Jean Asselborn au sujet de la situation financière de la Grèce

Christoph Heinemann: Wir wissen nicht, wie viele Höhepunkte das Drama in Griechenland noch bereit hält. Wie schön, dass uns die griechische Kultur ein Wort geschenkt hat, mit dem man die Lage beschreiben kann: Chaos. Wir fassen zusammen: Die Regierungsumbildung in Griechenland ist auf heute verschoben worden, Europäische Union und Internationaler Währungsfonds stellen die baldige Freigabe einer weiteren 12-Milliarden-Euro-Tranche aus dem Rettungspaket in Aussicht, bislang war das an ein weiteres griechisches Sparpaket geknüpft. Nikolas Sarkozy und Angela Merkel also beraten heute in Berlin über die Krise, Euro-Gruppenchef Jean Claude Juncker mahnt eine rasche Entscheidung an und in den USA geht die Furcht vor einer neuen europäischen Bankenkrise um.

Mitgehört hat Jean Asselborn, der Außenminister von Luxemburg. Im Großherzogtum werden die möglicherweise entscheidenden Verhandlungen der Finanzminister jetzt ab Sonntag stattfinden. Guten Morgen!

Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Heinemann.

Christoph Heinemann: Herr Asselborn, teilen Sie Doris Simons Vorhersage, dass es dann doch relativ schnell gehen könnte mit einem Kompromiss?

Jean Asselborn: Wissen Sie, es geht jetzt nicht um einen Zeitplan. Ich glaube, das Problem – die Madame Simon hat das ja auch dargestellt – ist natürlich hoch finanztechnisch, aber es ist vor allem hoch politisch. Und die Frage lautet: Ist der politische Wille da – nächste Woche Finanzminister, aber auch Europäischer Rat – das zu tun, was Griechenland hilft, wieder auf die Beine zu kommen, selbst wieder Kredite aufnehmen zu können. Wissen Sie, das Risiko ist, wenn diese Frage nicht klar mit Ja beantwortet wird, sehr, sehr groß, dass es nur Verlierer geben wird, die Europäische Union als solche (vielleicht mit Ausnahme von England), Deutschland, Frankreich, alle Staaten der Euro-Zone, die Banken und Versicherungen der Europäischen Union, die Grundidee vor allem aber auch der europäischen Solidarität und Griechenland mit einigen Ländern aus der Region. Das ist die kapitale Frage: Konzentriert man sich, was braucht Griechenland, welche Hilfe braucht Griechenland jetzt, um wieder auf die Beine zu kommen, oder debattiert man weiter auf einem Feld, was, glaube ich, sehr hoch finanztechnisch ist, aber wo man nicht weiter mit diesem Geplänkel fahren darf, sonst geht es schief in der Euro-Zone.

Christoph Heinemann: Wie sehen Sie es denn? Ist dieser politische Wille vorhanden?

Jean Asselborn: Ich glaube, verschiedene Modelle liegen auf dem Tisch: das Modell des roll over, also die Verlängerung der Maturitäten [wird unterbrochen]

Christoph Heinemann: Der Laufzeiten.

Jean Asselborn: … vor allen Dingen, wie das heißt, Austausch der bestehenden Obligationen durch neue Kreditbanken verhandeln Modelle aus auf freiwilliger Basis, dann auch diese Geschichte von der Wiener Initiative von 2009, wo ja die Großbanken Mittel- und Osteuropas die Engagements weitergeführt haben. Das sind alles Fragen, die die Finanzminister selbstverständlich als Spezialisten wirklich besser verstehen als ein Außenminister. Aber die kapitale Frage noch einmal ist: Will man Griechenland retten, dabei selbstverständlich Risiken eingehen? Aber diese Risiken sind im Vergleich sehr, sehr kleiner, als wenn Griechenland einmal ganz in Scherben liegt. Und es gibt auch positive Punkte, die muss man doch sehen, auch in Bezug auf Griechenland. Die Regierung Papandreou? Ich glaube, Papandreou hat wirklich das schwierigste politische Amt zurzeit in der Europäischen Union und er hat vieles schon umgesetzt, er operiert ernsthaft, es gibt keine Alternative zu ihm. Und Griechenland? - Wissen Sie, auch in Deutschland, sogar auch in Luxemburg, glaube ich, darf man ja nicht glauben, Griechenland würde nur aus Reedern bestehen oder aus Anwaltskanzleien, die keine Steuern bezahlen. Das ist ein Volk, das sind Menschen und die darf man nicht erwürgen in der Debatte. Griechenland helfen heißt, den Menschen eine Motivation geben, Perspektive geben, nicht immer mehr abverlangen, sondern ihnen wirklich auch zeigen, dass Europa bereit steht, mit Risiken selbstverständlich, ihnen zu helfen.

Christoph Heinemann: Herr Jean Asselborn, Sie sind – das haben Sie eben extra noch mal gesagt – der Außenminister, nicht der Finanzminister. Trotzdem müssen wir noch mal kurz auf die Finanzgeschichte zu sprechen kommen. Die Unfähigkeit vieler europäischer Geldhäuser, die den Hals nicht voll bekommen konnten, hat uns alle viel, viel Geld gekostet. Müssen jetzt nicht die Banken ihrerseits mal danke schön sagen und einen kleinen Obolus entrichten, und zwar verpflichtend, indem sie etwa griechische Anleihen länger halten als geplant?

Jean Asselborn: Ja, das ist für mich überhaupt keine Frage, dass das geschehen müsste.

