Jean Asselborn au sujet du Conseil informel extraordinaire "Affaires étrangères" consacré aux développements en Libye

Susanne Brunner: Herr Asselborn, vor drei Wochen haben Sie die internationale Gemeinschaft zu massivem Eingreifen in Libyen aufgefordert. Sie kommen eben vom Sondertreffen der EU-Außenminister in Brüssel. Haben die anderen denn auf Sie gehört, ein bisschen wenigstens?

Jean Asselborn: Ich glaube nicht, dass ich eine Person bin die so in Evidenz steht, dass alle anderen auf mich hören.

Aber wo ich sehr froh bin, das ist ein erster Schritt, der ist wichtig, dass alle 27 EU-Staaten eigentlich sagen, Gaddafi hat keine Legitimität mehr. Das war am Anfang nicht so, aber das ist jetzt ganz klar. Gaddafi kann nicht mehr den Anspruch stellen, auch in Zukunft, aus unserer Sicht, aus der europäischen Sicht, dieses Land zu führen. Zu viele Massaker sind geschehen, zu viel Unrecht ist geschehen. Das ist ein großer Punkt, wo wir Einigung erzielt haben, und da kann man auch, glaube ich, darauf bauen.

Susanne Brunner: Das ist schon fast ein Durchbruch, weil vor kurzem war das ja noch nicht so, da waren noch nicht alle Länder sicher, ob Gaddafi überhaupt keine Legitimation mehr hat.

Jean Asselborn: Ja, das stimmt Madame Brunner. Man muss natürlich wissen, dass in der Europäischen Union einige Länder auch einen anderen historischen Hintergrund haben.

Luxemburg zum Beispiel, hatte nie etwas zu tun, weder mit Gaddafi noch mit Libyen. Länder die mehr im Süden liegen haben da schon, sagen wir einmal, ganz andere Verhältnisse gehabt, vielleicht auch Länder, die wirtschaftlich sehr stark mit Libyen verbunden waren. Da war es natürlich schwieriger. Aber ich glaube, das ist die heutige Position, und die freut mich sehr.

Susanne Brunner: Ein Land ist ja vorgeprescht, und das war Frankreich, das die Anerkennung verkündete, es erkenne den libyschen Rebellenrat an. Wie ist denn das Vorpreschen bei den anderen Außenministern angekommen, also wenn die sagen, der libysche Rebellenrat ist eigentlich die Repräsentation des libyschen Volkes, und nicht mehr Gaddafi?

Jean Asselborn: Auch hier muss man zwei Sachen nicht durcheinander schmeißen. Das erste ist, die Europäische Union erkennt niemanden an, aber die Staaten der Europäischen Union erkennen Staaten an, keine Regierung und keine Opposition.

Zweitens glaube ich, dass man ganz klar gelernt hat aus der jüngsten Geschichte, auch aus der arabischen Welt, dass Regierungen eigentlich nur anerkannt werden können vom eigenen Volk.

Und drittens, glaube ich dass man hier, ohne das jetzt überzubewerten, dass man selbstverständlich in allen europäischen Ländern das Recht hat, mit Menschen zu reden in Libyen, die, sagen wir einmal, dazu beitragen, dass dieses Regime von Gaddafi fällt. Die Italiener, zum Beispiel, haben Beziehungen zu Autoritäten, wenn man das so sagen darf, in Bengazi. Vielleicht haben andere zu anderen Rebellen, oder Aufständischen, sagen wir einmal, Kontakte.

Es wurde, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, nicht von allen Ländern in der Europäischen Union mit viel Begeisterung beklatscht, wenn man auch weiß, zum Beispiel, dass Menschen aus diesem Rebellenrat, wie Sie das sagen, dass die eigentlich verantwortlich waren in der Vergangenheit für die Festnahme, für die Freiheitsberaubung von den 7 Krankenschwestern aus Bulgarien.

Also, da muss man sehr, sehr gut aufpassen, glaube ich, heute, auch die Franzosen, die ja ein großes, erfahrenes Land sind, dass man hier keine falschen Schritte einleitet.

