Jean-Claude Juncker au sujet du Conseil européen et de sa proposition sur les euro-bonds

Luxemburger Wort: Rechnen Sie mit einem ruhigen Gipfel?

Jean-Claude Juncker: Ich hege nicht die Erwartung, dass es heute Donnerstag und am Freitag zu dramatischen Beschlüssen kommen wird. Wir werden uns auf eine Vertragsabänderung verständigen, die Artikel 136 des Vertrags betrifft, der spezielle Arrangements für die Mitglieder der Eurozone vorsieht.

Luxemburger Wort: Was könnte diese besagen?

Jean-Claude Juncker: Diese Vertragsergänzung wird besagen, dass die Euro-Mitglieder einen permanenten Krisenmechanismus schaffen können, der dann für die Länder, die daraus Nutzen ziehen möchten, unter strikten Auflagen funktionieren wird.

Luxemburger Wort: Stehen die Grundzüge dieses Mechanismus?

Jean-Claude Juncker: Ursprünglich war auf Beschlusslage des Oktoberrates basierend geplant, dass der Europäische Rat im Dezember den Krisenmechanismus definieren würde. Das haben inzwischen die Finanzminister der Euro-Länder am 28. November erledigt. Ich glaube, dass die Finanzminister beauftragt werden, an den Details dieses Krisenmechanismus in den nächsten Monaten zu arbeiten.

Luxemburger Wort:Wird der Rettungsschirm aufgestockt?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube nicht, dass wir eine Entscheidung treffen werden, was die Vergrößerung des Volumens des Finanzfazilität anbelangt. Ich bin auch der Meinung, dass man diese Frage im Vorfeld anstehender Gesamtentscheidungen nicht priviligiert behandeln sollte. Wenn das sein müsste, was ich so nicht sehe, dann soll man das tun, ohne wochenlang darüber zu debattieren.

Luxemburger Wort: Werden die Eurobonds ausgeklammert?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube nicht, dass die Frage der Euro-Anleihen ein zentraler Punkt des Gipfels sein wird. Aber er wird am Rande wohl von einigen, auch von mir, erwähnt werden.

Luxemburger Wort: Warum haben Sie den Vorschlag gemacht?

Jean-Claude Juncker: Ich wollte mit dem Vorschlag weder die Deutschen noch die Franzosen provozieren, sondern eine Debatte lancieren.

Luxemburger Wort: Mit welchem Ziel?

Jean-Claude Juncker: Euro-Anleihen würden den Donimo-Effekt stoppen, weil sie eine systemische Antwort auf eine systemische Krise wären, und wir nicht ad hoc von Land zu Land reagieren müssten sondern eine umfassende Antwort zur Verfügung hätten.

Luxemburger Wort: Wie meinen Sie das?

Jean-Claude Juncker: Mein Vorschlag, wenn er in seiner ganzen Dichte diskutiert würde, gipfelt nicht in einem einheitlichen Zinssatz in der gesamten Eurozone. Die deutschen, französischen und luxemburgischen Zinsen werden immer niedriger sein als jene der Italiener, der Spanier und der Portugiesen. Es geht darum, dass man einen bestimmten Prozentsatz der europäischen Staatsschuld auf europäischer Ebene zusammenführt und die Refinanzierung dieser Schuld mit Euro-Anleihen bedient.

Luxemburger Wort: Was wäre das Ergebnis?

Jean-Claude Juncker: Dies wird eine Zinssenkung auf den von den Eurobonds abgedeckten nationalen Schuldenteil zur Folge haben für Spanien, für Griechenland, für Italien und für andere. Aber auf den Restbestand der nationalen Schuldenstände, und dies ist der größere Bestand, wird es immer Zinsdivergenz geben zwischen den sogenannten tugendhaften, also annähernd konsolidierten Staaten, und den Staaten, die sich in der Vergangenheit divergierend verhalten haben.

Luxemburger Wort: Gäbe es weitere Vorteile?

Jean-Claude Juncker: Es wird zudem ein großer und homogener europäischer Anleihenmarkt entstehen, der die Segmentierung der europäischen Anleihenmärkte ersetzen wird - nach einiger Zeit vom Volumen her mit dem US-amerikanischen Anleihenmarkt vergleichbar.

Luxemburger Wort: Davon könnte auch Deutschland profitieren?

Jean-Claude Juncker: Allein schon das Volumen des dann zur Verfügung stehenden Anleihenmarktes kann durchaus zu einer Zinsabsenkung für die Niedrigzinsländer wie Deutschland, die Niederlande und Luxemburg führen.

Luxemburger Wort: Und die Motivation für weiteren Schuldenabbau?

Jean-Claude Juncker: Der Vorschlag schafft den Anreiz, dass die Länder, die hohe Schulden haben, diese möglichst schnell abbauen, um in den Genuss der Euro-Anleihen zu kommen. Und den Teil der Verschuldung, wo es zwischen Eurobonds und nationalen Anleihen Zinsdivergenz geben wird, so klein werden zu lassen wie nur irgendwie möglich. Diese Tatsache wird ihre pädagogische Wirkung nicht verfehlen. Dieser Vorschlag hat perspektivisch einiges an Kraft, die man jetzt unterschätzt.

Luxemburger Wort: Und die Defizite?

Jean-Claude Juncker: Wir werden den Stabilitätspakt verstärken, und an diese Regeln wird sich zu halten sein, nicht wie Deutschland und Frankreich, die 2003/04 aus der Reihe geschert sind. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben können.

Luxemburger Wort: Demnach haben deutsche Spitzenpolitiker überreagiert?

