"L'année 2010 de A à Z", Interview de fin d'année du Premier ministre Jean-Claude Juncker

Dans l’interview de fin d’année de la Revue datée du 21 décembre 2010, le Premier ministre Jean-Claude Juncker revient sur les principaux événements qui ont marqué l’année 2010. Les lettres de l’alphabet servent de fil conducteur à l’interview qui se présente sous la forme d’un abécédaire des idées. Jean-Claude Juncker y est invité à livrer ses réflexions sur des sujets d’actualité à la fois nationale et internationale, de A comme Angela Merkel, en passant o comme l’OGBL jusqu’a la lettre Z de l’alphabet comme "Zukunftsvisionen".


Revue: A wie Angela Merkel

Jean-Claude Juncker: Frau Merkel und ich haben nach wie vor ein ungetrübtes Verhältnis, getragen von einer persönlichen Freundschaft. Das hindert uns aber nicht daran, öffentlich andere Vorstellungen in Sachen Finanzstabilität im Euroraum zu vertreten. Die Beschreibungen dieser Auseinandersetzungen sind dramatischer als die Auseinandersetzungen zwischen den Personen an sich. In der Regel telefonieren wir einmal in der Woche miteinander. In letzter Zeit ein wenig öfters.

Revue: B wie Bankensektor

Jean-Claude Juncker: Der Finanzplatz ist ein wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaft. In Sachen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt und Arbeitsmarkt wird sein Impakt zukünftig weniger groß sein, als in der Vergangenheit. Es gibt keinen Ersatz für ihn, deshalb muss er diversifiziert und in den Teilen der Welt bekannt werden, wo er dies noch nicht ist oder nur ungenügend. Daran arbeitet der Finanzminister. Es kann nicht sein, dass der Finanzplatz allein die Schwächen anderer Wirtschaftsbereiche kompensiert.

Revue: C wie Christiane

Jean-Claude Juncker: Meine Ehefrau hat vor Jahren die Entscheidung getroffen, keine öffentliche Person zu sein. Und ich wehre mich dagegen, dass das Familien- und Privatleben eines Politikers ein Teil der öffentlichen Debatte wird. Mein Privatleben ist geschützt und es geht niemanden etwas an.

Revue: D wie Demissionsäußerung

Jean-Claude Juncker: Wenn ein Minister, in dem Fall der Wirtschaftsminister, der nach wie vor mein vollstes Vertrauen genießt, sagt, dass er die "Flemm" hat, ist dies nichts anderes, als wenn andere Menschen ihrem Unmut über ihre Arbeit freien Lauf lassen. Wenn Jeannot Krecke an der Langsamkeit der Prozeduren verzweifelt, spricht dies für ihn und seinen Tatendrang. Und gegen die Langsamkeit dieser Prozeduren.

Revue: E wie Euro

Jean-Claude Juncker: Unsere gemeinsame Währung ist nicht in der Krise und nach wie vor stark. Wir erleben derzeit eine Schuldenkrise von einzelnen Mitgliedstaaten in der Eurozone. Die Existenz des Euros steht nicht zur Debatte. Die Klärung der Schuldenfrage muss mit einer Stärkung des Euros Einhand gehen. Ich kenne keine ernst zu nehmende Stimme, die an der Dauerhaftigkeit des Euros zweifelt. F wie Flipper spielen

Flipper spielen ist für mich ein Ausflug in eine unwichtige Welt, den ich mir ab und zu gönne. Ich habe einen Flipper zu Hause in der Garage stehen. Dass diese Dinger kaum noch gebaut werden, halte ich persönlich für einen kulturellen Rückschritt!

Revue: G wie Glaube

Jean-Claude Juncker: Ich stelle immer wieder fest, dass, wenn ich mit Menschen, die nicht gläubig sind, intellektuelle Debatten führe, der Glaube letztlich keine Relevanz hat. Bei politischen Entscheidungsfindungen sollten die vertikalen Dinge ebenfalls keine Relevanz haben. Mein Glaube an Gott ist für mich eine wichtige Orientierungshilfe. Und Glaube ist für mich in erster Linie Liebe für die anderen. Ich bin weder ein religiöser Fanatiker noch ein Kirchenmilitant. Ich respektiere die Kirche, wie andere gesellschaftliche Gruppen auch.

