Jean Asselborn invité de l'émission "Maybrit Illner"

Maybrit Illner: Einen schönen guten Abend, herzlich willkommen.

Sie sind im Zweiten Deutschen Fernsehen, live, im Hauptstadtstudio Berlin.

Ein Politpoker mit hohem Einsatz. "Wenn ihr nicht weiter spart, werden wir nicht weiter zahlen", sagen die Europäer zu den Griechen. "Wenn ihr nicht weiter zahlt, gehen wir eben Bankrott, dann werdet ihr schon sehen was ihr davon habt", antworten viele in Athen. Wer erpresst eigentlich wen?

"Wenn ihr euch nicht beteiligt, dann gibt’s Ärger", sagen die Politiker zu den Banken. "Wenn wir uns beteiligen müssen, dann gibt es noch mehr Ärger", sagen die Banken. Wer erpresst hier eigentlich wen? Wer sitzt am längeren Hebel, und vor allem was passiert wenn das Spiel verloren geht? Droht dann, wie der US-Notenbankchef befürchtet, eine neue weltweite Finanzkrise? Heute und morgen suchen die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfel nach einem Ausweg. Oder warten sie einfach ab?

Unser Thema heute: Das Milliarden-Euro-Desaster. Die Politik pokert und wir dürfen zahlen?

Reportage:

Volker Kauder: der Fraktionschef von CDU und CSU warnt, wenn wir Griechenland nicht helfen, könnte eine neue Wirtschafts- und Finanzkrise drohen. Aber klar ist auch, keine Hilfe ohne Gegenleistung.

Andrea Nahles: die SPD-Generalsekretärin kritisiert die Verhandlungstaktik der Kanzlerin. Das ist ein politischer Offenbarungseid und die privaten Gläubiger dürfen sich einfach aus dem Staub machen.

Jean Asselborn: Luxemburgs Außenminister verlangt mehr Tempo. Griechenland muss schnell geholfen werden, sonst gibt es nur Verlierer.

Christoph Paulus: der Professor für Insolvenzrecht sagt, prinzipiell ist eine Staatspleite nicht das Ende der Welt, aber sie muss nach gewissen Regeln ablaufen und die gibt es noch nicht.

Alexis Passadakis: der Finanzexperte beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac beklagt: im Fall von Griechenland spielen die Ratingagenturen eine verheerende Rolle. Ihre Bewertungen sind völlig undurchsichtig, aber sie können ganze Staaten in den Ruin treiben.

Und Moritz Kraemer: er arbeitet für eine der einflussreichsten Ratingagenturen der Welt, und war an den Entscheidungen zu Griechenland beteiligt. Kraemer ist überzeugt, mit unseren Ratings stabilisieren wir die Märkte.

Sie sind zu Gast bei Maybrit Illner.

Maybrit Illner: Damit haben wir gleich einen guten Stutzen Fragen auf dem Tisch. Meine erste Frage heute Abend geht an den luxemburgischen Außenminister. Herr Asselborn, "Kein Geld ohne Reformen." Die EU-Finanzminister bleiben bei diesem harten Diktum. Was passiert eigentlich, wenn die Griechen sich dagegen entscheiden und sagen, wir wollen uns nicht weiter quälen.

Jean Asselborn: Ich glaube, das ist eine falsche Frage. Die griechische Regierung weiß, dass nach der Troika von Europäischer Zentralbank, Europäischer Union und IWF, die ja auch zurzeit wieder in Griechenland ist, Reformen auf der Tagesordnung stehen. Griechenland muss systemisch Reformen angehen und muss auch seinen Haushalt sanieren. Das ist, glaube ich auch, was im Volk in Griechenland verstanden wird [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Den Eindruck muss man nicht unbedingt haben.

Jean Asselborn: Nein, warten Sie, auf eine Art und Weise wo ich hoffe, dass in Griechenland die demokratische Debatte auf eine Stufe kommt, wo wirklich auch von da aus dem Land den Menschen gesagt wird, wie spät es geläutet hat und was auf sie zukommt. Und das ist, glaube ich, auch eine Herausforderung für die Politik im Allgemeinen in Griechenland. Und ich hoffe, und wir haben Herrn Kauder, einen sehr prominenter Politiker der Europäischen Volkspartei hier, dass die Europäische Volkspartei sich einbringt und versucht auch den nationalen Dialog in Griechenland zu fördern.

Maybrit Illner: Da sind wir tief in der nationalen griechischen Politik weil tatsächlich die Opposition, die christliche Opposition in Griechenland diesen ganzen Paketen und Reformbemühungen noch nicht zustimmt.

Mal unabhängig davon, ob Sie das schaffen, Herr Kauder, die Kollegen in Athen davon zu überzeugen, dass das vielleicht eine ganz wichtige Sache wäre. Warum verstummt der Chor der Menschen nicht die sagen, es gäbe eine Alternative zu dem was die Griechen da jetzt grade durchmachen müssen?

Volker Kauder: Na ja, es gibt zu allem in der Welt eine Alternative. Es ist nur die Frage, ob es die bessere oder die schlechtere Alternative ist.

Aber was Herr Asselborn sagt ist ja völlig richtig. Wir haben in Griechenland eine große Herausforderung und ich finde es ist eine nationale Herausforderung. Und mein Europakollege Langen hat gerade eben vor wenigen Minuten gesagt, wir werden die griechische Opposition ins Gebet nehmen. Und dass sie mitmachen, das halte ich auch für richtig, denn die konservative Opposition war ja auch eine Zeit lang an der Regierung und sie ist deswegen mitverantwortlich für das was in Griechenland geschieht. Und jetzt geht es darum das Land zu retten, da müssen alle mitmachen.

Maybrit Illner: Frau Nahles, das sagt im Grunde auch die SPD. Griechenland muss gerettet werden, Griechenland muss geholfen werden. Heißt das auch, das Geld wird in jedem Fall fließen, unabhängig davon ob diese Reformen in Griechenland jetzt greifen oder nicht?

Andrea Nahles: Nein, ich denke es ist klar, es braucht strukturelle Reformen. Allerdings, wir bieten zurzeit wenig Hoffnung und wenig Perspektive, grade auch für die jungen Menschen in Griechenland. Ich denke, es muss mehr kommen als Einsparungsziele die eingehalten werden müssen, dazu stehen wir auch. Wir brauchen auch Investitionen.

Die griechische Wirtschaft muss auch sich selbst wieder in Wachstumszone bewegen. Heute muss sie ja Schulden aufnehmen, um die Schulden zurück zu zahlen. Das kann ja auf Dauer keine Perspektive sein. Und es fehlt zurzeit ein Gesamtkonzept, damit eben die griechische Wirtschaft sich so weit erholen kann, dass sie auch selber wieder in der Lage ist den Schuldendienst zu bedienen.

Maybrit Illner: Alexis Passadakis ist Politikwissenschaftler und er ist bei Attac. Was sagt der Attac-Politiker, wenn er sich dieses Kräfteverhältnis anschaut, zwischen Europa und den Griechen. Wer erpresst eigentlich wen? Erpresst Europa grade die Griechen? Oder erpressen die Griechen Europa?

Alexis Passadakis: Die Situation ist eigentlich eindeutig. Es gibt die Troika, wurde ja schon genannt, Internationaler Währungsfonds, EZB und EU-Kommission. Und was sie dort begehen, ist zunächst einmal ein Demokratieraub in dem Sinne. Nämlich ganz massiv die Regierung unter Druck setzen und letztendlich dem keine Wahl mehr lassen wie sie entscheiden können. Es wird versucht diese Sozialkürzungspakete durchzudrücken mit aller Macht. Und es sind eben keine freundlichen Reformen die dort grassieren sondern es ist eine Verarmung der Bevölkerung.

Und diese Memoranden, die eben diese Kürzungspolitik beinhalten, bedeuten eine Krisenverschärfung. Also, es ist eine destruktive Politik die dort gerade gemacht wird, zu Lasten der Bevölkerung die mit dieser hohen Verschuldung gar nichts zu tun hat. Die nicht dafür verantwortlich ist. Und dass diese Krisenpolitik so durchgeführt wird von der Troika, das ist also nicht nur ein soziales Problem, sondern ein demokratiepolitisches Problem. Und deshalb sind die Menschen dort so wütend.

Maybrit Illner: Da nickt interessanterweise die Frau ihrer rechten Seite. Frau Nahles, was ist das also für ein Hilfs- was ist das also für ein Rettungsprogramm, wenn es die Griechen im Grunde genommen stranguliert und ihnen auch die letzte Infrastruktur nimmt?

Andrea Nahles: Es ist ein kurzfristiges Hilfspaket was nicht lange halten wird. Es muss mehr passieren.