Susanne Brunner: Sie haben das sehr diplomatisch ausgedrückt, Herr Asselborn [wird unterbrochen]

Jean Asselborn: Das lernt man mit der Zeit.

Susanne Brunner: Das kann ich mir vorstellen, in Ihrer Position sicher, und es geht ja auch um irgendeine gemeinsame Stimme irgendwie auch zu finden. Aber ist nicht gerade das ein typisches Beispiel dafür, dass eben die EU nie, oder selten mit einer einheitlichen Stimme spricht?

Jean Asselborn: Die Schweiz hat ja das große Glück nicht in der EU zu sein [wird unterbrochen]

Susanne Brunner: Ist das ein Glück Herr Asselborn?

Jean Asselborn: Der Tag wird kommen, dass ihr auch Mitglied seid, dann werdet ihr sehen, dass wir ein Gebilde sind jetzt von 27 Staaten, vielleicht wenn die Schweiz beitritt, mehr als 30 Staaten, und das ist ein sehr komplexes Gebilde. Und wir sind Staaten, wir sind Länder, wir haben aber sehr viel zusammengelegt um gemeinsame Positionen zu haben, aber vor allem in der Außenpolitik ist die Geschichte die spielt, sind die nationalen Interessen die spielen, gibt es auch verschiedene Fakten, die man nicht ignorieren kann.

Zum Beispiel der Fakt, dass zwei Länder im Sicherheitsrat sind, die Franzosen und die Engländer, die beide auch in der Europäischen Union sind, dass 4 Länder im G8 sind aus der Europäischen Union, dass 6 Länder praktisch im G20 sind.

Und außenpolitisch gibt es ja auch, sagen wir einmal, ganz traditionell diese Position der Engländer, die mehr nach Westen tendieren, und die Position vielleicht der Deutschen, die mehr nach Osten tendieren. All das gehört zum Gebilde.

Aber wir haben große Fortschritte gemacht, auch in dieser Frage. Zum Beispiel haben wir nicht nur in der Gaddafi-Frage eine einheitliche Position. Wir haben auch eine einheitliche Position was die Weiterführung der humanitären Hilfe angeht. 120 Millionen weltweit wurden deblockiert um die Fremdarbeiter zurückzuführen. Davon kommen 60 Millionen, die Hälfte, aus der Europäischen Union. Und das wollen wir auch weiter machen.

Ich glaube, hier zeigen wir trotzdem, dass wir etwas darstellen, um in allen Fragen, die humanitäre Bedeutung haben, dass wir hier Großes erreichen können wenn wir zusammenstehen.

Susanne Brunner: Außerdem ist das eher so ein bisschen eine Luxusposition des Abseitsstehers, der Schweiz, wenn man sagt, ja die EU, die findet irgendwie immer den kleinsten gemeinsamen Nenner, wenn überhaupt, eine große Vision ist da sowieso nicht dahinter.

Jean Asselborn: Die Schweiz ist in einer Position, wo sie selbstverständlich ganz genau beobachten kann wie gut und wie schlecht die Europäische Union funktioniert. Das ist auch ihr Recht das zu tun. Und ich glaube, die Kritik muss man auch in der Europäischen Union vertragen.

Ich bin jetzt 7 Jahre im Amt, habe also eine kleine Erfahrung mit der Europäischen Union. Ich kann Ihnen nur sagen, dass manchmal in Fragen, wo es einfach wäre einen gemeinsamen Grund zu finden, machen wir uns das Leben selbst schwer. Aber wenn wir gefordert sind, zum Beispiel in einer gemeinsamen Position im Nahost, oder eine gemeinsame Position zu Iran, oder auch jetzt hier, eine gemeinsame Position wie wir in Zukunft umgehen mit Ländern aus der arabischen Welt, Ägypten, Tunesien, und so weiter, da finden wir aber meistens genug Potenzial, um eine europäische Position zu entwickeln.

Zum Beispiel diese schwierige Frage, und da dürfen wir nicht herumdoktern, der No Fly-Zone, also dass kein [wird unterbrochen]

Susanne Brunner: Der Flugverbotszone.

