Jean Asselborn au sujet des mesures de stabilisation de l'euro et du prochain Conseil européen

Die Welt: Machen die Politiker in der Euro-Krise eine gute Figur?

Jean Asselborn: Wir zerreden zu viel, ich beziehe mich da ein. Zum Euro wurde alles gesagt, jetzt muss gehandelt werden. Wir müssen uns viel mehr anstrengen und zeigen, dass die Existenzfrage des Euro sich nicht stellt, sondern die Frage der Stabilisierung einer der stärksten Währungen der Welt.

Die Welt: Ihr Premier Jean-Claude Juncker hat gefordert, die Länder der Euro-Zone sollten gemeinsame Anleihen, sogenannte Eurobonds, auflegen. Was halten Sie davon?

Jean Asselborn: Mit Eurobonds verbindet sich ja etwas ganz Europäisches: Solidarität. Diese Solidarität würde den Märkten in der Welt zeigen: Die Europäer halten trotz aller Probleme zusammen. Natürlich sind Eurobonds keine hundertprozentige Garantie, dass wir den Euro stabilisieren. Aber sie sind von allen Rettungsinstrumenten - und ich wünsche mir eigentlich keines davon - immer noch das Beste.

Die Welt: Werden die Eurobonds zu einem großen Thema auf dem EU-Gipfel?

Jean Asselborn: Nein, das erwarte ich nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass die Eurobonds in Zukunft in irgendeiner Form eingeführt werden. Sie können den Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, helfen, zu vernünftigen Bedingungen Kredite aufzunehmen, und sie wären eine attraktive Investition für Anleger aus Asien und Amerika. Ich verstehe diese Verkrampfung in der Debatte über Eurobonds nicht.

Die Welt: Die deutschen Steuerzahler würden Eurobonds wegen höherer Zinsen ein paar Milliarden Euro extra kosten.

Jean Asselborn: Das verstehe ich. Aber man muss das in den richtigen Kontext setzen. Wenn der Euro zusammenbricht, dann würde das erhebliche Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft haben, die in hohem Maße vom Binnenmarkt, von den europäischen Exportmärkten und natürlich vom Euro profitiert. Die Dinge laufen für Deutschland und die europäischen Partner nur dann gut weiter, wenn der Euro weiter existiert.

Die Welt: Trotzdem haben viele Menschen in Deutschland das Gefühl, mit all den Rettungsmaßnahmen für Pleiteländer für eine gute Wirtschaftspolitik bestraft zu werden und jetzt der Zahlmeister zu sein.

Jean Asselborn: Ich kann das Wort Zahlmeister nicht akzeptieren. Wenn diese Mentalität dominiert, dann ist das Europäische weg. Helmut Kohl hat gesagt: Wir wollen ein europäisches Deutschland und kein deutsches Europa.

Die Welt: Aber zu welchem Preis?

Jean Asselborn: Wenn man immer nur rechnet: Deutschland zahlt 27 Prozent und Frankreich zahlt 20 Prozent im Ernstfall - dann gibt man ein falsches Zeichen. Deutschland bekommt unheimlich viel von Europa, nahezu 50 Prozent der Exporte gehen in die EU. Es herrschen Frieden und Freizügigkeit. Das Gerede von der Transferunion ist schädlich.

Die Welt: Fühlen sich kleinere EU-Länder wie Luxemburg von den großen zu wenig ernst genommen?

Jean Asselborn: Ich respektiere Deutschland und Frankreich, wenn sie an einem Strang ziehen zum Wohle Europas.

Die Welt: Tun sie das?

Jean Asselborn: Wir sind eine Union von 27. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass Paris und Berlin nur auf den neuen EU-Vertrag von Lissabon gewartet haben, um zu sagen: Wir haben die größte Last zu tragen, also haben wir auch die größte Verantwortung und die meisten Befugnisse. Das ist ein gefährlicher Weg. Der europäische Geist war immer, dass Solidarität besteht und jeder seine Stimme zur Geltung bringen kann. Ich kann Deutschland und Frankreich nur warnen vor einem Machtanspruch, der eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz ausdrückt, die das europäische Prinzip der Solidarität missachten. Die Marschroute der EU muss von allen 27 gemeinsam getragen und kann nicht von den großen Ländern vorgeschrieben werden.

Die Welt: Paris und Berlin hatten im Oktober in Deauville allein vereinbart, wie die Reform der Euro-Zone aussehen soll.

Jean Asselborn: Das ist nur ein Beispiel. Aber Deauville hat Spuren hinterlassen. Es darf nicht sein, dass Deutschlands und Frankreichs Interessen zum europäischen Interesse gemacht werden. Wenn etwas heranreift - wie die Idee der Eurobonds -, das nicht in Deutschland oder Frankreich gewachsen ist, dann scheint es, dass dies von vornherein nicht von europäischem Interesse sein darf, nur weil es nicht im Garten von Deutschland und Frankreich gediehen ist.

Die Welt: Was erwarten Sie von Angela Merkel? Ich weiß nicht, ob ein Außenminister aus dem kleinen Luxemburg etwas von der deutschen Kanzlerin erwarten sollte. Warum denn nicht?

Jean Asselborn: Frau Merkel ist eine kluge Frau: Ich bin sicher, dass sie die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zieht. Sie wird einsehen, dass sie bei den Hilfen für Athen zu lange gezögert hat und die Rettung von Griechenland teurer geworden ist, als sie hätte sein müssen. Deutschland wird verstehen, dass diese Theaterauftritte der vergangenen Monate nicht von Nutzen sind. Was mich stört, ist das Theatralische. Nach meinem Eindruck gab es Szenen, da haben Frankreich und Deutschland vor einem EU-Gipfel Probleme erst geschaffen, dann sind sie nach Brüssel gekommen und haben theatralisch gezeigt: Wir haben die Probleme gelöst und Europa vorangebracht.

Die Welt: Was sollte dieser EU-Gipfel leisten?

Jean Asselborn: Wir brauchen beim EU-Gipfel in dieser Woche eindeutige Beschlüsse zum künftigen Rettungsmechanismus, um die Märkte zu beruhigen. Es dürfen keine Entscheidungen getroffen werden, die weitere Unsicherheiten schaffen und damit die Spekulationen anheizen und die Euro-Zone in neue Turbulenzen stürzen. Man sollte auch nicht wieder von Stimmrechtsentzug als Ultima Ratio und generell von der Haftung des Privatsektors reden. In Bezug auf diesen letzten Punkt hat die Euro-Gruppe hervorragende Arbeit geleistet. Diese Position sollte vom Europäischen Rat übernommen werden.

Die Welt: Die Euro-Krise dominiert alles. Was ist noch wichtig für die EU?

Jean Asselborn: Die nächsten Jahre werden von entscheidender Bedeutung sein, nicht nur in Wirtschaftsfragen. Wir müssen unser Versprechen von 2003 einlösen und alle Westbalkanstaaten in den kommenden zehn Jahren in die EU aufnehmen. Und ein Beitritt der Türkei würde das strategische Gewicht Europas in der Welt deutlich erhöhen.

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