Und ich sage, hier wird eine gigantische Umverteilung von unten nach oben gemacht. Die Steuerzahler in Griechenland und in anderen Ländern subventionieren die Zocker. Das ist das was gerade passiert. Die müssen mit Arbeitslosigkeit rechnen. Die haben weniger Zukunftsperspektive. Viele werden auch weniger Einkommen haben. Und wissen Sie wer daran immer noch verdient? Die Verantwortlichen, auch die Banken mit den Schulden die jetzt wieder aufgenommen werden und die werden auch weiter spekulieren. Und dass dann die Menschen wütend werden, das kann ich gut verstehen.

Maybrit Illner: Bei uns ist von Standard & Poor’s, Moritz Kraemer. Herr Krämer Sie arbeiten für eine dieser 3 großen amerikanischen Ratingagenturen. Agenturen die Bewertungen abgeben um die Qualität und die Prosperität von Volkswirtschaften einzuschätzen aber auch von einzelnen Unternehmen.

Wenn Sie sich Griechenland anschauen in den letzten 10 Monaten. Da gibt es nicht wenige die sagen, da waren Hartz IV und die Agenda 2010 Kleinkram dagegen. Das ist ein großartiges Programm was die Griechen da schon in Angriff genommen haben. Die sparen, die kürzen überall, die verkaufen und sollen immer mehr verkaufen. Und was Sie, was amerikanische Agenturen darauf gesetzt haben war eine Einstufung CCC. Das sind Ramschanleihen. Ist das besonders pädagogisch wertvoll?

Moritz Kraemer: Also zunächst mal denke ich, ist es wichtig festzuhalten, dass die griechische Regierung und die griechische Gesellschaft insgesamt große Anstrengung unternommen hat. Es wird häufig sehr gerne übersehen. Die Arbeitslosigkeit hat sich verdoppelt. Die Wirtschaft ist seit dem Höhepunkt um 10 Prozentpunkte geschrumpft. Hier werden also große Entbehrungen durch die Gesellschaft insgesamt getragen.

Vielleicht sage ich noch eine Sache, weil Sie 2 Mal auf die amerikanische Ratingagentur hingewiesen haben. Zunächst mal, wir sind ein internationales Unternehmen. Die Kreditwürdigkeitsprüfung, Bonitätsprüfung, findet statt in einem Comitéprozess. Ich leite diese Gruppe. Ich habe Mitarbeiter aus 10 verschiedenen Ländern, die in Büros in Europa überall verstreut sind. Unsere Person die die Methodologie und Kriterien überwacht und weiterführt ist französisch. Unsere Person die unsere Prozesse kontrolliert ist Schwede. Also wir sind keine amerikanische.

Maybrit Illner: [undeutlich] amerikanische Institution [undeutlich]

Moritz Kraemer: Das vielleicht noch mal vorweg. Weil das immer auch gerne genannt wird. Das ist ein internationales Unternehmen mit globalen Kriterien.

Maybrit Illner: Dann noch mal die Frage. Warum stufen Sie Griechenland, obwohl es diese Bemühungen gegeben hat, wie Sie gerade selber auch so herausstellen, ein wie Jamaika, glaube ich, und wie Pakistan?

Maybrit Illner: Ich denke, es ist wichtig zu verstehen was ein Rating eigentlich ist. Ein Rating ist kein Urteil über die Qualität der Politik. Es ist auch kein Urteil darüber ob eine Gesellschaft oder eine Wirtschaft ein guter Standort ist zum Beispiel um Investitionen zu tätigen. Es ist auch kein Urteil darüber ob man bestimmte Anleihen kaufen oder verkaufen sollte. Wir investieren natürlich selbst überhaupt nicht. Also wir haben überhaupt keine eigenen wirtschaftlichen Interessen daran.

Was ein Rating darstellt ist letztendlich nichts anderes – es ist wirklich ein ganz, ganz enges Mandat – wir haben die Aufgabe die Investoren darüber zu informieren wie wir die Ausfallwahrscheinlichkeit der Schulden einschätzen.

Zu sagen, die Ratingagenturen oder Standard & Poor’s konkret, hat jetzt beschlossen, dass Griechenland eine Wirtschaft ist die schlechter ist als die Pakistans ist deswegen schlicht falsch. Es geht darum zu sagen, wir sind der Ansicht, dass auf Grund, trotz der Bemühungen der Regierung und der Gesellschaft insgesamt, der Gegenwind derart stark ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Griechen, die griechische Regierung die Staatsanleihen pünktlich und vollständig zurückzahlen kann, in der Art und Weise wie es ursprünglich vertraglich vereinbart war mit den Gläubigern, dass diese Wahrscheinlichkeit in den vergangenen 12 Monaten sehr stark gesunken ist.

Maybrit Illner: Wir werden uns Ihre Arbeitsweise da auch im Detail ein bisschen später in der Sendung auf jeden Fall noch mal anschauen und fragen uns, ob und wie sehr man eigentlich für die Griechen, respektive für die europäischen Steuerzahler, Bedingungen formuliert hat, rund um diese Hilfspakete.

Herr Kauder, mal unabhängig davon, dass es um Summen geht die wir uns schon alle nicht mehr vorstellen können – einmal 700 Milliarden in diesem Paket bis 2013 und dann noch mal 730 Milliarden in diesem Stabilisierungspaket, sicherlich gibt es da auch einen Übertrag – aber das sind Größenordnungen die können wir uns nicht mehr vorstellen.

Jetzt hatten Sie, jetzt hatte offensichtlich Frau Merkel das große Bedürfnis Banken daran zu beteiligen, private Banken daran zu beteiligen. Der Finanzminister hat es auch vorgeschlagen. Und daraus wurde jetzt eine freiwillige Beteiligung. Was glauben Sie, wie groß wird die Warteliste derjenigen die sich da melden werden?

Volker Kauder: Also zunächst einmal ist die Rechtslage eindeutig. Es gibt keine Möglichkeit einen Zwang auszuüben. Ein solches System, da werden wir sicher nachher noch drauf kommen, soll erst mit dem europäischen Stabilitätsmechanismus entwickelt werden, ab 2013, wo dann verpflichtend der private Sektor beteiligt wird.

Jetzt werben wir dafür und man kann sagen die Dinge laufen gar nicht schlecht. Heute Abend haben eine Reihe von Banken aus Frankreich, Italien, Deutschland bereits signalisiert, dass sie sich daran beteiligen. Das hat auch ein Eigeninteresse. Die wissen alle ganz genau, wenn die Sache sich nicht stabilisiert, verlieren sie viel Geld. Also streckt man noch ein Mal. Gibt Zeit.

Auch das Argument „Ihr kauft nur Zeit“ ist ja ein ganz schwaches Argument. Wir haben nämlich in vielen anderen Fällen gesehen, dass mit der Zeit die Dinge sich weiter entwickeln. Und vor allem müssen wir dafür sorgen, dass keine Ansteckung ausgeht auf andere europäische Länder. Und deswegen ist jeder Tag den wir gewinnen können, wo es in die Stabilität hineingeht. Man muss es so sehen: es gibt Krankheiten die haben einen längeren Heilungsprozess. Und da sind wir dabei. Und im Übrigen kann ich nur sagen[wird unterbrochen]

Alexis Passadakis: Es braucht doch keine Krankheiten die sich einfach entwickeln, sondern das ist eine Krisenverschärfungspolitik die durch diese Kürzungsprogramme eingeleitet wird.

Volker Kauder: Das stimmt überhaupt nicht. Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit und die Wirklichkeit ist so, dass die Griechen erhebliche Probleme haben, weil sie [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Das wissen wir mittlerweile. Die Frage ist [wird unterbrochen]

Volker Kauder: ... Reformen nicht gemacht haben. Und jetzt sind sie doch auf einem guten Weg. Und ich muss sagen, ich habe großen Respekt vor dem was in Griechenland gerade gemacht wird.

Maybrit Illner: Haben wir schon gesagt und fragen uns an der Stelle noch mal, ob uns die gewonnene Zeit in der Nachbetrachtung als eine wirklich gewonnene Zeit vorkommt? Oder ob man hätte schneller helfen können? Schauen sie mal die entsprechenden Beispiele an.

Reportage:

Madame "No" (Einblendung Angela Merkel). Was hat sie nicht alles gefordert? Zur Bedingung gemacht. Um als eiserne Euro-Lady Eindruck zu machen, in der Krise.

Angela Merkel (O-Ton): Es geht also jetzt nicht mehr darum ob, sondern es geht darum wie notwendig, dass Griechenland sein Programm erfüllt. Ganz strenge Bedingungen.

Journalist: Sie forderte eine Befristung des Rettungsschirms. Klare Verfahren zum Austritt aus der Eurozone. Zuletzt eine nennenswerte Beteiligung privater Gläubiger. Am Ende musste sie immer klein beigeben.

Peer Steinbrück (O-Ton): Ich habe ein wörtliches Zitat von Ihnen in Erinnerung. Das lautet "Ich sage ganz klar, dass es eine Verlängerung des Hilfsfonds nicht geben wird." Wenn Sie sagen, es ist etwas ganz klar, dann gehen bei mir die Warnblinkanlagen inzwischen an.

