Interview de fin d'année avec le Premier ministre Jean-Claude Juncker (Luxemburger Wort)

Dans l’interview de fin d’année du Luxemburger Wort du 31 décembre 2010, Jean-Claude Juncker revient sur les négociations menées avec les partenaires sociaux, la réforme du système des soins de santé, la réforme annoncée des pensions et celle de la fonction publique. Le Premier ministre y explique que la stabilité de l’euro n’est pas menacée et commente les propos de Helmut Schmidt, qui l’a qualifié de seul Européen convaincu en Europe.


Luxemburger Wort: Herr Premierminister, nach der Tripartite im Frühjahr haben Sie den Zustand der Koalition als suboptimal beschrieben. Halten Sie dieses Urteil am Ende des Jahres aufrecht?

Jean-Claude Juncker: Im Mai war dieses Urteil richtig. Aber über das ganze Jahr betrachtet, stimmt es nicht. Ich will nur einige Beispiele nennen, die die Kohärenz und den Zusammenhalt der Koalition unterstreichen: Wir haben mit allen Stimmen der Koalition den Haushalt für 2011 verabschiedet, das hätte uns vor drei Monaten noch niemand zugetraut. Wir haben das Steuer- und Konsolidierungspaket - was uns ebenfalls vor drei Monaten niemand zugetraut hätte - mit allen Stimmen der Koalition verabschiedet. Und was uns niemand zugetraut hätte, wir haben die Gesundheitsreform verabschiedet. Die Koalition hat es nach dem Scheitern der Tripartite geschafft, mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ein Abkommen zu erzielen. Ich habe gegen Mitte des Jahres beschlossen, statt eine erneute Tripartite zu versuchen, zwei Bipartite-Treffen zu organisieren. Wenn wir das Ergebnis der beiden Bipartite-Runden in einer Tripartite-Runde erzielt hätten, wäre das als großer Erfolg des Luxemburger Modells gefeiert worden.

Luxemburger Wort: Sind Sie da sicher?

Jean-Claude Juncker: Ja, ja. Die Gewerkschaften hatten vor, während und nach der Tripartite erklärt, mit ihnen sei über eine Index-Modulation nicht zu sprechen. Wir konnten uns im September aber mit den Gewerkschaften auf eine solche verständigen. Die nächste Anpassung kommt frühestens nach dem 1. Oktober 2011. Es stellt sich nun heraus, dass eine Indextranche bereits im Juli erfallen könnte, sollte die Entwicklung der Erdölpreise anhalten. Das Patronat hatte Unrecht, sich über die Abmachung mit den Gewerkschaften zu mokieren. Und alle Beobachter, die meinten, die Regierung sei vor den Gewerkschaften eingeknickt, hatten selbstverständlich auch Unrecht, das zu schreiben. Die Gewerkschaften haben sich verantwortungsvoll verhalten. Der Mindestlohn steigt zum 1. Januar. Mit den Arbeitgebern haben wir abgemacht, dass im Gegenzug die Lohnnebenkosten sinken, damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor allem im Mittelstand nicht gefährdet wird. Zudem werden wir die staatliche Förderung der beruflichen Weiterbildung ausbauen. Wenn man alles zusammennimmt, stelle ich fest, das Modell funktioniert noch. Die beiden Bipartite-Treffen soll man als gelungenen Versuch werten, das Modell am Leben zu erhalten. Es soll aber kein Präzedenzfall sein. Zukünftige Verhandlungsrunden sollen wieder zu dritt geführt werden.

Luxemburger Wort: Das mag sich im Nachhinein so ansehen, aber der Weg dahin ...

Jean-Claude Juncker: ... der Weg dahin war holprig, aber ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass es der Regierung gelingen würde, vor Jahresende Abkommen mit den beiden Sozialpartnern zu treffen. Wissen Sie, man muss sich auf Zwischenetappen manches anhören, sollte das Endziel aber trotzdem nicht aus den Augen verlieren.

Luxemburger Wort: Die Bipartite soll also nicht zur Regel werden.

