"Merkel agiert von oben herab". Jean Asselborn au sujet de la position allemande en vue du Conseil européen

Rheinische Post: Herr Minister, haben Sie grundsätzlich Verständnis dafür, dass Deutschland bei den wochenlangen Verhandlungen über die Euro-Rettungsschirme häufiger auf die Bremse getreten hat?

Jean Asselborn: Ohne Deutschland, das wissen die Deutschen, geht nichts beim Euro. Das ist jedoch für Deutschland nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Pflicht. Ich habe den Eindruck, dass diese Haltung des Ohne-uns-geht-nichts von der Bundesregierung manchmal verwechselt wurde mit einem Diktat. Politik funktioniert aber nicht nur rational, sie hat auch etwas Psychologisches. Man muss mit Argumenten überzeugen und den Partnern nicht von oben herab Dinge diktieren. Hier hätte die deutsche Seite mitunter weniger aggressiv agieren sollen.

Rheinische Post: In Deutschland wird das völlig anders gesehen: Hier herrscht die Meinung vor, die Bundeskanzlerin habe bei den Verhandlungen im Vorfeld des EU-Gipfels heute und morgen in Brüssel viel mehr hergegeben als bekommen.

Jean Asselborn: Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Deutschland hat sehr viel durchgesetzt. Wer etwa Hilfskredite bekommt, dem werden enorme Spar- und Reformmaßnahmen abverlangt. Die Kanzlerin wollte den anderen Ländern aber auch vorgeben, welche Lohn- oder Rentenpolitik sie machen sollen. Das war zu sehr von oben herab. Im Ergebnis wurden Merkels ursprüngliche Pläne für den "Pakt für den Euro" dann ja auch wieder abgeschwächt.

Rheinische Post: Sind Sie mit dem, was beim EU-Gipfel morgen und übermorgen an Beschlüssen auf dem Tisch liegt, zufrieden?

Jean Asselborn: Das ist ein Gesamtpaket, das sich sehen lässt, und das den Spekulanten hoffentlich keine neuen Angriffsflächen bietet. Wenn es denn auch verabschiedet wird.

Rheinische Post: Haben Sie daran Zweifel?

Jean Asselborn: Wie ich höre, will die Kanzlerin nachverhandeln. Sie will erreichen, dass die Bareinzahlungen in den Kapitalstock des permanenten Rettungsschirms gestreckt werden. Finanzminister Schäuble, der Europa gut kennt, hatte seine Einwilligung Anfang der Woche aber schon längst gegeben. Wenn wir jetzt das Gesamtpaket wieder aufreißen, ist das für den EU-Gipfel nicht das Beste. Ich denke, die Bundesregierung sollte jetzt nicht an Wahlen denken. Das Jahr 2013 wird vorübergehen, der Euro wird bleiben.

Rheinische Post: Wird es zu einer Umschuldung Griechenlands kommen müssen?

Jean Asselborn: Wir sollten nicht so viel spekulieren. Die EU-Staaten gewähren Griechenland einen Zinsnachlass von einem Prozent für die Hilfskredite, die es erhalten hat. Im Gegenzug will Athen staatliches Vermögen im Wert von 50 Milliarden Euro privatisieren. Mich ärgert, dass die Ratingagenturen durch die Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines Landes die Opfer der Menschen in diesem Land auf einen Schlag zunichte machen können. Wir sollten so schnell wie möglich eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur für Europa errichten.

Rheinische Post: Ist Luxemburg trotz der Einigung auf einen permanenten Rettungsschirm weiterhin für gemeinsame Anleihen?

Jean Asselborn: Wir haben ja schon so etwas Ähnliches wie gemeinsame Euro-Bonds. Wenn der Rettungsschirm EFSF oder der neue permanente Rettungsschirm ESM sich am Kapitalmarkt verschulden, um das Geld dann an notleidende Partner weiterzureichen, dann sind das gemeinsame Anleihen. Wir plädieren darüber hinaus aber weiterhin auch für echte gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten in der ferneren Zukunft. Sie müssen ja nicht ausgegeben werden, um die Schulden der Nationalstaaten zu finanzieren, sondern für gemeinsame Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur. Die Diskussion um Euro-Bonds ist nicht abgeschlossen.

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