Journalist: Das Hin- und Hergemerkel hat Schaden angerichtet für Deutschland. Mangelnde Führung, schlechtes Image, keine Mehrheiten in der EU – zahlen müssen wir trotzdem. Als stärkste Finanz- und Wirtschafsmacht am meisten von allen. Beliebt sind wir dafür nicht.

Maybrit Illner: Herr Kauder, das war tatsächlich ein richtig hässliches Bild. Am Ende ist die Rechnung größer geworden. Wir haben nicht wirklich Zeit gewonnen. Wir müssen zahlen und wir werden beschimpft. Ist das der Befund?

Volker Kauder: Nein, das ist der Befund überhaupt nicht. Wir haben doch wirklich einiges erreicht. Die Griechen haben eine ganze Menge unternommen von dem was notwendig ist. Frau Nahles hat doch recht. Es geht doch nicht ausschließlich darum jetzt Geld zu geben damit Schulden beglichen werden, sondern dass Strukturen sich ändern die Griechenland wettbewerbsfähig machen. Und das ist natürlich nicht in Ordnung zu sagen wir machen dann Demokratieraub.

Wissen Sie, die deutschen Bürgerinnen und Bürger haben wenig Verständnis dafür, dass es Staatsdiener in Griechenland gibt die 18 Monatsgehälter kassieren.

Andrea Nahles: Hören Sie doch damit auf Herr Kauder.

Volker Kauder: Das ist einfach nicht in Ordnung. Das muss korrigiert werden. Es geht nun mal um die Fakten und ich bin doch der Meinung wir haben viel erreicht. Die Griechen haben sich auf einen guten Weg gemacht und jetzt beschließen sie noch mal ein weiteres Hilfspaket. Das ist alles sehr schwierig, keine Frage. Auch wir haben in Deutschland schwierige [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Ein weiteres Sparpaket, ehrlich gesagt, ja.

Andrea Nahles: Aber die Frau Merkel ist doch mittlerweile der Wackeldackel Europas. Es ist doch wirklich unglaublich. Doch es ist wirklich wahr.

Volker Kauder: Wissen Sie, Frau Nahles, mit solchen Sprüchen kommen wir in solch einer schwierigen Situation nicht weiter. Das was sie in den ganzen Zeiten, nicht Sie persönlich aber die SPD, verlangen hat überhaupt keine Chance auf eine Mehrheit in Europa.

Und eins sage ich auch klar voraus. Es geht nicht was Sie sagen, dass wir einfach geldgebende Transferunion machen. Wenn wir das machen, dann ändert sich gar nichts mehr.

Andrea Nahles: Das hat doch überhaupt niemand gesagt. Es ist [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Doch das hat [wird unterbrochen]

Andrea Nahles: Aber Sie haben behauptet, Sie würden die Spekulationssteuer in Europa vorantreiben.

Volker Kauder: Machen wir auch.

Andrea Nahles: Und was haben Sie gemacht? Sie haben es im nächsten Haushalt 2012, Herr Schäuble hat das gemacht, gestrichen. Sie glauben ja noch nicht einmal an Ihre eigene [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Es geht nicht um eine Spekulationssteuer [wird unterbrochen]

Andrea Nahles: Doch es geht um [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Es geht um eine Transfersteuer.

Andrea Nahles: Es geht um die Spekulationssteuer als eine Möglichkeit, tatsächlich Spekulationen einzudämmen.

Volker Kauder: Dafür haben wir bisher noch keine Mehrheit in Europa bekommen, weil es nämlich eine ganz Reihe [wird unterbrochen]

Andrea Nahles: Aber wer sind wir denn für Europa, dass wir nicht mal solche Punkte voran tragen?

Volker Kauder: Sie wollen die anderen doch einfach erpressen; sagen wenn das nicht gemacht wird was Deutschland will.

Andrea Nahles: Es gibt genügend Verbündete dafür.

Volker Kauder: Das stimmt gar nicht. Wir haben ein Mehrheitsprinzip

Maybrit Illner: Herr Asselborn, das ist die deutsche Politik.

Jean Asselborn: Ja.

Maybrit Illner: Vielleicht können wir ganz kurz noch mal auf die internationale Seite wechseln und uns sagen, haben Sie eine Erklärung dafür, dass wenn Frau Merkel sagt, „ja aber“, warum dann in relativ kurzer Zeit daraus ein „aber ja“ wird? Hängt das damit zusammen, dass sie in einer schwachen Position ist, oder hat's was damit zu tun, dass wir so originelle Ansichten verteilen in Europa?

Jean Asselborn: Madame Illner, Sie haben jetzt eine ganze Zeit lang diesen Linksdrang gehabt und ich wollte noch etwas sagen.

Maybrit Illner: Jetzt, haben Sie Madame Illner gesagt?

Jean Asselborn: Ja.

Maybrit Illner: Ha, das hat er ja noch nie.

Jean Asselborn: Ich wollte etwas sagen, nur einen Satz, zu [undeutlich] Griechenland. Ich glaube, dass wir uns aber auch erinnern müssen, dass der Euro eine Schicksalsgemeinschaft ist. Und was heißt eine Schicksalsgemeinschaft? Wenn einer in Not ist, müssen alle anderen helfen. Wenn wir das [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Die Frage ist womit helfen wir am besten. Wir stellen Ihnen?

Jean Asselborn: Ja, das ist aber die zentrale Frage. Wollen wir das, oder wollen wir das nicht? Wollen wir zu viel nach unseren Garantien schauen oder wollen wir den Griechen aus dieser Notsituation heraus helfen?

Also, ich bin nur ein kleiner Luxemburger und würde mir nie anmaßen jetzt die deutschen Politiker, auch nicht die Kanzlerin, zu bewerten. Ich habe einmal gesagt, dass die deutsche Politik etwas arrogant herüber kommt. Das war nicht persönlich gemeint. Und das war irgendwie trotzdem gesagt [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Für einen Luxemburger eigentlich schon eine Beschimpfung.

Jean Asselborn: ... dass man aufpassen muss nachdem Vertrag von Lissabon, dass wir nicht das Gegenteil machen von dem was eigentlich in diesem Vertrag steht, nämlich Integration und keine zwischenstaatlichen Entscheidungen. Und da muss ich sagen, dass vielleicht dieser Zick-Zack Kurs, Herr Kauder, den wir auch in Luxemburg gesehen haben, dass der eigentlich der Sache nicht ganz dienlich war.

Ich glaube, das sage ich mit viel Respekt vor dem Land wo ich hier bin, und ich hoffe auch, ich hoffe wirklich auch, dass jetzt, heute wo die Regierungschefs zusammen sind, dieses Geplänkel vorüber ist. Dass wir uns auch nicht dauernd fragen, wie der Privatsektor am besten eingebracht wird. Und wie wir auch am besten Garantien bekommen. Es geht darum alles zu tun um Griechenland aus dieser schwierigen Situation heraus zu helfen, das ist unsere Aufgabe in Europa.

Maybrit Illner: Ok, zwei Fragen an den Mann von Standard & Poor’s.

Erste Frage, Herr Kraemer, hätte es genutzt wenn dieser Prozess der Hilfe in Bezug auf Griechenland schneller vollzogen worden wäre? Wir erinnern uns alle an dieses großartige Bild von der Kanzlerin zusammen mit Herrn Steinbrück als sie den Deutschen in der Situation versprachen: "Liebe Sparer und Sparerinnen, ihre Einlagen sind sicher." Hätte ein ähnliches, oder ein adäquates Bild aus Europa vor einem Jahr, diese Situation die wir jetzt haben, viel schneller lösen lassen oder auf eine bessere und preiswertere Art gelöst?

Moritz Kraemer: Über so etwas lässt sich natürlich im Nachhinein reichlich spekulieren. Die wahre Antwort ist, wir wissen es nicht. Wir können da alle verschiedenen Meinungen drüber haben aber Fakt bleibt einfach, dass zwischen heute und dem Ende 2014 in Griechenland allein 150 Milliarden Staatsanleihen fällig werden. Dazu kommt noch das laufende Defizit. Das muss ja irgendwie finanziert werden.

Wir haben also 3 Möglichkeiten, letztendlich.

Wir haben erstens Schuldenschnitt. Ja, wir können sagen, das können wir nicht mehr machen, die Hälfte wird weggekürzt und dann arbeiten wir weiter.

Die zweite ist, dass man in einer Art Transferunion einmündet. Das heißt, man wird quasi über öffentliche Kreditgeber IWF oder andere Eurostaaten diese Finanzierung bereitstellen.

Oder die dritte Möglichkeit, dass man versucht die Investoren wieder mit ins Boot zu holen. Die Investoren streiken. Die Investoren kaufen zu keinem Zinssatz griechische Papiere zurzeit.

