Freihandelsabkommen als Solidaritätsbekundung. Jean Asselborn au sujet de la situation au Japon à la suite du séisme dont a été victime le pays

Tageblatt: Herr Asselborn, Sie sind nach dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle der dritte Vertreter eines Mitgliedlandes der Europäischen Union, das nach Erdbeben, Tsunami und Nuklearkatastrophe in Japan auf offizieller Visite war. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in dem Land?

Jean Asselborn: Meine Visite in Japan war bereits vor dem Erdbeben geplant worden. Allgemein wurde es hier begrüßt, dass wir auch in der augenblicklichen Situation daran festgehalten haben. Die Konsequenzen von Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe konnte man bereits vor der Ankunft in Japan deutlich sehen und spüren. Der Tokioter Flughafen war bei unserer Ankunft quasi leer, das Flugzeug selber ohnehin nur zu einem Drittel besetzt. Viele der drei Prozent Ausländer, die sonst in Japan residieren und geschätzt werden, haben das Land für eine Zeit verlassen. Die Japaner hoffen, dass sie bald zurückkehren können. Meinem Amtskollegen Takeaki Matsumoto habe ich das Beileid der Luxemburger Bevölkerung übermittelt. 13.500 Tote zählt die offizielle Bilanz, hinzu kommen 14.700 Vermisste und 140.000 Menschen, die kein eigenes Dach mehr über dem Kopf haben. Das Land steht vor großen Herausforderungen. Das konnte ich auch bei einem Treffen mit dem Direktor des Japanischen Roten Kreuzes, Tadateru Konoe, feststellen.

Tageblatt: Das Rote Kreuz vor Ort wird von Luxemburg unterstützt.

Jean Asselborn: Bereits unmittelbar nach der Katastrophe haben wir 150.000 Euro nach Japan geschickt. Jetzt haben wir diese Hilfe um weitere 100.000 Euro erhöht. Das Geld fließt direkt an das japanische Rote Kreuz, das mit seinen zwei Millionen Freiwilligen und 60.000 Fachkräften, darunter 28.000 Krankenpfleger und 6.000 Arzte, eine beeindruckende Arbeit leistet. Die meisten der Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben, sind in großen Sportzentren untergebracht. Es fehlen rund 19.000 Wohnungen, die nun im Eiltempo gebaut werden sollen. Dass auch Luxemburger Nichtregierungsorganisationen in Japan helfen, wurde positiv unterstrichen.

Tageblatt: Hilfe leisten ist eine Sache. Doch Japan steht vor enormen finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. Was sollte Ihrer Meinung nach geschehen?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass wir uns in einem Moment der Solidarität ungewohnten Ausmaßes befinden. Japan ist ein reiches Wirtschaftsiand, trotz einer 200%igen Verschuldung, gemessen an der Wirtschaftsleistung. Das Land braucht augenblicklich sicher Sympathie, aber vor allen Dingen auch politische Hilfe. Aus diesem Grunde sollte man jetzt endlich Ernst machen mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan. Wir arbeiten schon sehr lange an diesem Vorhaben, doch bislang haben wir so gut wie nichts erreicht. Das nächste EU-Japan-Treffen im Mai ist meiner Meinung nach daher der richtige Anlass, um endlich zu einem solchen Abkommen zu gelangen.

Tageblatt: Einfach wird das nicht. Bislang haben sich ja eigentlich beide Seiten sehr wenig bewegt.

Jean Asselborn: Das stimmt, doch diese Sperren müssen wir endlich überwinden. Die EU erhebt z.B. Zölle auf japanischen Autos und Elektroartikeln, Japan schützt besonders seine Landwirtschaft, die Pharma-Industrie und seinen Automarkt. Zudem haben europäische Firmen große Probleme, bei Ausschreibungen zugelassen zu werden. Dies sind schwierige Hindernisse, doch sie sind sicher auch lösbar. Umso mehr, als sieh auch andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit anbieten. Ich denke dabei z.B. an alternative Energien. Seit dem Beben und dem Fukushima-Reaktor-Unfall zeichnet sich ab, dass die Bereitschaft, aus der Atomenergie definitiv auszusteigen, immer größer wird. Sicher gibt es innerhalb der EU unterschiedliche Meinungen hierzu, ich denke an Frankreich und Deutschland. Auch in Japan stehen trotz des Unfalls bislang noch 58% der Leute zur Atomenergie. Doch es ist ein Abrücken von der Meinung festzustellen, dass Atomenergie eine alternative Energie darstelle. Die jungen Menschen vor allen Dingen wollen hiervon weg. Die EU und Japan sollten den Augenblick nutzen, um gemeinsam langfristig in alternative Energien zu investieren.

Tageblatt: Waren solche Überlegungen auch Gegenstand Ihrer Gespräche mit dem oppositionellen Chef der liberaldemokratischen Partei, Sadakazu Tanigaki, und dem früheren Außenminister, Seji Maehara?

Jean Asselborn: Wie bei dem Treffen mit meinem Amtskollegen Matsumoto standen die genannten Überlegungen im Mittelpunkt. Natürlich haben wir auch über die Entwicklung des Euro gesprochen. Und über die Lage in der arabischen Welt. Hier stellen sich die Japaner im Großen und Ganzen die gleichen Fragen wie wir auch. Die Entwicklung lässt sie nicht indifferent. Vor allen Dingen die Lage in Misrata erregt Besorgnis.

Tageblatt: Wie steht es um die bilateralen Beziehungen zwischen Japan und Luxemburg?

Jean Asselborn: Die sind als ausgezeichnet zu bezeichnen. Vielleicht ist deshalb das Medieninteresse an unserem Land so groß. Im Februar des Jahres konnten wir die Verhandlungen über die soziale Absicherung und über ein Doppel-Besteuerungsabkommen erfolgreich abschließen. Und der Besuch von Großherzog Henri im nächsten Monat dürfte in Japan mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden.

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