Christoph Heinemann: Die Antwort lautet ja oder nein?

Jean Asselborn: Ja, ganz klar. Ganz klar. Das Problem ist nur, wenn man sich wieder in die Situation von Griechenland setzt: Wenn man sich fokussiert jetzt in der Debatte, weitere Wochen und vielleicht Monate, was man mit dem Privatsektor macht, mit den Privatbanken macht; wird dann die Kreditwürdigkeit, sagen wir mal das Problem der Kreditwürdigkeit, wird das nicht noch verstärkt in Griechenland? Wird es dann den Griechen nicht noch schwieriger gemacht, wieder einmal selbst Kredite aufnehmen zu können? Das ist ja die Frage, die wir zu stellen haben.

Ich hoffe, heute, wo ja in Berlin die Kanzlerin Merkel den französischen Präsidenten empfängt – das sind die zwei großen Akteure in der Euro-Frage, Deutschland und Frankreich, zwei Drittel des Gesamtexports der Euro-Zone – und hier muss der Wille überwiegen, dass das Zaudern ein Ende bekommt. Debattieren wir weiter über Prinzipien, was die Garantien angeht, Beteiligung des Privatsektors – das ist gut für Deutschland, vielleicht für Holland, für Finnland – oder konzentriert man sich auf die reale Aufgabenstellung, Griechenland wieder, wie ich gesagt habe, fähig zu machen, Kredite selbst aufzunehmen?

Das ist, glaube ich, der einzige wichtige Punkt auch heute und nächste Woche in Luxemburg und in Brüssel, worauf die Leute eine Antwort erhoffen.

Christoph Heinemann: Sie haben Nicolas Sarkozy und Angela Merkel angesprochen. Es ist immer nett zu sehen, wenn die sich treffen, wie sie sich Küsschen geben. Ansonsten macht ja jeder oder jede, was er oder sie will, ohne den Partner mit einzubeziehen. Ist diese deutsch-französische Sprachlosigkeit ein Teil der Griechenland-Krise?

Jean Asselborn: In der Geschichte der Involvierung des Privatsektors gibt es ja da deutlich eine verschiedenartige Auffassung. In Frankreich spielt das viel, viel weniger eine Rolle als in Deutschland, verstehe da wer kann, denn die deutschen Banken wie die französischen Banken sind sehr stark impliziert.

Christoph Heinemann: Die französischen wohl etwas stärker!

Jean Asselborn: Die Franzosen sagen, die Deutschen etwas stärker, aber das ist jetzt nicht das Problem. Das Problem ist noch einmal: Wenn wir weiter spielen auf diese Differenzen, was trotzdem, glaube ich, Nuancen sind, denn ab 2013 ist das ja geregelt, und wenn ich richtig verstanden habe - Sie haben am Anfang gesprochen von diesem 110-Milliarden-Paket, dass jetzt auch der Internationale Währungsfonds, der übrigens vertreten sein wird in Luxemburg bei den Finanzministern, dass sie bereit sind, diese Tranche von 12 Milliarden auch auszubezahlen, damit wären dann, glaube ich, 67 Milliarden ausbezahlt von den 110 Milliarden, es bleibt also noch Spiel da, um da weiter zu helfen, den Griechen zu helfen, aber wenn man alles vermischt, jetzt wieder das zweite Paket, was geschnürt werden soll, und man das auch dann jeden Morgen den Europäern und auch selbstverständlich den Griechen serviert, dass noch mehr zugedreht werden muss und noch mehr Garantien kommen müssen, dann geht die Rechnung nicht auf, glaube ich. Und als Sozialdemokrat kann ich Ihnen auch sagen: Ich bin dafür, dass man Vertrauen in die Märkte setzt, dass die Vertrauen wiedergewinnen müssen. Aber es gibt auch keine Märkte ohne Menschen, die noch Vertrauen haben, und das ist der wichtigste Punkt.

Christoph Heinemann: Herr Jean Asselborn, droht Giorgos Papandreou das Schicksal von Socrates? Ich meine jetzt nicht den Mann mit dem Schierlingsbecher, sondern den früheren portugiesischen Ministerpräsidenten.

Jean Asselborn: Ich habe unheimlichen Respekt vor Papandreou, was er macht, und ich habe wirklich keinen Respekt vor der wirklich politisch unwürdigen, sagen wir mal, Einstellung von der Opposition, von Herrn Samaras. Nea Demokratia ist ja eine Partei, die in ihrem Namen ein großes Wort trägt, was ja in Griechenland geboren wurde. Es fehlt ja nur noch, dass Herr Karamanlis jetzt noch zurückkommt für die Nea Demokratia und dann als Retter auftaucht. Also hier geht es ja wirklich nicht jetzt um populistische Stellungnahmen. Dieser ganze Konflikt oder dieses ganze Problem in Griechenland wurde ja zu einem sehr, sehr großen Teil von der heutigen Opposition produziert, und ich hätte mir wünschen können, dass wirklich Papandreou es verdient hätte, hier einen großen Konsens zu finden. Damit käme auch mehr Ruhe in Griechenland. Und ich hoffe, dass zum Beispiel auch die Europäische Volkspartei hier Druck ausübt, dass in diese Richtung auch etwas passiert, nicht nur für Griechenland, sondern, glaube ich, auch für die Akzeptanz in der Europäischen Union.

Christoph Heinemann: Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

Jean Asselborn: Bitte, Herr Heinemann.

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