Wenn man das erste nicht will, den Schuldenschnitt, und das zweite auch nicht, die Transferunion, bleibt eigentlich nur die Strategie zu versuchen die Investoren zurück zu holen. Jetzt spreche ich mal aus der Sicht der Märkte. Ich bin zwar selbst kein Investor, ich spreche aber fast täglich mit welchen. Das hin und her in der Politik und im Krisenmanagement hat die Märkte nicht beruhigt, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken und hat eigentlich den Prozess der Rückkehr der Griechen auf die Kapitalmärkte letztlich behindert. Und deswegen sind wir jetzt in der Situation in der wir jetzt sind, dass das ursprünglich ausgemachte Paket nicht ausreicht, denn es war ja vorgesehen, dass ab Anfang nächsten Jahres, die Griechen quasi wieder durch Anleihenbegabe im Kapitalmarkt selbst mitfinanzieren.

Maybrit Illner: Was schlicht unmöglich ist.

Moritz Kraemer:Unmöglich, es sieht nicht danach aus, sagen wir mal. Das heißt, wenn man die Investoren zurückholen will, muss man eine gewisse Sicherheit schaffen, Investorensicherheit. Und da sind natürlich das hin und her und diese Vielzahl der Ideen die dann auch wieder zurück gerollt werden nicht sehr hilfreich gewesen.

Maybrit Illner: Es hat tatsächlich auch einen Außenminister dieses Landes gegeben der sich nun in der Zeit auch zu Wort meldet, der heißt Joschka Fischer und sagte folgendes.

Reportage:

Zu wenig und zu spät, das ist der EU-Führungsstil dieser Tage, kritisiert Ex-Außenminister Joschka Fischer diese Woche. Worauf warten die Regierungschefs der Eurozone eigentlich noch? Es droht ein Schneeballeffekt der weitere südliche EU-Länder, darunter auch sehr große, ebenso in den Abgrund reißen wird wie Banken und Versicherungen. Eine erneute Krise des Weltfinanzsystems mit erneutem weltwirtschaftlichem Schock und das Scheitern der Eurozone stehen auf dem Spiel. Kurz ein Aus des gesamten europäischen Projektes. Es geht um alles, warnt Fischer. Handelt schnell. Schließlich ist der Stier das europäische Wappentier, nicht ein kopfloses Huhn.

Maybrit Illner: Erste Frage an Herrn Asselborn. Nehmen Sie die Kritik Ihres ehemaligen Kollegen ernst?

Jean Asselborn: Ja, ich nehme sie ernst. Die Menschen in Griechenland sind nicht alle Reeder oder Menschen die keine Steuern bezahlt haben. Wir wissen, dass alle Beschäftigten, die Lohnempfänger, die Beamten und Arbeiter sehr, sehr viele Einschnitte schon bekommen haben und auch noch ertragen werden müssen. Und denen Menschen muss man sagen, dass die Europäische Union da ist um zu helfen und auch hilft.

Alexis Passadakis: Aber genau das Gegenteil passiert doch. Diese Kürzungen sind ja zurück zu führen auf die Europäische Union, dass Renten gekürzt werden, dass Löhne gestrichen werden und das bringt die Leute dort an die existentielle Not. Und deshalb wehren sie sich auch, weil die Logik ja völlig schizophren ist.

Jean Asselborn: Also für mich ist die Reform nicht nur, dass man Renten kürzt [wird unterbrochen]

Alexis Passadakis: Wenn man tatsächlich möchte, dass manche Schulden zurückgezahlt werden, dann treibt man ein Land doch nicht in eine Rezessionsspirale hinein. Und das ist genau das was gerade passiert. Die Lösung wäre also, dass man tatsächlich die sozialen Systeme weiter ausbaut.

Jean Asselborn: Die wichtigste Reform in Griechenland wäre, dass alle Steuern bezahlen, auch die liberalen Berufe und auch die Geschäftsleute, dass die Steuern zahlen.

Alexis Passadakis: Als Außenminister einer Steueroase finde ich, ist das ein großer Spruch, der da gemacht wird. Und Luxemburg ist ja de facto eine Steueroase.

Jean Asselborn: Und Sie leben in einem Land der Weltmeister ist im Waffenhandel. Werfe ich Ihnen das denn vor?

Alexis Passadakis: Nein, ich bin ja auch niemand der mit Waffeln handelt.

Jean Asselborn: Dann hören Sie auf mit solchen Tricks.

Alexis Passadakis: Sonst würde ich ja der Bundesregierung vorwerfen, dass das passiert.

Jean Asselborn: Ja, ich bin auch nicht in einer Steueroase geboren. Wissen Sie das?

Alexis Passadakis: Ich weiß nicht genau wo Sie geboren sind, aber Luxemburg ist eine Steueroase und damit Teil des Problems, dass nämlich diese Verschuldungsspirale dieses generellen Europa gibt, nicht ein Ausgabenproblem ist, nämlich im wesentlichen ein Einnahmeproblem. Und wenn man entsprechend die Steuern erhöhen würde, dann würde man auch einen wichtigen Schritt dazu tun aus dieser Schuldendynamik heraus zu kommen.

Volker Kauder: Sie wären wirklich keine Hilfe für die Lösung in Griechenland. Das kann ich nur sagen. Mit solchen aggressiven polemischen Sprüchen, helfen wir niemandem weiter.

Maybrit Illner: Aber wollen wir vielleicht noch mal versuchen bei der puren, Monsieur.

Jean Asselborn: Den Krieg gegen mich haben Sie gewonnen.

Maybrit Illner: Darum geht es jetzt nicht. Er hat nur eine sachliche Frage und eine sachliche Bemerkung gemacht.

Jean Asselborn: Ich auch.

Maybrit Illner: Nämlich die, kann man ein Land auch zu Tode sparen? Kann man es mit den Verpflichtungen bei den Sozialabgaben zu fragen [wird unterbrochen]

Jean Asselborn: Er hat mir den Satz nicht erlaubt zu sagen der wichtig ist.

Maybrit Illner: [undeutlich] Zu verkaufen kann man ihnen damit nicht das Rückgrat nehmen.

Jean Asselborn: Doch, ich wollte nur den einen Satz sagen. Dass ich mit Ihnen komplett einverstanden bin, dass wir nicht nur die Leute die arbeiten, Beamte und Lohnempfänger und auch Rentner, belasten kann. Sondern dass systemisch in Griechenland nicht nur 100 – es sind anscheinend 100 Griechen die mehr als eine Million Euro im Jahr verdienen – dass man auch die liberalen Berufe, die Geschäftsleute und so weiter, dass die Steuern zahlen. Darum geht es mir bei den Reformen. Nicht um Kürzungen zu machen bei Menschen die sowieso nicht genug haben.

Alexis Passadakis: Das ist aber in Ihrem Namen passiert, diese Kürzung. Im Namen eben der Troika.

Andrea Nahles: Ja aber, es wird zum Beispiel, also das ist jetzt auch ein bisschen unsanft. Hier wird zum Beispiel eine Steuerbehörde aufgebaut die es bisher so in der Form leider nicht gegeben hat. Und da kann es auch durchaus Strukturhilfen geben die Sinn machen und es braucht auch systemische Reformen in Griechenland.

Allerdings, in dem Punkt sehe ich auch Handlungsbedarf. Wir drosseln momentan mit diesen ganzen Programmen die griechische Wirtschaft. Die sind in dem Negativwachstum und sie müssen in ein positives Wachstum kommen. Und ich fand deswegen den Vorschlag von Herrn Barroso, dass er sagt die Strukturhilfen jetzt vorzuziehen, denen damit auch zu ermöglichen sich aus eigener Kraft wieder aus dieser Lage zu befreien, wichtig und war doch enttäuscht und überrascht, dass das nicht mehr Unterstützung auch bei der Bundesregierung gefunden hat.

Maybrit Illner: In den Agenturen kamen grade die Nachrichten und in den Nachrichten, dass dieser Vorschlag von Barroso jetzt von allen EU-Kollegen unterstützt wird.

Andrea Nahles: Ja, wunderbar.

Maybrit Illner: Also können wir das als Nachricht des Tages schon mal festhalten. Es ist, Herr Kauder, dennoch hier festzuhalten, dass auch die Kollegen in Ihrer Koalition beispielsweise nicht so richtig sicher sind, dass das was nun präsentiert wurde von der Troika und gestützt und getragen wird von den europäischen Politikern, wirklich eine nennenswerte Hilfe ist. Die Kollegen von der FDP, in der Person von Herr Schäffler haben Alternativvorschläge.

Frank Schäffler (O-Ton): Ich glaube, dass Griechenland um eine Umschuldung, um eine harte Umschuldung nicht herum kommt. Und ich empfehle auch, dass Griechenland eben überlegt ob sie vorübergehend aus dem Euro austreten, denn das ist die einzige Voraussetzung, damit Griechenland tatsächlich seine Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig macht. Der Weg den wir jetzt beschreiten durch die innere Abwertung, das dauert viel zu lange. Das dauert eine ganze Generation bis das tatsächlich funktioniert.