Jean-Claude Juncker: Wie ich gesagt habe: Alle sollen zurück an den Tisch, das gilt auch für andere Gremien, wie den Wirtschafts- und Sozialrat. Wir sind ja alle Prachtexemplare aber nicht zahlreich genug, um uns dauernd zu spalten. Wir wären nicht gut beraten, Konflikte, die es in anderen Ländern gibt, in Form von Schaukämpfen nachzuäffen.

Luxemburger Wort: Aber solche Schaukämpfe wurden ja wohl auch koalitionsintern geführt. War es denn eine gute Regierungsführung, zuerst ein Sparpaket vorzulegen, um es dann Stück für Stück wieder zurückzuziehen?

Jean-Claude Juncker: In einer Demokratie ist es nicht unüblich, dass bis in die Reihen der Regierung hinein unterschiedliche Auffassungen geäußert werden. Es ist nicht immer der Fall, dass diese nach außen dringen. Wenn das passiert, ist es noch kein Unfall der demokratischen Meinungsbildung. Allerdings sollte es nicht zu oft vorkommen, dass Minister sich vom Rest der Regierung desolidarisieren. Ich denke, das wurde verstanden.

Luxemburger Wort: Warum haben Sie sich beim Ärztestreik nicht demonstrativ hinter Mars Di Bartolomeo gestellt?

Jean-Claude Juncker: Das habe ich wiederholt getan. Die Gesundheitsreform ist eine Gesundheitsreform der Koalition. Ich wollte mich nicht als Vermittler einschalten lassen und bin den Fraktionschefs Lux und Schiltz für ihre Bemühungen dankbar. Ich hatte im Kabinett deutlich gemacht, dass die Gesundheitsreform eine Existenzfrage für die Koalition sei. Es hat sich übrigens kein CSV-Minister öffentlich dagegen gestellt. Nur so ein Hinweis.

Luxemburger Wort: Wünschen Sie sich solche Solidarität auch von der LSAP, wenn demnächst CSV-Minister ihre Pläne verteidigen müssen?

Jean-Claude Juncker: Ich habe vor langer Zeit gesagt, ich sei für Streitkultur. Das gilt auch für kontroverse Unterhaltungen innerhalb einer Koalition. Aber der kleine Koalitionspartner muss wissen, dass er nicht stärker wird, wenn man dem großen Partner Knüppel zwischen die Beine wirft. Wir sollten zielorientiert regieren, nicht gegeneinander, sondern miteinander.

Luxemburger Wort: Es wird gemunkelt, Sie würden die Zügel im neuen Jahr strammer anziehen.

Jean-Claude Juncker: Wenn ich alles kommentieren würde... Bei aller Notwendigkeit für koalitionsinternen Pluralismus gehe ich davon aus, dass die Regierung mit den Problemen auf der Tagesordnung - ohne zu viele Abweichungen - zurecht kommen wird.

Luxemburger Wort: Eines dieser Probleme auf der Tagesordnung ist die Absicherung der Altersvorsorge. In welche Richtung soll es gehen?

Jean-Claude Juncker: Wir haben die Diskussion begonnen. Aber es macht ja keinen Sinn darüber zu reden, ehe der Sozialminister seine Überlegungen in geballter Form vorgelegt hat. Diese Beratungen sollten im ersten Semester des kommenden Jahres abgeschlossen werden.

Luxemburger Wort: Erfüllt es Sie denn jetzt mit Genugtuung, dass die Rentenmauer jetzt von vielen gesehen wird?

Jean-Claude Juncker: Ich kann mich erinnern, dass ich heftiger Kritik unterworfen war, als ich zum ersten Mal von der Rentenmauer sprach. Mir ist heute aber niemand bekannt, der nicht sagen würde, wir würden nicht auf den 700 000-Einwohner-Staat zusteuern. Eher gibt es welche, die meinen, wir brauchten eine Million Einwohner, um unser Rentensystem abzusichern. Insofern ...

Luxemburger Wort: Müssen die Beiträge nach 2014 erhöht werden?

Jean-Claude Juncker: Ich will, dass wir die Rentenreform in einer mittel- und langfristigen Perspektive betrachten. Es ist nicht meine Absicht, kurzfristige Einschnitte vorzunehmen. Sondern ich will das System von Renten und Pensionen so umgestalten, dass es nicht zu brutalen Einschnitten kommen muss.

