Jean Asselborn au sujet de la situation en Libye

Rudolf Geissler: Gaddafis Vorgehen in Libyen haben Sie schon vor zwei Wochen als „Völkermord in höchster Potenz“ bezeichnet. Wenn Sie bei dieser Einschätzung bleiben, inwiefern sind dann die neuen Sanktionen, die die Außenminister der EU gestern auf den Weg gebracht haben, dieser Lage wirklich angemessen?

Jean Asselborn: Gestern war es ganz klar für uns, dass Gaddafi und sein ganzer Hofstaat keine Legitimität mehr hat. Hier ist ein Führer, der gegen sein eigenes Volk vorgeht. Und selbstverständlich müssen wir – das ist ja vorbildlich was wir gemacht haben, jetzt in der Europäischen Union, das kann man ja nicht immer sagen – aber die Sanktionen in Sachen Einfrieren der Finanzen, aber auch das was wir gemacht haben bis jetzt in humanitärer Hilfe, um die vielen ausländischen Arbeiter, die in Libyen sind, um die wieder in ihre Heimat zu bringen. Natürlich, die Frage bleibt, was kann die Europäische Union, sagen wir mal, international mit bewirken.

Rudolf Geissler: Gaddafi wird jetzt der ausländische Geldhahn noch ein bisschen mehr zugedreht. Aber das ist ja nun eigentlich ganz ähnlich dem, was schon vor zehn Tagen beschlossen wurde und niemand weiß, ob er das Geld wirklich so schnell braucht. Erwarten Sie, dass die neuen Sanktionen Gaddafi davon abhalten, weiterhin auf sein Volk schießen zu lassen?

Jean Asselborn: Davon bin ich nicht überzeugt. Da haben Sie ganz recht. Dieser Mensch, der hat glaube ich keine Skrupel und wird auch in den nächsten Tagen und Wochen keine Skrupel zeigen. Ich glaube auch nicht, und davon geht keiner von uns aus, dass er freiwillig zurücktreten wird.

Rudolf Geissler: Nun könnte es ja auf dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs heute so sein, dass Frankreichs Präsident Sarkozy gezielte Luftschläge gegen libysche Ziele vorschlagen wird. Würden Sie das unterstützen?

Jean Asselborn: Nein. Ich habe gestern ganz klar den französischen Außenminister gehört. Er hat ganz, ganz klar gesagt und dass kann ja auch nicht anders sein: Dass jede militärische Operation, jeder militärische Eingriff, der geschehen wird, dass man ein UNO-Mandat dafür zur Verfügung haben muss. Und ich habe auch seine Meinung geteilt, dass man diese Flugverbotszone, dass das etwas ist, was selbstverständlich etwas bringen könnte, damit Gaddafi nicht mit seinen eigenen Flugzeugen die Menschen in diesem Land bombardiert. Natürlich ist das kein Spaziergang, das ist kein Stoppschild, was aufgehängt wird. Das kann aber auch nur geschehen unter zwei Bedingungen: Erstens: Dass arabische Länder auch Interesse daran haben, nicht nur das zu fordern, sondern auch mitzuwirken. Und zweitens: Wieder kann es nur geschehen, wenn wir ein UNO-Mandat haben, und dass man diesen Weg gehen könnte als allerletzte Instanz. Und das sollte man weiter vorbereiten, aber ich hoffe, dass wir das nicht einzusetzen brauchen, dass es nicht zu einer Intensivierung noch kommt von Anschlägen auf die Bevölkerung Libyens. Aber Alleingänge oder chirurgische militärische Operationen, wie das angedeutet wurde gestern Nachmittag, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass da auch die Europäische Union sich solidarisch erklären würde.

Rudolf Geissler: Frankreich ist ja in der Libyen-Politik gestern schon sehr praktisch vorgeprescht. Die Regierung in Paris hat als erste in der Europäischen Union die Führung der Aufständischen in Bengasi als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkannt und ist damit auf Kritik gestoßen bei den Partnern. War die Initiative richtig, aus Ihrer Sicht?

Jean Asselborn: Man muss dazu erst sagen, ganz klar, dass ja Länder wie Deutschland und Luxemburg keine Regierung oder keine Opposition anerkennen, nur Staaten anerkennen. Zweitens, habe ich absolut nichts dagegen, dass man Kontakt hat mit Leuten aus Libyen, die helfen dieses Regime zu stürzen. Aber dass man die gleich in eine Stellung hissen will, die dazu dient, dass man darin, sagen wir mal, ernsthaft Vertreter des libyschen Volkes sehen, das ist gefährlich. Ich glaube, Ägypten und auch Tunesien zeigen doch wirklich, dass nur das eigene Volk darüber zu entscheiden hat. Alles andere, da sollten wir jetzt in dieser Phase sehr vorsichtig sein, von Brüssel, Luxemburg oder von Berlin aus.

Rudolf Geissler: Gaddafi selbst schickt ja offenbar seine Unterhändler durch Europa, als sei er diplomatisch immer noch handlungsfähig. Wie kann das angehen, dass die EU einerseits sagt, der ist für uns erledigt, dann aber in Griechenland und Portugal offenbar die Gesandten des Diktators noch empfangen werden?

Jean Asselborn: Ja, das sind Verzweiflungsaktionen. Der portugiesische Kollege hat gesagt, diesen Menschen hätte er gekannt aus früheren Jahren. Und die portugiesische Seite hat ihm, glaube ich, gleich gesagt, also hat der portugiesische Kollege gesagt, dass es keine Zukunft mit Gaddafi geben kann. Das ist glaube ich etwas, wo man dann auch die Gelegenheit hat, das zu sagen. Das scheint mir das Allerwichtigste. Ich glaube auch, dass Anstrengungen gemacht werden von verschiedenen Ländern, und das finde ich auch nicht schlecht, einen Waffenstillstand möglich zu machen, was extrem schwierig ist. Aber es gibt Anstrengungen von Ländern, die sagen wir mal, historisch größere Kontakte haben mit Libyen. Aber von der Europäischen Seite wurde klar gemacht, dass der Gaddafi-Clan nicht mehr legitimiert ist und das ist auch wichtig, dass diesen Leuten auch klar ins Gesicht zu sagen.

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