Maybrit Illner: Das ist jetzt eine Stimme in der schwarz-gelben Koalition, die eine solche Alternative nicht nur erwägen, sondern sie eben auch öffentlich äußern, wie wollen Sie die überzeugen?

Volker Kauder: Also, wir haben bisher immer die Mehrheiten in unserer Koalition gehabt, um die notwendigen Maßnahmen voranzubringen. Es gibt natürlich in solchen Verfahren und Diskussionen auch andere Auffassungen, keine Frage. Wir sehen aber klar, was auch von allen Experten gesagt wird, dass jetzt für einen Schuldenschnitt die Zeit nicht reif sei. Das sagt die EZB, das sagen verschiedene Agenturen, dass das nicht gehe. Auch die Ratingagenturen warnen vor einer solchen Maßnahme.

Moritz Kraemer: Wir warnen vor gar nichts. Wir beobachten und vor allem wir [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Ja, ja, ich lese Sie nicht, aber ich lese andere [wird unterbrochen]

Andrea Nahles: Sie sind also völlig unschuldig?

Volker Kauder: Deswegen kann ich nur sagen, wir glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Und eins ist ein klarer Fall, wir müssen natürlich auch dafür einen Beitrag leisten, dass Griechenland wieder wettbewerbsfähig wird. Deswegen sind die Hilfen aus dem europäischen Fonds richtig.

Und es gibt ja auch die Idee, dass wir beispielsweise sagen, können wir nicht für neue Strukturen sorgen, wir müssen mit den Regionalfonds nicht nur Straßen bauen, sondern könnten wir nicht auch im Bereich erneuerbaren Energien Griechenland in das europäische Energienetz mit einbinden, weil bei denen scheint die Sonne wesentlich häufiger als bei uns, so dass man da also auch neue Wettbewerbsmöglichkeiten schafft. Da ist man schon auch dabei.

Einen Punkt muss ich allerdings sagen, wenn ich auf den Außenminister Fischer komme, das muss ich doch noch sagen.

Maybrit Illner: Wenn Sie jetzt auch Madame Illner zu mir sagen, dann dürfen Sie es sagen.

Volker Kauder: Ich sage, liebe Frau Illner. Ich bleibe dabei.

Was Fischer gesagt hat jetzt, ist natürlich etwas anderes als was damals die rot-grüne Regierung gemacht hat. Sie haben durch die Aufweichung des Stabilitätspakts einen entscheidenden Punkt dafür gesetzt, dass die Situation nicht besser geworden ist. Und im Übrigen [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Weil wir die 3,0 nicht gehalten haben. Okay [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Und ich erinnere, nur noch einen Punkt möchte ich sagen. Damals als Griechenland aufgenommen wurde in die Eurozone, haben wir im Deutschen Bundestag dagegen gestimmt und haben gesagt, Griechenland ist noch nicht reif.

Und damals hat die SPD gesagt, Griechenland werde nie zu einem Problem in Europa werden. Jetzt haben wir das Ergebnis.

Andrea Nahles: Herr Waigel hat Italien unter ähnlichen Bedingungen aufgenommen.

Maybrit Illner: Das ist jetzt 11 Jahre her.

Volker Kauder: Griechenland ist [undeutlich] Problem jetzt!

Andrea Nahles: Also, Herr Kauder einmal im Ernst. Sie wissen ganz genau, dass es ökonomische und politische Gründe gab, Griechenland mit aufzunehmen. Und jetzt frage ich Sie einmal zurück.

Glauben Sie, dass die Europäische Union, also ein Europa ohne die Kernländer der Europäischen Union denkbar wäre, und da gehört Griechenland aus meiner Sicht dazu? Es ist in jedem Fall [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Wir haben ja Griechenland nicht aus Europa heraus haben wollen, aber es ist nicht jedes Kernland Mitglied in der Eurozone. Die Engländer sind auch nicht Mitglied der Eurozone.

Andrea Nahles: Das ist mir vollkommen klar. Die wollen auch gar nicht Mitglied werden.

Volker Kauder: Ja, also.

Andrea Nahles: Ich sage Ihnen, die Griechen haben damals geschummelt, und die haben gelogen. Und das geht nicht in einer Gemeinschaft. Aber das hat mit dem europäischen Stabilitätspakt überhaupt nichts zu tun gehabt. Die haben uns einfach beschissen. Und dafür kriegen – ja das ist so, das muss man auch sagen, das ist so nicht in Ordnung.

Trotzdem sage ich, ist es wichtig, dass Griechenland jetzt auch Solidarität erfährt. Und dafür setzen wir uns auf jeden Fall ein. Und da sind wir uns einig.

Volker Kauder: Das erfährt Griechenland auch. Sie setzen sich ein, und wir machen es.

Maybrit Illner: Gut, wir haben gerade noch einmal ganz kurz, bevor wir zu den Banken und den Ratingagenturen kommen, die Frage aufgeworfen, würde ein Schuldenschnitt helfen? Würde es helfen den Griechen, wie es beispielsweise Argentinien, wie es Russland, wie es Polen schon einmal erlebt hat, einen Teil der Schulden zu erlassen, und einen sogenannten Haircut, oder eine Umschuldung zu machen?

Herr Passadakis nickt ganz heftig. Weil Sie das gut finden? Dann wären Sie mit Herrn Schäffler einer Meinung.

Alexis Passadakis: Es gibt ja unterschiedliche Arten wie man so etwas machen kann. Was wir fordern [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Okay, Herr Brüderle hat es auch gefordert in unserer letzten Sendung.

Alexis Passadakis: Das kann sein, aber er hat wahrscheinlich etwas ganz anderes im Kopf, als wir das haben.

Das Attac-Netzwerk, also das europäische Attac-Netzwerk, noch andere Akteure, die fordern, dass es zunächst einmal ein Schuldenaudit gibt, also eine Kommission, die besetzt wird auch durch zivilgesellschaftliche Akteure, und dann demokratisch darüber erstmals befunden wird, welche Schulden liegen eigentlich an, wer sind eigentlich die Gläubiger, und wie sollen diese dann im Einzelfall bedient werden?

Die Dynamik, die ökonomische, weist darauf hin, dass es auf jeden Fall zu einem Haircut, zu einem Schuldenschnitt kommen muss. Und wir sind eben für diesen Schuldenerlass. Die Frage ist aber, wen man dort belastet? Belastet man zum Beispiel auch die griechischen Sozialkassen, oder belastet man eher die privaten Banken? Und wir sind natürlich dafür die Sozialkassen zum Beispiel nicht zu belasten. Also muss sie sehr unterscheiden.

Außerdem ist es auch so, dass es viele Schulden gibt von denen wir sagen würden, dass diese Schulden illegitim sind, weil sie zum Beispiel zustande gekommen sind durch Projekte, bei denen Korruption eine Rolle gespielt hat, weil vielleicht auch deutsche Unternehmen da bestochen haben. Da gibt es eine ganze Reihe von deutschen Unternehmen, Siemens, und Hoch-Tief, die daran beteiligt waren. Und das sind eben keine Projekte gewesen, die der Bevölkerung zugute kam, sondern einer Politikerkaste und Unternehmen. Und da würden wir sagen, dass solche Schulden an sich illegitim sind. Und das ist sicherlich ein großer Teil der Schulden, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Maybrit Illner: Wir können das jetzt an dieser Stelle nicht nachprüfen, und können den Mann von Standard & Poor’s, den Herrn Kraemer fragen, warum Sie eigentlich in der Regel, wenn ich das richtig verstanden habe, für eine solche Umschuldung auch nicht besonders Ihr Herz öffnen, sondern eigentlich gerne sehen möchten, dass es zu einem solchen Schuldenerlass nicht kommt, weil es würde ja große, wichtige Banken schädigen?

Moritz Kraemer: Nein, das ist völlig verkehrt. Wir haben überhaupt keine Präferenz was die Politik angeht.

Maybrit Illner: Sie sind auch unschuldig?

Moritz Kraemer: Was unsere Rolle angeht, ich wiederhole es noch einmal was ich eingangs ja schon erwähnt habe, wir [wird unterbrochen]

Alexis Passadakis: Das haben wir schon gehört.

Moritz Kraemer: Gut ich sage es Ihnen trotzdem noch einmal, weil es nicht angekommen zu sein scheint.

Die Tatsache ist ja, dass die Ratings nicht darüber befinden, welche Politik gemacht werden soll. Wir sind kein demokratisch gewähltes Gremium [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Dann frage ich andersrum. Wie schlimm wäre es, wenn es zu einer Umschuldung käme?

Also, in dieser Sendung saß auch vor einem Jahr Josef Ackermann und sagte, er bezweifelt, dass die Griechen es schaffen werden diese Schulden von 330 Milliarden Euro irgendwann zurück zu zahlen. Das sagte er im Mai des Jahres 2010.

