziger EU-Sitz würde im Übrigen auch die europäische Außenpolitik stärken. Aber in London und Paris wird dies leider noch etwas anders gesehen.

Luxemburger Wort: Dabei hat sich die Welt seit 1989 eindeutig verändert ...

Jean Asselborn: Eine der wichtigsten außenpolitischen Tugenden ist deshalb die Geduld! Die Zeiten des Ost-West-Konflikts sind vorbei. Aber nicht immer in unseren Köpfen. Dies gibt auch für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Das Konzept des Multilateralismus ist ein Prozess. Wie die Globalisierung. Ich bin deshalb - bei allen Rückschlägen durchaus optimistisch für die Zukunft.

Luxemburger Wort: Können Sie uns noch die Prioritäten der Luxemburger Arbeit für die nächsten Jahre verraten?

Jean Asselborn: Zunächst arbeiten wir an den Millenniumzielen. Dann bleibt Abrüstung für uns ein große Thema. In Europa muss der Erweiterungsprozess weiter in Richtung Balkan geführt werden. Und auch bei der Türkei dürfen wir keine versteckte Agenda haben. Vor allem aber gehört Afrika die Zukunft. Auch wenn sich heute noch Flüchtlinge zu Fuß nach Europa schleppen. Nicht zuletzt deshalb haben wir als Land einen Botschafter bei der Afrikanischen Union genannt.

Luxemburger Wort: Eines Ihrer größten Steckenpferde haben Sie jetzt nicht genannt: den Nahost-Konflikt ...

Jean Asselborn: Hier werden wir weiter auf Evidenzen hinweisen. Israel verstößt eindeutig gegen internationales Recht. Und es wird nur Ruhe und Frieden in Nahost mit einem Palästinenserstaat geben. Ich verstehe eigentlich nicht, warum Israel dies nicht einsieht. Eine Lösung beim Nahost-Konflikt würde im Übrigen auch den iranischen Imperialismus, der ja auch von den Spannungen in Nahost lebt, schwächen. Wie sehen Sie die gegenwärtigen Entwicklungen in China und Russland?

Russland wird gebraucht. Moskau ist ein Partner und kein Gegener mehr. Und für China verspüre ich bei aller Kritik etwa in Sachen Menschenrechten - auch eine große Bewunderung. Ich würde mir nur ein aktiveres China etwa in Sachen Klimapolitik vorstellen. Auch unsere Handelsbeziehungen zu Peking sehe ich nicht als negativ an. Denn sie schaffen Arbeitsplätze. Allerdings müssen wir Menschenrechte immer über reine Wirtschaftsinteressen setzen.

Luxemburger Wort: Wie sieht Ihre Analyse der gegenwärtigen amerikanischen Außenpolitik aus?

Jean Asselborn: Ich bin froh, dass Amerika sich vom Schwarz-weiß-Denken verabschiedet hat. Ich hoffe, dass dies auch nach den jüngsten Kongresswahlen so bleibt. Auch in Washington herrscht heute ein multilateraler Geist. Dies war nicht immer so. Mit Europa verbindet Amerika zudem eine politische Freundschaft und Wertegemeinschaft, die einzigartig in der Welt ist.

Luxemburger Wort: Eine Welt, die Sie immer noch zu faszinieren scheint ...

Jean Asselborn: Sonst hätte ich wohl den falschen Job als Außenminister. Politik und auch Außenpolitik ist immer eine Sache von Menschen. Der Mensch muss immer über dem Staat stehen. Dies ist mir sehr wichtig. Und dieses Ziel gibt mir immer wieder neuen Antrieb.

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