Revue: H wie Heimat

Jean-Claude Juncker: Nationen sind auf Dauer eingerichtet und von ihrer Geschichte geprägt. In der Welt, in der wir leben, ist der moderne Patriotismus jedoch doppelsinnig: Wir sind Luxemburger und Europäer. Und wir sind Europäer und Luxemburger. Das geht zusammen. Ich selbst bin zunächst Luxemburger, weil das Europäische zum Luxemburgisch-Sein dazugehört. Ich will auch sonst nirgendwo anders leben als hier. Und ich mag auch keine Menschen mehr als die Luxemburger.

Revue: I wie Image

Jean-Claude Juncker: Sich ein Image geben, ist in der Politik sehr verbreitet. Ich für meinen Teil versuche authentisch zu sein und keine Kapriolen zu machen. Ich muss damit leben, dass ich so rede und mich so gebe wie ich nun mal bin, oder zumindest in dem Moment bin. Imagepflege ist mir fremd. Man darf jedoch wachsen, aber sich selber nicht entwachsen.

Revue: J wie Jean Asselborn

Jean-Claude Juncker: Er ist ein guter persönlicher Freund. Auch außerhalb der Politik haben wir gemeinsame Erörterungsflächen. Er ist ein loyaler Partner und ein guter Außenminister. Ich hatte bislang stets die Chance, nur gute Außenminister zu haben. Ob Jacques Poos, Lydie Polfer oder nun Jean Asselborn.

Revue: K wie Koalitionsklima

Jean-Claude Juncker: In der Regierung gibt es starke Charaktere. Die stärksten sind aber nicht immer die, die ihre Stärke nach außen hin zeigen. Dass Meinungsunterschiede innerhalb der Regierung und zwischen Ministern als ein Zersetzungsprozess der Koalition angesehenwerden, beweist, dass viele eine irrige Auffassung des Ministeramtes haben. Minister haben unterschiedliche Sensibilitäten. In einer demokratischen Debatte gehört es dazu, dass sich dies auch offenbart. Bei Einzelnen hat sich dies 2010 aber zu oft nach außen statt nach innen gezeigt. Regieren ist ein kollektives Unterfangen, wo einer auf den anderen Rücksicht nehmen muss. Dissens ist in der Regierung ein Gestaltungselement, das man benötigt. Man darf sich allerdings nie darauf beschränken Dissens zu animieren.

Revue: L wie Lachen

Jean-Claude Juncker: Lustig sein bringt mich zum Lachen. Lachen tue ich auch, wenn ich jemand beobachte, der sich zwar ernst nimmt, aber eigentlich ein Luftikus ist. Larifari bringt mich zum Lachen. Weil in der Politik und auch in anderen Bereichen ein Larifariund Luftikus-Benehmen oft mehr Zuspruch findet als ernste Worte. "Latzegkeet" bringt mich ebenfalls zum Lachen, weil dies eigentlich kein bestimmendes Thema sein kann.

Revue: M wie Musik

Jean-Claude Juncker: Zur Musik habe ich eine fast "kulinarische" Herangehensweise. Es gefällt mir das, was mich anspricht. Meine musikalische Welt besteht aus Tausenden von Musikstücken. Zurzeit hat es mir ein lateinamerikanischer Gitarrenspieler angetan, der so zart und mitnehmend spielt, dass ich seine Musik höre, wenn ich da sitze und nachdenke. Musik und Denken geht wunderbar zusammen. Beide machen ein Lebensgefühl aus.

Revue: N wie Nicolas Sarkozy

Jean-Claude Juncker: Unser Verhältnis ist anders als das zu anderen Staats- und Regierungschefs. Weil es angespannter ist. Und weil ich einfach aus luxemburgischen Beweggründen heraus mir das Recht anmaße, ihm deutlich zu machen, dass ich längst nicht immer mit ihm einverstanden bin. Unser Verhältnis ist herzlicher als es rüberkommt. Ohnehin sind die gegenseitigen Interessen von Ländern höher anzusiedeln, als die persönlichen Beziehungen zwischen deren Staats- und Regierungschefs.