Das heißt, man muss ihnen Schulden erlassen, wenn man möchte, dass sie weiter leben. Wie würde Ihre Reaktion sein?

Moritz Kraemer: Wir bezweifeln das auch, deswegen haben wir ja so ein niedriges Rating.

Maybrit Illner: Ja.

Moritz Kraemer: Und das ist ja genau das was wir machen.

Wir vergleichen nämlich nicht das Land Ecuador mit Griechenland, sondern wir vergleichen wie sicher ist eine griechische Anleihe im Vergleich zu einer luxemburgischen Anleihe beispielsweise, die deutlich sicherer ist, oder auch einer Bundesanleihe. Darum geht es, nicht mehr und nicht weniger.

Wenn ein solcher Schuldenschnitt stattfindet, besteht unsere Rolle darin festzustellen, dass ein Schuldenschnitt stattgefunden hat, eine Zahlungseinstellung, dass die Zahlungen nicht so erfolgen, wie sie vertraglich ausgemacht wurden.

Maybrit Illner: Aber dann wäre Griechenland, wenn so etwas geschehen würde, wenn es beispielsweise eine Abwertung von 40% gäbe, oder einen Schuldenerlass in einer Größenordnung von 40%, dann wäre in Ihren Kategorien Griechenland pleite, also DDD, oder wie sagt man dazu?

Moritz Kraemer: Da sagt man einfach "Default".

Maybrit Illner: Default, ja.

Moritz Kraemer: Was eingangs schon einmal gesagt wurde von einem der Sprecher, die Welt hört ja dann auch nicht auf.

Das griechische Rating ist seit etwas über einem Jahr im sogenannten "non investment grade" Bereich, was in den Medien gerne auch als "Ramschanleihe", oder "Junkbonds" bezeichnet wird. Das ist allerdings keine Begrifflichkeit die wir normalerweise benutzen, selbstverständlich, aber zur Übersetzung hier.

Wenn wir das machen, dann geben wir in der Regel auch eine Einschätzung ein. Falls es zu einer Umschuldung käme, was wäre dann tatsächlich der Haircut?

Und seit April letzten Jahres ist unsere Meinung, die hat sich auch nicht verändert, also wenn es zu einer Umschuldung käme, die aufgrund der Herabstufung nach unserem Dafürhalten wahrscheinlicher geworden ist, denn das ist ja der Ausdruck der Wahrscheinlichkeit, diese Zahlen und Buchstaben die wir verwenden, würde die Umschuldung dazu führen, dass mindestens die Hälfte wahrscheinlich gestrichen werden würde. Das ist aber keine Politikempfehlung.

Maybrit Illner: Okay, sondern eine Einschätzung von Ihnen.

Herr Asselborn, wenn Sie sich die europäische Politik jetzt anschauen, und anschauen welche Varianten von den Hoffnungen, die sich mit Griechenland verbinden wahrscheinlich sind, ist die Hoffnung wahrscheinlich, dass sich viele private Banken von sich aus melden werden, und sagen werden, Freunde, wir haben das dringende Bedürfnis ein zweites Lehman zu verhindern, wir sind wahnsinnig gerne dabei, und hier ist der große Topf, und da geht jetzt unser Geld rein?

Jean Asselborn: Also, ein Wort zu dem, was wir jetzt vorher gesprochen haben.

Ich glaube das sollten wir nicht machen. Und den Menschen in Griechenland trotzdem wieder vorspielen, dass es keinen Weg aus dem Loch gibt. Es muss einen Weg geben, denn wie ich gesagt habe, diese Schicksalsgemeinschaft die muss sich so entwickeln, dass man den Leuten auch in Griechenland Hoffnung machen kann [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Wir haben uns gefragt, kann man die zu Tode sparen? Und wir haben uns gefragt, was wenn sie es nicht schaffen? Das sind theoretische Fragen, das gebe ich Ihnen gerne drein, aber Sie sind, glaube ich, gestattet.

Jean Asselborn: Jetzt hat die Europäische Union sich Instrumente gegeben.

Maybrit Illner: Ja?

Jean Asselborn:Klar. So die Deutschen vor allem haben diese Sache mit den Privatinvestoren, also mit den Privatgläubigern hereingebracht [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Vorgeschlagen, ja.

Jean Asselborn: Vorgeschlagen.

Als ich das zum ersten Mal hörte, habe ich mir gedacht, macht man das jetzt aus Sicht der deutschen Innenpolitik, oder macht man es um den Griechen zu helfen? Und hier muss man die Balance finden.

Wenn, wie die Holländer jetzt schon gesagt haben, die Privaten bereit sind mitzuhelfen, dann müssen sie Garantien kriegen, zum Beispiel dass die Privatisierungsresultate, diese 50 Milliarden, dass diese als Garantie zählen müssen, damit der Privatsektor mitmacht.

Maybrit Illner: Schon wieder auf eine Garantie hinaus!

Jean Asselborn:Das heißt, es gibt auch beim Internationalen Währungsfonds ja diese Wiener Initiative, darauf sollte man arbeiten.

Es gibt auch, glaube ich, eine Möglichkeit die Fristen zu verlängern. Und ich hoffe, dass nach dieser Woche, nach dem Europäischen Rat, dass man da die Weichen gestellt hat. Dass man weiß, was man will. Und dass man diese Debatte über den Privatsektor nicht noch wochenlang voran treibt, denn es geht, noch einmal um es wirklich aus der Seele zu sagen:

Wenn man Griechenland vor sich sieht, und man sieht diese Proteste auch, und man sieht aber trotzdem auch auf der anderen Seite, wie Papandreou, und ich glaube alle Politiker in Europa sehen doch, welche Last dieser Mensch auf seinen Schultern hat, dass man ihm hilft, nicht nur seinen Haushalt zu sanieren, aber auch den Menschen in Griechenland wieder Hoffnung zu machen. Und das ist möglich.

Japan zum Beispiel ist 200% verschuldet. Und ihr, nicht persönlich, aber diese Ratingagenturen sollten vielleicht sich doch weniger fokussieren jetzt auf den Euro, auf verschiedene Euroländer. Ich muss Ihnen [wird unterbrochen]

Moritz Kraemer: Wir machen das, wir haben Japan heruntergestuft, wir haben auch schon die Vereinigten Staaten mit einem negativen Ausblick belegt. Es ist keine Eurozone-Show hier.

Jean Asselborn:Eine kleine Kritik.

Zum Beispiel bei Portugal, jedes Mal in den vergangenen Monaten, wenn Portugal einen Schritt gemacht hat, ist am anderen Tag eine Abstufung der portugiesischen Bonität von den Ratingagenturen gekommen. Und darum plädiere ich dafür, dass wir uns in Europa auch zusammensetzen [wird unterbrochen]

Moritz Kraemer: Das ist gar nicht wahr.

Jean Asselborn: Oh doch, das ist wahr. Uns zusammensetzen und schauen, dass wir auch eine europäische Ratingagentur aufbauen auf privater Basis oder auf staatlicher Basis.

Und diese drei die wir haben, zwei amerikanische und eine kanadische. Gut die Chinesen haben auch eine. Aber Europa müsste doch auch eine Ratingagentur von sich aus [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Können wir noch einmal ganz kurz, damit wir alle wissen, was Herr Kraemer macht. Er hat schon zwei Mal versucht es uns zu erklären, aber wir haben auch noch einmal ein kleines Filmchen was beschreiben soll wie und warum Ratingagenturen eigentlich auf dieser Welt sind.

Reportage über Ratingagenturen:

Wer Geld will vom Kapitalmarkt, braucht eine Bewertung seiner Kreditwürdigkeit, ein Rating. Das gilt für Unternehmen und Staaten.

Drei große New Yorker Agenturen, Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch verteilen Noten. Von Triple "A", das meint einen zuverlässigen stabilen Schuldner hoher Qualität, über plus minus "B", "C" finanzielle Situation unbefriedigend, bis "D", zahlungsunfähig.

Wer so schlechte Noten kassiert wie Griechenland, bekommt am Finanzmarkt keine bezahlbaren Kredite mehr.

Beteiligt an den drei Ratingagenturen sind eben die, die bewertet werden, Banken, Investmentgesellschaften und Unternehmen.

Kontrollen von außen gibt es nicht, und das obwohl die Ratingagenturen als Mitauslöser der Finanzkrise gelten. Denn auch sie können, sagen wir, irren.

Die Bank Lehman Brothers bekam am Freitag dem 12. September 2008 Spitzennoten. Am Montag danach war sie pleite, und die Weltwirtschaft geriet ins Schleudern.

Maybrit Illner: Herr Kraemer, warum sind ihre Bewertungen diese griechischen Anleihen betreffend jetzt glaubwürdiger als die der Lehman Brothers?

