Jean Asselborn au sujet de l'état d'urgence décrété en Tunisie

Luxemburger Wort: Hat Sie die Dynamik der Protestbewegung in Tunesien in den letzten Tagen überrascht?

Jean Asselborn: In der Außenpolitik kann man Entwicklungen wie jetzt in Tunesien zwar absehen, aber schlussendlich nicht unmittelbar voraussagen.

Luxemburger Wort: Worauf kommt es jetzt an?

Jean Asselborn: Die neuen tunesischen Machthaber sollten alles in ihrer Zuständigkeit Liegende unternehmen, um zu verhindern, dass die Tunesier massenweise ihr Land verlassen wollen. Und natürlich gilt es, Blutvergießen zu unterbinden.

Luxemburger Wort: Und mittelfristig?

Jean Asselborn: Tunesiens Bevölkerung ist seit der Erlangung der Unabhängigkeit 1956 stetig gewachsen. In den letzten 30 Jahren hat sie sich verdoppelt. Knapp 40 Prozent der Universitätsabsolventen sind arbeitslos. Diese Menschen verlangen zu Recht nach einer Lebensperspektive.

Luxemburger Wort: Auch persönliche Freiheiten?

Jean Asselborn: Man kann Menschen persönliche Freiheiten und Grundfreiheiten nicht vorenthalten. Ich hoffe, dass die Übergangsführung in Tunesien aus der jetzigen Situation die richtigen Schlüsse zieht und dass sich das Land nicht in Richtung Militärdiktatur entwickelt.

Luxemburger Wort: Hat die weitere Entwicklung in Tunesien Modellcharakter?

Jean Asselborn: Tunesien hat wie auch die übrigen Staaten des Maghreb erhebliche Probleme, seine Potentiale auszuschöpfen. Das Land steht jetzt an einem Scheideweg. Nun können die Weichen so gestellt werden, dass Tunesien in Zukunft zu einem nachahmenswerten Vorbild für andere Staaten der Region werden könnte.

Luxemburger Wort: Also solidarisieren Sie sich mit den Demonstranten?

Jean Asselborn: Vor den Menschen, die sich in Tunesien für Freiheit und Demokratie einsetzen, habe ich großen Respekt. Sie wollen unter großem Einsatz die Perspektiven einer ganzen Generation verbessern.

Luxemburger Wort: Die EU hat zur Entwicklung keine klare Linie bezogen. Stört Sie das?

Jean Asselborn: Manchmal dauert es zu lange, bis die Europäische Union ihre gemeinsame Position festzurrt. In den Beziehungen zu den südlichen Mittelmeeranrainern hat dieses Phänomen in der Vergangenheit unter anderem den Barcelona-Prozess belastet.

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