Revue: O wie OGB-L

Jean-Claude Juncker: Zu Gewerkschaften habe ich im Allgemeinen ein reibungsloses Verhältnis. Beim OGB-L verhält es sich aber so, dass dessen Präsidenten sich immer an mir und ich mich an ihnen aufgerieben haben. Nach den letzten Sozialwahlen hat Jean-Claude Reding deutlich gesagt, die CSV müsse mit dem OGB-L rechnen. Das hat mich erstaunt, da der OGB-L seine Rolle scheinbar mit der einer politischen Partei verwechselt und parteipolitisches Terrain besetzt. Das ist ein Benehmen, das Fragen aufwirft. Die muss jedoch nicht ich beantworten, sondern der OGB-L.

Revue: P wie Preise

Jean-Claude Juncker: Ich weiß, dass viele Luxemburger sich über die Auszeichnungen und Preise, mit denen ich überhäuft werde, köstlich amüsieren. Viele Auszeichnungen und Preise nehme ich gar nicht erst an. Ich schaue mir nämlich stets die Biographien der Persönlichkeiten an, die diesen Preis vor mir gekriegt haben. Wenn es Auszeichnungen für beeindruckende Lebenswege waren, dann nehme ich diesen Preis auch entgegen. Als Ablehnungsgrund kann ich ja schlecht die Kommentare in einzelnen Luxemburger Zeitungen und das Geschwätz der Leute anführen. Die Preise bekommt man ja irgendwie immer stellvertretend. Die Laudatoren sprechen ja auch positiv über das Land, aus dem ich komme und auch über dessen Bürger. Die Auszeichnungen haben sehr viel mit dem Bild zu tun, das ich von Luxemburg im Ausland versuche zu vermitteln.

Revue: Q wie Qualifikation der Schüler

Jean-Claude Juncker: Wir sind in einer extrem eigenartigen Situation, da wir über ein plurilinguistisches Ausbildungssystem verfügen. Gemeinsam mit dem Baskenland werden wir im Pisa-Test in zwei Sprachen geprüft. Wäre das bei allen Ländern der Fall, ständen wir an der Spitze dieser Studie. Rund 52 Prozent der Schüler stammen aus einem Elternhaus, in dem nicht Luxemburgisch gesprochen wird. Auch diese Situation ist spezifisch. Würde man die Studie anders analysieren und Kinder aus rein luxemburgischen Familien als Grundlage nehmen, würden die Ergebnisse über dem OECD-Durchschnitt liegen. Das möchte ich aber an dieser Stelle nicht weiter ausführen, denn ich bin gegen diese Form der Segregation. Ich will die Bedeutung der PISA-Studie aber nicht nach unten revidieren.

Revue: R wie Radsport

Jean-Claude Juncker: Ich bin ein begeisterter Anhänger des Luxemburger Radsports und beeindruckt von der Qualitätssteigerung der letzten Jahre, mit der wir an die großen alten Zeiten anknüpfen. Und die Gebrüder Schleck belegen mit ihrer Intelligenz und ihren sportlichen Fähigkeiten, dass das kleine Großherzogtum zu ähnlichen oder sogar wesentlich besseren Leistungen fähig ist, wie die großen Nationen von denen es umgeben ist.

Revue: S wie Schanghai

Jean-Claude Juncker: Ich war offiziell nicht da, weil ich der Ansicht war, dass genügend Leute zur Weltausstellung gereist sind. Würde man aber nur die wirtschaftlichen Spitzenleistungen von Schanghai in den Vordergrund stellen, täte man dieser Stadt unrecht. Schanghai, oder besser gesagt China hat kulturell enorm viel zu bieten. Ich habe das Gefühl, dass wir in unseren Beziehungen zu China dies außer Acht lassen. Die vergangene und gegenwärtige Kultur dieses Landes ist nämlich mitverantwortlich für seinen außergewöhnlichen Stellenwert.