Moritz Kraemer: Zunächst war das nicht unser Rating, deshalb kann ich mich dazu nicht äußern, da müssen Sie den Kollegen [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Ich weiß nicht, und das war jetzt auch keine persönliche Frage, sondern eine, sind sie grundsätzlich glaubwürdiger?

Moritz Kraemer: Ja! Wir, das Unternehmen existiert seit 150 Jahren.

Die Glaubwürdigkeit, und die Relevanz für den Markt resultiert daraus, dass die Ratings funktionieren.

Sind Ratingagenturen unfehlbar, oder machen sie manchmal Fehler, wie es hier beschrieben wird? Wir haben tausende, zehntausende von Ratings. Wenn die Frage so trivial wäre, dass man sofort, beim einmaligen Hinschauen, sagen kann, zahlungsfähig-zahlungsunfähig, bräuchten wir nur zwei Ratings, Tripple "A" und Default. Es ist aber viel schwieriger.

Wir dokumentieren öffentlich jedes Jahr die Statistiken unserer Ratings, wie sie funktionieren. Wenn die Ratings funktionieren ist es folgendermaßen, dass Staaten oder Unternehmen mit hohen Ratings weniger wahrscheinlich in eine Zahlungsausfallsituation geraten, als solche mit niedrigeren Ratings. Das funktioniert, das funktioniert.

Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel. Wir haben also Zahlenfriedhöfe, möchte ich einmal sagen, die würden Sie ermüden. Aber beispielsweise Investment Grade, also BBB, oder höher.

Für Staaten mit Investment Grade gilt Folgendes, dass 1% der Staaten mit so einem Rating innerhalb von 15 Jahren zahlungsunfähig werden. Für Non Investment Grade ist die gleiche Zahl 30%. Wir haben also einen ganz klaren Zusammenhang zwischen der Bonitätsbewertung und dem Zahlungsausfall. Das ist eine empirische Beobachtung. Da braucht man nicht darüber zu diskutieren, das sind Fakten. Die sind öffentlich zugänglich, und es funktioniert.

Maybrit Illner: Okay, und dann ist trotzdem die Frage, wie solche Fehler geschehen können, und wie, Frau Nahles, es eigentlich sein kann, dass man – ich frage andersrum.

Was ist für Sie verwunderlicher: dass man offensichtlich mit einer einzelnen Schulnote, sage ich einmal, für ein Land eine derartige Auswirkung erntet? Oder ist es verwunderlicher, dass sich tatsächlich dann auch alle Politiker daran halten, und besser gesagt, der Markt das dann auch glaubt, was da als Einschätzung unterwegs ist?

Andrea Nahles: Ja, ob Sie es wollen oder nicht, sie haben einfach zu viel Macht in den Ratingagenturen. Außerdem werden sie von denen bezahlt, die sie selber bewerten. Das heißt, es gibt keine Unabhängigkeit.

Und deswegen brauchen wir auch mehr Pluralität bei den Ratingagenturen. Deswegen spreche ich mich ausdrücklich auch aus, wie der Kollege aus Luxemburg, für eine europäische, unabhängige, und daher öffentlich finanzierte Ratingagentur.

Und ich denke darüber hinaus, wenn man mehr Regulierungen hätte auf dem Finanzmarkt, bräuchte man weniger diese Ratingagenturen. Wenn man zum Beispiel zumindest eine Kapitalquote festlegen würde von Unternehmen, dann könnte das als Indikator auch dienen. Also es braucht tatsächlich mehr überflüssig machen, diese Ratings.

Und ich kann wirklich nur sagen, dass man nicht wie die Lemminge denen hinterher laufen darf, sie bewerten eben, wie Sie es schon beschrieben haben, in sehr engem Korridor.

Es ist unmöglich, Pakistan ist im Bürgerkrieg. Und ein Land was doch überhaupt nicht vergleichbar ist mit Griechenland, hat aber dieselben, oder sogar noch eine bessere Bewertung. Darauf können wir keine Politik aufsetzen.

Moritz Kraemer: Aber wir vergleichen ja nicht die Länder, wir vergleichen die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Staatsanleihen.

Andrea Nahles: Ja, aber es kommt so rüber, es wird, ja natürlich [wird unterbrochen]

Moritz Kraemer: Ja das kommt so rüber, weil es so im öffentlichen Raum diskutiert wird. Deswegen bin ich auch ganz dankbar, dass wir heute hier die Gelegenheit haben [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Dass Sie heute die Chance haben es uns zu erklären. Wir holen einmal ganz kurz noch die Frage von einem Zuschauer von uns rein. Der möchte nämlich auch diese ganz banale Geschichte erklärt bekommen, wie Ratingagenturen und Banken eben über die Zukunft ganzer Länder bestimmen können.

Wer hat ihnen diese Macht gegeben, und warum? Wissen Sie das eigentlich, warum sie so mächtig sind?

Moritz Kraemer: Zunächst einmal, wir bestimmen nicht über die Schicksale von Ländern. Das ist einfach Unsinn.

Andrea Nahles: Sie verstärken das Problem doch regelmäßig, indem sie [undeutlich] agieren [wird unterbrochen]

Moritz Kraemer: Sie müssen sich die Mühe machen, Frau Nahles, und Ursache und Wirkung einmal betrachten.

Schauen Sie sich Griechenland an. Die griechischen, dieses griechische Rating haben wir zum ersten Mal wann herabgestuft, was glauben Sie? 2004. Das war die Zeit als aus Brüssel und anderswo Stabilitätspakt immer Daumen rauf, alles wunderbar. Das war die Zeit, als die Kapitalmärkte griechische Staatsanleihen und deutsche Staatsanleihen quasi gleich bewertet haben. Die Märkte haben [wird unterbrochen]

Jean Asselborn:Als wir in Europa Eurostat noch immer nicht erlaubt haben zu kontrollieren, Eurostat [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Das stimmt, das ist richtig.

Jean Asselborn: Zu kontrollieren wie in den verschiedenen Ländern mit den Haushaltszahlen umgegangen wird.

Moritz Kraemer: Ja, aber ich möchte nur sagen, erinnern Sie sich dran, wo Sie es zuerst gehört haben.

Maybrit Illner: Ja, trotzdem ist ja nun ein beklagenswerter Fakt, dass wir es eben damit zu tun haben, dass die Länder damit noch viel schwieriger aus der Situation herauskommen, in der sie sind.

Und die Frage ist jetzt natürlich auch, Herr Kauder, ich glaube seit anderthalb Jahren fordert auch Angela Merkel, dass es eine europäische Agentur geben soll, und dass es gut wäre, den international, amerikanisch beheimateten, formulieren wir es einmal so, etwas Europäisches, und gegebenenfalls Objektiveres entgegen zu setzen?

Volker Kauder: Das geht nicht von heute auf morgen, aber ich teile die Auffassung auch.

Allerdings muss eine solche Agentur auch völlig unabhängig sein, so wie die Europäische Zentralbank, sie muss völlig unabhängig sein.

Ich wollte nur noch einen anderen Punkt sagen, damit wir das einmal vielleicht ein bisschen [wird unterbrochen]

Andrea Nahles: Aber Frau Merkel hat doch gesagt, es soll die Wirtschaft die Initiative dafür ergreifen. Das war in einer Pressemitteilung, die ich gelesen habe.

Volker Kauder: Jetzt einen Augenblick einmal, wir diskutieren über eine Stiftungslösung, dass dies also auch unabhängig ist, darüber wird ja gerade gesprochen.

Aber ich wollte nur noch einen anderen Punkt sagen, damit das einmal ein bisschen auch plastischer wird für ganz normale Menschen, die mit den Fragen ja auch streckenweise überfordert sind.

Es sind auch Banken in Deutschland scharf kritisiert worden, weil ihr Risikomanagement nicht funktioniert hat. Also, wir haben in jeder Bank einen Risikovorstand, der muss einschätzen ob eine Kreditvergabe auch tatsächlich geht. Was würden denn alle sparenden Sparer sagen, wenn unsere Kreissparkassen nach dem Motto leben würden: "Es ist völlig wurscht, egal wer Geld will, bekommt es von uns, ob er es zurückzahlen kann oder nicht." Und nachher stehen wir vor der Situation, es geht nicht.

Risikobewertung, Risikomanagement gehört dazu, sonst nimmt jeder sein Geld, und sagt nachher: "Ich kann es nicht zurückzahlen, Pech gehabt" und irgendein anderer soll es dann [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Der Staat hilft mir.

Volker Kauder: Und es kann nicht sein

Maybrit Illner: Der Steuerzahler hilft mir gegebenenfalls.

Volker Kauder: Und es kann nicht sein, das sage ich noch einmal, es geht nicht, dass diejenigen, die Geld verdienen, denen sie Geld ausleihen, kein Risiko haben, und der Steuerzahler trägt das Risiko allein. Das funktioniert nicht.