Luxemburger Wort: Sie sprechen von Renten und Pensionen. Die Altersvorsorge des öffentlichen Dienstes wird also auch reformiert.

Jean-Claude Juncker: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nur über die Finanzierung der Renten reden und die Finanzierung der Pensionen außen vor lassen. Das betrifft aber nicht die Renten- und Pensionsbezieher von heute. Und den überwiegenden Teil der Menschen, die heute im Erwerbsprozess sind, kann es auch nicht betreffen.

Luxemburger Wort: Der öffentliche Dienst steht vor einer Reform des Statuts. Die CGFP verweigert den Dialog. Wie geht es weiter?

Jean-Claude Juncker: Meine Partei hat klar gesagt, dass die Einstiegsgehälter gesenkt werden sollen. So steht es auch im Regierungsprogramm. Die CSV erhielt ein klares Mandat und es wäre Verrat am Wahlversprechen, wenn wir auf das klare Mandat verzichten würden. Das müssen unsere Gesprächspartner zur Kenntnis nehmen. Wir planen ja keine Strafexpedition, sondern ein Bewertungssystem, damit sich der Staat besser aufstellen kann. Ich kann nicht akzeptieren, dass eine gewaltige Tabukulisse errichtet wird. Noch entscheidet die Regierung, über was sie reden will. So wie auch die Gewerkschaft entscheidet, über was sie mit der Regierung verhandeln will. Ich habe noch nie den Dialog abgelehnt, wenn eine Gewerkschaft über etwas reden wollte. Ich kann auch nicht akzeptieren, dass die Reform wieder als Attentat auf den öffentlichen Dienst dargestellt wird. Ohne tüchtige Beamte hätte ich nichts erreichen können. Ich will, dass wir uns über die Probleme unterhalten.

Luxemburger Wort: Helmut Kohl und Sie wollten mit dem Euro die europäische Einigung unumkehrbar machen. Riskiert der Euro nun die Spaltung Europas?

Jean-Claude Juncker: Wir erleben keine Eurokrise sondern eine Schuldenkrise in einzelnen Euro-Staaten. Der Euro ist in seiner Existenz und Substanz nicht gefährdet. Der Euro ist die stabilste Währung der Welt. Die Schuldenkrise im Euroraum müssen wir allerdings bekämpfen. Wir können keine Defizit- und Schuldenberge anhäufen, sondern müssen eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen in die Wege leiten. Nur so kann ein inflationsfreies Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen gelingen.

Luxemburger Wort: Die Bürger müssen sich um ihre Währung keine Sorgen zu machen?

Jean-Claude Juncker: Niemand muss sich um seine Euros sorgen. Die interne Kaufkraft ist groß, die Inflationsrate lag seit Bestehen im Durchschnitt unter zwei Prozent.

Luxemburger Wort: Sie waren in den letzten Wochen in der Kritik. Die FAZ nannte Sie einen "Gekränkten", der an Einfluss verliere...

Jean-Claude Juncker: Es stört mich etwas, dass die hiesige Presse immer Kommentare aufgreift, die sich weniger freundlich mit mir beschäftigen. Es ist Ihnen sicher nicht entgangen, dass der Eurobond- Vorstoß auf immer größere Zustimmung stößt. Wenn es um Unwichtiges geht, bin ich übereifrig, wenn es um Wichtiges geht, habe ich die nötige Geduld zum Bohren dicker Bretter.

Luxemburger Wort: Als nächstes hätten wir Helmut Schmidt zitiert...

Jean-Claude Juncker: Aber er ist kein Journalist.

Luxemburger Wort: Immerhin ein "Zeit'-Herausgeber.

Jean-Claude Juncker: Nun gut, ein Herausgeber. Diese Zunft war mir ja nicht fremd.

Luxemburger Wort: Er lobte Sie als einzigen Europäer in der EU-Runde.

Jean-Claude Juncker: Es freut mich, dass er zu solch einer positiven Einschätzung über meine Person kam. Ich würde mir wünschen, das "Luxemburger Wort" könnte sich Stücke davon im Laufe des Jahres zu Eigen machen.

Luxemburger Wort: Wir werden uns bemühen. Vielen Dank für das Gespräch.

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