"Wir werden in zehn Jahren ohne jeden Zweifel mit dem Euro bezahlen", Jean-Claude Juncker, invité de l'émission "Saar-Talk"

Herbst: Wie geht es weiter mit unserem Geld? Werden wir in zehn Jahren noch mit Euro bezahlen?

Jean-Claude Juncker: Wir werden in zehn Jahren ohne jeden Zweifel mit dem Euro bezahlen. Alle die Stimmen, die sich so aussprechen, als ob es um die Existenz des Euro ginge, sind Stimmen, die in einiger Zeit verstummen werden. Der Euro ist nicht in Gefahr. Und wir werden in zehn Jahren mit einer der stärksten Weltwährungen zahlen.

Klein: Ist das ein deutsches Phänomen, dass man so skeptisch ist, was die Stabilität des Euro angeht? Ist es typisch, dass momentan in Deutschland die Diskussion geführt wird, es gebe möglicherweise zwei Sorten von Euro?

Jean-Claude Juncker: Die Deutschen tendieren dazu, larmoyante Beschreibungen abzuliefern. Und zeichnen sich manchmal aus durch Gedankenentwürfe, die mehr Entwürfe sind als Gedanken. Wenn jetzt der Herr Henkel sich vorstellt, es könnte einen Nord-Euro und einen Süd-Euro geben, einen stabilen und einen weichen Euro, dann sind dies Gedankenspiele, die keinerlei Verankerung in der Wirklichkeit haben. (...) Nicht der Euro ist gefährdet. Wir hatten keine Euro-Krise, wir hatten eine Schuldenkrise in einigen Mitgliedstaaten der Euro-Zone. Dies sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Herbst: Trotzdem hat das ja Auswirkungen auf den Euro. Die Entwicklung in Irland, Griechenland, Spanien und Portugal kann nicht isoliert betrachtet werden. Womit rechnen Sie?

Jean-Claude Juncker: Was den Euro-Kurs anbelangt, rechne ich nicht mit bleibenden, dauerhaften Einwirkungen. Man muss immer wieder feststellen, dass der Euro ja relativ stabil geblieben ist, trotz einer hohen Volatilität der Wechselkurse. Der Euro ist im Direktvergleich mit dem US-Dollar oder der chinesischen Währung überbewertet. Es würde dem Euro und unserem Export sogar gut tun, wenn er weniger stark wäre.

Herbst: Wie gut ist man in Deutschland mit der Krise umgegangen? Der Aufschwung ist im Moment sehr stark. Man könnte behaupten, keiner hat es besser gemacht als Deutschland. Ist es so?

Jean-Claude Juncker: Es ist ohne jeden Zweifel so, dass die damalige noch große Koalition sehr reaktiv auf die Finanzkrise reagiert hat. Bundeskanzlerin Merkel, der damalige Finanzminister Steinbrück waren sehr schnell richtig aufgestellt. (...) Die jetzige Regierung tut dies im Übrigen auch. (...) Aber man muss wissen: Auch wenn die deutsche Wirtschaft im Jahre 2010 um 3,5 Prozent wachsen wird, dann wird es trotzdem noch bis ans Ende 2011 dauern, bevor die Wachstumsverluste, die im Jahr 2009 entstanden sind, wieder wettgemacht sein werden. (...) Insgesamt ist die deutsche wirtschaftliche Entwicklung eine Wohltat für die wirtschaftliche Entwicklung der Euro-Zone.

Klein: Gleichwohl, sagen Sie, gibt es schwarze Flecken auf der weißen Weste. Weil es in Deutschland ein Lohndumping gegeben hat?

Jean-Claude Juncker: Die deutsche Wirtschaft zeichnet sich in den vergangenen zehn Jahren dadurch aus, dass sie ungewöhnlich wettbewerbsfähig geworden ist. (...) Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass es einen Nettoreallohnrückgang gab. Diese Lohnstagnation hat eigentlich dazu geführt, dass der Binnenkonsum sich nicht in dem Maße entwickelte, wie er es hätte tun können. Inzwischen gibt es aber in Sachen der deutschen Lohnpolitik (...) ja vernehmbare Stimmen, die dafür plädieren, dass an dem Aufschwung alle teilhaben sollen. Genau so sehe ich das auch.

Herbst: Nicht nur mit dem Thema Lohndumping, auch mit dem Thema Mindestlohn haben Sie sich eine Reihe von Freunden gemacht in Deutschland. Aber einige sehen das nicht so positiv. Manager stehen eher gegen ihre Positionen. Oskar Lafontaine bemüht Sie gerne als Kronzeugen.(...)

Jean-Claude Juncker: Der Mindestlohn liegt im Interesse der Menschen. Ich bin ein altmodischer Sozialpolitiker und denke, dass wenn man 40 Stunden in der Woche arbeitet, man genug Geld verdienen muss, um mit diesem Einkommen leben zu können. Diese Welt, wo Menschen jeden Tag zur Arbeit gehen und am Ende des Monats nicht ihr Auskommen haben und noch eine zweite, eine dritte Arbeitsstelle der ersten hinzugesellen müssen, um überhaupt materiell für sich und ihre Familie hinzukommen, das ist eine Welt, die man nicht begrüßen darf. Sondern die man in aller Schärfe zurückweisen muss. Wir reden über soziale Marktwirtschaft.

[Zum Abschluss des "Saar-Talk" gilt es für die jeweiligen Gäste, eine Reihe von kurzen Sätzen schnell und möglichst spontan zu ergänzen.]

Herbst: Der erste Halbsatz, den Sie spontan ergänzen sollen: Ich beneide Angela Merkel darum...

Jean-Claude Juncker: ...zu wissen, dass Deutschland nur deshalb groß ist, weil es Mitgliedsland der Europäischen Union ist.

Klein: Ich würde griechische Staatsanleihen kaufen, wenn...

Jean-Claude Juncker: ...ich sicher wäre, dass die Beantwortung dieser Frage nicht zu Turbulenzen führt. Herbst: Mein privates Geld investiere ich in...

Jean-Claude Juncker:...klassische Sparguthaben.

Klein: Die Luxemburger können von den Saarländern lernen,...

Jean-Claude Juncker:...dass man, wenn man einen festen Kurs einschlägt, und wenn man arbeitsam ist, Erfolg hat, obwohl die natürlichen Voraussetzungen nicht immer die Besten sind.

Herbst: Die Saarländer können von den Luxemburgern lernen,...

Jean-Claude Juncker:...bescheiden, aber nicht unglücklich zu sein.

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