Revue: T wie Tabak

Jean-Claude Juncker: Ich rauche zehn Zigaretten am Tag. Wenn ich zehn Stück geraucht habe, ist Schluss. So einfach ist das. Wenn ich morgens zu früh anfange zu rauchen, dann habe ich halt abends keine mehr. Das Rauchverbot in Restaurants ist für mich eine elementare Regel von Höflichkeit. Und wenn die Regierung einmal zum Schluss kommen sollte, dass auch in den Kneipen und Cafes ein Rauchverbot eingeführt werden soll, dann wird es so sein. Marie-Paule Prost-Heinisch (Anm. d. Red.: die Direktorin der Fondation luxembourgeoise contre le cancer) macht mir stets klar, welch gutes Beispiel ich in der Hinsicht sein könnte. Aber leider kann man nun mal nicht in allen Bereichen des Lebens ein gutes Beispiel sein.

Revue: U wie Urlaub

Jean-Claude Juncker: Im Schnitt habe ich jährlich 14 Arbeitstage frei. Und die organisiere ich dann so, dass einige Wochenenden dabei sind, so dass ein paar Tage mehr daraus werden. V wie Verwaltungsprozeduren Verwaltungsvereinfachung ist ein großes Schlagwort. Und auch ein wichtiger Auftrag an die Innenpolitik. Auch Ministerin Octavie Modert arbeitet daran. In der Chamber wurden einige Gesetzesvorschläge deponiert, von denen die Regierung gerne hätte, dass sie im ersten Trimester 2011 zu Gesetzen werden. Die Verwaltungsreform ist ein Vorgang bei dem jeder Minister, Bürgermeister, Distriktskommissar, jeder Direktor einer staatlichen Verwaltung, ja jeder Staatsbeamte seinen individuellen Beitrag leisten kann. Und wenn Gesetzestexte uns daran hindern schnell zu agieren, müssen sie so umgestaltet werden, dass sie effizienter werden. Ohne aber, dass der Natur- und Umweltschutz sowie die Gesundheit der Menschen das Nachsehen haben. Das ist kein einfacher Spagat.

Revue: W wie Wallonien

Jean-Claude Juncker: Ich bin der Ansicht, dass Belgien nicht stolz genug auf sich ist. Auf das was es beispielsweise im medizinischen Bereich geleistet hat und zu leisten imstande ist. Oder auch im Rechtswesen. Für mich gibt es keine Trennung, sondern ein Ganzes. Getreu dem Motto "l'union fait la force".

Revue: X wie Xavier Bettel

Jean-Claude Juncker: X wie Xavier und X wie Xylophon liegen nah beieinander. Und Xavier Bettel spielt mehr als nur eine Partitur. Er ist mir sympathisch. Er behandelt mich korrekt und freundschaftlich, manchmal sogar mit Nachsicht. Ich ihn aber auch.

Revue: Y wie Yves Mersch

Jean-Claude Juncker: Unsere Beziehung ist so, wie sie zwischen einem Regierungschef und einem Chef der Zentralbank auch sein soll. Ich bin im Gegensatz zu anderen Politikern nicht überrascht darüber, dass er sich in wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen anders äußert als die Regierung. Er verfügt über ein großes Wissen. Ich habe ihn nicht umsonst für diesen Posten vorgeschlagen. Zudem wurde sein Mandat bereits zweimal verlängert. Ich streite gerne mit ihm und bin der Ansicht, dass er längst nicht immer Recht hat.

Revue: Z wie Zukunftsvisionen

Jean-Claude Juncker: Ich zweifle und verzweifle nicht an der Luxemburger Zukunft. Ich reagiere nur allergisch auf den Grundreflex, den wir alle haben, nämlich die Zukunft mit der Vergangenheit zu verwechseln. Die Tatsache, dass es uns in der Vergangenheit immer besser gegangen ist, heißt nicht, dass das auch weiterhin so sein muss. Es gehört nicht zu unserer Staatsräson, dass es uns immer besser gehen wird, besser als all den anderen. Manchmal muss man die Kraft zu einer Pause haben, sich zurücklehnen und sagen, wir haben viel erreicht und versuchen jetzt mal auf dem Niveau zu bleiben, auf dem wir sind. Sich weniger vom materiellen und mehr von ideellen Werten leiten zu lassen, täte uns gut. Eine Nation besteht nicht nur aus einer Lohntüte, sondern auch aus Geschichte, Kultur, Literatur, Lesen, Schreiben, Nachdenken, Träumen.

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