Jean-Claude Juncker: Man reagiert vornehmlich in Deutschland etwas allergisch auf die Bezeichnung Euro-Anleihe, weil man denkt, alle Schulden würden zusammengefügt und mit gemeinamen Anleihen bedient und dadurch würde Deutschland an erster Stelle, wenn nicht gar exklusiv für die gesamte Euro-Zone haften müssen.

Luxemburger Wort: Also keine Solidarität ohne Solidität?

Jean-Claude Juncker: Solidarität wird es nur geben, wenn die Solidität der schwächelnden Euro-Staaten gesichert ist. Deshalb sind Euro-Anleihen nur zum Preis von hohen Konsolidierungsauflagen zu haben.

Luxemburger Wort: Die Einführung einer EU-Steuer wäre nicht erforderlich?

Jean-Claude Juncker: Mein Vorschlag ist, nur den Krisenteil der Schulden der Staaten auf europäischer Ebene zu bündeln und mit Euro-Anleihen zu bedienen

Luxemburger Wort: Ist der Euro gefährdet?

Jean-Claude Juncker: Die Fundamentaldaten der Euro-Zone sind im Schnitt besser als die der USA. Wir haben weniger Schulden und wir haben ein geringeres Haushaltsdefizit. Insofern werden die Fundamentaldaten der Euro-Zone von den Finanzmärkten unterbeleuchtet. Wir haben es ja auch nicht mit einer Krise des Euros zu tun.

Luxemburger Wort: Sondern?

Jean-Claude Juncker: Sondern mit einer Schuldenkrise in mehreren Mitgliedsländern der Euro-Zone. Der Euro als solcher ist in seinem Bestand nicht in Gefahr. Er bleibt in dieser Krise sogar sehr stabil. Ich halte jedes Gespräch über das nahende Ende des Euros für ein unverantwortliches Geschwätz. Wir müssen der Schuldenkrise in mehreren Euro-Staaten adäquat begegnen.

Luxemburger Wort: Berlin und Paris haben kritisiert, Ihr Vorschlag wäre nicht abgestimmt gewesen. Stört Sie das?

Jean-Claude Juncker: Die Kommentare, die nach dem Beschluss des Europäischen Rates von Ende Oktober in Sachen Beteiligung der privaten Gläubiger an der Bewältigung von Schuldenkrisen abgegeben wurden, haben zu erheblichen Marktturbulenzen geführt. Ich war an derartigen Kommentaren nicht beteiligt, andere waren das. Mein Vorschlag, jetzt eine Debatte über Eurobonds zu führen, hat zu keinerlei Verwerfungen an den Finanzmärkten geführt.

Luxemburger Wort: Warum?

Jean-Claude Juncker: Wahrscheinlich, weil sich die Finanzmärkte perspektivisch mit einer derartigen neuen Einrichtung abfinden können.

Luxemburger Wort: Was halten Sie vom Vorschlag Hans-Olaf Henkels, zwei Euro-Zonen zu schaffen?

Jean-Claude Juncker: Er würde das Euro-Gebiet insgesamt schwächen, wäre technisch nur schwer durchführbar, politisch weder machbar noch wünschenswert, weil wir in der Euro-Zone-I Deutschland hätten, und in der Euro-Zone-II Frankreich. Dies wäre mit dem europäischen Einigungsgedanken unvereinbar.

Luxemburger Wort: Beunruhigt Sie die Renationalisierung der EU-Politik?

Jean-Claude Juncker: Ich stelle fest, dass von einigen die innenpolitische Brille aufgesetzt wird, wenn sie auf die europäische Agenda schauen. Dies hat damit zu tun, dass in manchen Ländern die Menschen Euro- und europamüder geworden sind. Von Politikern wird verlangt, dass sie so nahe wie möglich an des Volkes Meinung kleben. Weil besonders oft der Vorwurf erklingt, die Politik würde sich von den Menschen entfernen und keine Rücksicht auf die Sorgen der Menschen nehmen.

Luxemburger Wort: Was leiten Sie daraus ab?

Jean-Claude Juncker: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in zehn Jahren ein viel fester zusammengefügtes Europa haben werden als heute. Weil jedermann schon jetzt erkennen kann, dass auch der größte europäische Nationalstaat nicht allein mit den Folgen der Krise zurande kommen kann. Und weil sich in den nächsten Jahren die Erkenntnis einstellen wird, dass wir Europäer immer weniger werden. Europäer stellten Anfang des 20. Jahrhunderts 20 Prozent der Weltbevölkerung, am Anfang des 21. Jahrhunderts waren es noch elf Prozent, Mitte des Jahrhunderts werden es sieben Prozent und Ende des Jahrhunderts nur noch vier Prozent sein.

Luxemburger Wort: Das bedeutet?

Jean-Claude Juncker: Diese demographische Schwindsucht können wir nur dann politisch abfedern, wenn wir uns stärker zusammenfügen. Wer weniger wird, braucht mehr inneren Zusammenhalt, um stark zu bleiben und den Anschluss in der Welt zu behaupten.

Luxemburger Wort: BCL-Präsident Yves Mersch plädiert für eine Index-Reform. Wie stehen Sie dazu?

Jean-Claude Juncker: Ich stelle fest, dass die Indexierung der Löhne und Gehälter wettbewerbsfördernd zur Anwendung kommen muss. Dies heißt nicht, dass die Indexierung abgeschafft wird. Aber dies heißt, das jedwaige Form der Indexierung die Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Wirtschaft im Auge haben muss.

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