Jean Asselborn: Flugverbotszone. Da gibt es verschiedenartige Positionen, das stimmt. Aber wir haben 4 Mitglieder neben England und Frankreich, die Portugiesen und die Deutschen, die im Sicherheitsrat sind. Der Moment wird vielleicht kommen, wo hier eine Entscheidung fällig ist. Was haben wir heute gesagt? Wir haben gesagt, wir können nur eine No Fly-Zone installieren, wenn wir ein Mandat haben des Weltsicherheitsrates, erstens.

Und zweitens hat das auch nur Sinn, wenn Interesse besteht aus den Ländern der arabischen Welt. Wenn die Länder der Liga das nicht nur fragen, sondern auch bereit sind, sich daran zu beteiligen, mit allen Sensibilitäten die wir haben.

Ich hoffe, dass wir das nicht zu fragen brauchen, denn wenn ich sage in letzter Instanz, das heißt, würden jetzt systematisch die Städte von Gaddafis Luftwaffe bombardiert, und es käme zu wirklichen noch größeren Massakern wie jetzt, dann kann Europa ja nicht zuschauen. Und nicht zuschauen heißt dann eingreifen. Und eingreifen heißt auch militärisch dann versuchen, das Schlimmste abzuwenden von den 10.000en von Menschen, die jetzt schon sehr, sehr stark in Libyen leiden.

Und da muss man, um diesen Schritt zu tun, Respekt haben vor dem internationalen Recht. Das geht nur, wenn man ein Mandat des Weltsicherheitsrates hat. Wenn man kein Mandat hat ist das unmöglich, denn man würde dann Wunden aufreißen, die nie mehr zuheilen. In dieser Frage kämpft die Europäische Union, genau wie Amerika. Sie wissen, dass in Amerika einer wie Kerry eigentlich dafür ist, einer wie Gates, der Verteidigungsminister, dagegen ist. Das ist ja nicht so einfach.

Ich weiß nicht, ob in der Schweiz eine solche Diskussion stattfindet, und was die Position der Schweiz wäre.

Man muss wissen, dass es Länder gibt, auch in der Europäischen Union, die einerseits sagen, man kann diesen Massakern nicht zusehen. Aber es ist keiner der sagt, jetzt bomben wir. Andere sagen vielleicht, wir sollen die Finger weghalten, weil wir nicht Teil eines Bürgerkrieges werden wollen.

All das, glaube ich, wird aber ausradiert werden, wenn die Massaker in Dimensionen kämen, die nicht mehr zu verantworten wären. Dann, glaube ich, wird es auch in der Europäischen Union eine Solidarität geben um einzugreifen.

Das was geschehen ist im Irak darf sich nicht wiederholen, dass Europa gespalten war in dieser Frage, diese Frage ja auch nicht richtig angefasst wurde. Aber hier, aus der Erfahrung, und aus der Sensibilität die wir haben hoffe ich, dass wir das Richtige fertig bringen.

Susanne Brunner: Nach den EU-Außenministern ist morgen der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Ihre Erwartung, Herr Asselborn?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass das was wir als Außenministern vorbereitet haben jetzt nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden wird.

Ich hoffe wenigstens, und ich bin auch überzeugt, dass jetzt keine theatralischen Auftritte da stattfinden, dass man es auch nicht zulässt, dass das was der französische Außenminister mehrmals heute wiederholt hat, dass militärische Eingriffe nur auf Grund von einem UNO-Mandat gewährleistet werden können, dass das respektiert wird, dass man jetzt nicht irgendwelche, sagen wir einmal, militärische Operationen in die Welt setzt, die uns vom internationalen Recht wegbringen, und eigentlich auch die Seriosität, mit der die Europäische Union bis jetzt vorgegangen ist in der Frage der Sanktionen, wie auch in der Frage der humanitären Hilfe, uns da einen Strich durch die Rechnung machen würde.

Das ist das was ich hoffe, und ich bin überzeugt, dass das nicht geschehen wird.

Susanne Brunner: Herr Minister Asselborn, ich danke Ihnen herzlich, dass Sie sich Zeit genommen haben für dieses Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte, Madame Brunner.

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