Maybrit Illner: Dazu kommen wir auch gleich noch einmal. Trotzdem jetzt ein bisschen ein anderes Thema. Herr Kauder, wir kommen darauf gleich noch einmal zurück.

Frage noch einmal an Herrn Kraemer. Die FCC, die amerikanische Börsenaufsicht, erwägt auch zu klagen gegen Ratingagenturen, wegen der Falschbewertungen in der Finanzkrise. Haften Agenturen eigentlich für ihre Urteile?

Moritz Kraemer: Selbstverständlich sind wir nicht in einem haftungsfreien Raum. Und es gibt auch Klagen in Deutschland, auch in den USA, die sind, zumindest nach meinem Kenntnisstand, bisher abgewiesen worden auf Grund der Tatsache, weil es lässt sich leicht sagen, ein Rating ist falsch.

Ich habe es vorhin versucht plastisch zu illustrieren, wie man das definieren kann, ob Ratings jetzt richtig oder falsch sind. Es ist ja eine Meinung über einen Zustand, der erst in der Zukunft [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Der kommen wird [wird unterbrochen]

Moritz Kraemer: ... eintritt, oder eben nicht eintritt.

Maybrit Illner: Hätten Sie etwas dagegen, weil der Tisch scheint sich darauf verständigt zu haben, wenn es eine europäische Instanz ähnlicher Provenienz gäbe?

Alexis Passadakis: Man müsste noch einen Schritt weiter gehen. Wir müssen noch einen Schritt weiter gehen, nämlich gerade bei Staatsschulden.

Das Perfide an diesem System, welches wir haben, ist zur Zeit, dass Staaten sich bei privaten Banken Geld leihen, und diese nun wiederum bekommen dieses Geld zum Beispiel von der Europäischen Zentralbank, und das Rating spielt da natürlich eine ganz, ganz wichtige Rolle für die privaten Banken.

Es wäre doch viel, viel besser, und viel, viel günstiger für die öffentliche Hand, sich das Geld direkt von der Europäischen Zentralbank zu holen, nicht über den Umweg der Finanzmärkte, wo eben höhere Zinsen anfallen, sondern bei den günstigen Zinsen der Europäischen Zentralbank. Und dann würde man die Ratingagenturen aus diesem ganzen Spiel einfach herausnehmen.

Und das wäre auch ein wesentlicher Schlüssel dazu, diese Staatsschuldendynamik zu brechen, weil die Zinsen dann viel, viel niedriger wären. Und das wäre eigentlich der Kern der Diskussionsrunde.

Maybrit Illner: Ich will jetzt nur noch eine Antwort auf die Frage, ob Sie etwas dagegen hätten, wenn es eine solche europäische Instanz gäbe, die gegebenenfalls eben auch eine klarere Heimat ist, vielleicht bei der EZB angegliedert wäre? Können Sie sich das vorstellen?

Moritz Kraemer: Ich kann mir prinzipiell alles vorstellen.

Maybrit Illner: Alles vorstellen! Super, das ist mein Lieblingssatz in dieser Sendung.

Moritz Kraemer: Aber, es ist ja nicht so, dass hier ein monolithischer Block von drei Agenturen, oder Firmen, wie wir es nennen wollen, steht, die immer alle einer Meinung sind.

Wenn Sie sich die Mühe machen, und die Ratings für Griechenland heute anschauen, werden Sie merken, da gibt es drei verschiedene Bewertungen von drei verschiedenen Agenturen.

Maybrit Illner: Die sie unterschiedlich dann eben auch abstimmen, das stimmt. Und da gibt es eben natürlich auch eine Beobachtung des anderen Partners, und da gibt es auch erstaunliche Bewegungen und Solidarisierungen, die der eine so wertet, der andere sich dann dem erstaunlich annähert.

Moritz Kraemer: Aber sehen Sie doch einmal. Wir schauen doch alle auf das gleiche Bild, wir schauen doch alle auf das gleiche Bild [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Ach so, Sie sagen, das ist dann schon Meinungsvielfalt [wird unterbrochen]

Moritz Kraemer: Und die Einschätzung [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Ah, ich verstehe.

Moritz Kraemer: Nein, schauen Sie einmal. Wenn Sie jetzt eine europäische Ratingagentur haben, und da sperren wir uns auch gar nicht dagegen.

Das Thema was hier angesprochen wurde von der Macht, das Thema der Macht, wir stehen dem offen gegenüber. Wir wollen auch, wir sind durchaus, so schwer glaubwürdig das klingt, einer Meinung, dass die Rolle der Ratingagenturen in der Regulierung, es ist ja nichts was wir beantragt hätten. Die Regulierung zum Beispiel was die EZB benutzt [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Wir haben jetzt verstanden, glaube ich, Herr Kraemer.

Moritz Kraemer: Was die EZB benutzt, sie benutzt die Ratings als Regulierung aus dem Grund, weil sie nichts anderes hat, und weil die Ratings funktioniert haben [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Genau, und deshalb wäre es schön, vielleicht übermorgen eine Alternative zu Ihnen zu haben, genau.

Moritz Kraemer: Aber wenn Sie die Alternative haben, die muss ja ähnliche Kriterien ansetzen [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Anlegen wie Sie. Und dann kann trotzdem ein anderes Bild herauskommen, erstaunlicherweise.

Moritz Kraemer: Selbstverständlich, und dann ist es an den Märkten zu entscheiden, welches das glaubwürdigste Rating ist, und welches benutzt werden soll. Es ist Wettbewerb.

Maybrit Illner: Genau, richtig. Und ich wollte Ihnen unbedingt noch einmal etwas zeigen, was in dieser Runde auch schon diskutiert wurde, nämlich der Anteil des Staates, und damit des Steuerzahlers an den Dingen, die ursprünglich einmal private Verschuldungen waren bei Banken, Versicherungen und entsprechenden Fonds.

Es gibt eine wundersame Vermehrung sozusagen des Anteils der EU, des Internationalen Währungsfonds und der EZB, und damit eine wundersame Vermehrung dessen, was der Steuerzahler schlussendlich zu tragen hat.

Herr Kauder, wie erklären Sie eigentlich Ihren Wählern, dass es am Ende so ist, dass wir zahlen, dass der Steuerzahler die Zeche zahlt, ein zweites Mal, ein weiteres Mal?

Volker Kauder: Also, der Steuerzahler bezahlt nicht allein die Zeche, weil wir nämlich darauf großen Wert legen. Es ist nicht Frau Merkel allein, sondern es ist die Koalition, und auch die Opposition formuliert, dass der private Sektor [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Herr Schäffler möchte schon einmal nicht mitmachen.

Volker Kauder: Ja, es gibt Einzelstimmen, aber dass der private Sektor beteiligt wird, und ich kann mich nur darüber wundern, wenn man sagt, es hätte alles viel schneller gehen müssen.

Auf der einen Seite wird gesagt, es muss der private Sektor unbedingt beteiligt werden. Wenn wir aber sofort gesagt hätten, wir helfen Griechenland koste es was es wolle, dann wäre der private Sektor überhaupt nie beteiligt worden. Und das kann ich nur sagen, das geht auf keinen Fall.

Wer Risiko eingeht am Markt um Geld zu verdienen, der muss auch dann damit nachher rechnen, dass er für das Risiko haftet. Und es kann nicht immer nur der Steuerzahler haften.

Jean Asselborn: Herr Kauder, ich müsste jetzt aber noch einen Satz sagen zu der Schuld.

Wissen Sie, dass bis jetzt kein Deutscher, kein Luxemburger und kein Franzose einen Cent ausgegeben hat für Griechenland. Die Franzosen, die Holländer, die Luxemburger, die Deutschen, die leihen Geld für ungefähr 3%, und die Griechen zahlen 5%. Das heißt, [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Hatten wir in der letzten Sendung, auch Deutschland verdient noch dabei!

Jean Asselborn:Zur Zeit kommt sehr viel, aus Griechenland. Die zahlen auch pünktlich wie die Deutsche Bahn, Griechenland. Bis jetzt, muss man sagen, das funktioniert. Und darum müssen wir auch auf diesem Gebiet ein wenig in uns hineingehen, und schauen, und fragen, ob das richtig ist [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Bei der Wahrheit bleiben. Und trotzdem interessiert mich noch die Frage des Steuerzahlers.

Wie verhindert man, wie vermeidet man bei den Bürgern dieses Landes den Eindruck, dass die Gewinne privatisiert werden, und die Schulden immer sozialisiert werden?

Andrea Nahles: Indem man zum Beispiel die privaten Gläubiger über, und das löst übrigens keine negative Kettenreaktion aus, eine Spekulantensteuer auf ausserbörslichen und börslichen Spekulationen mit in Haftung nimmt. Und hier wurde die Ankündigung der Bundesregierung nicht eingelöst.

Jetzt höre ich wieder eine Ankündigung von Frau Merkel und, Herr Kauder, sie wollen etwas tun. Was wird dabei am Ende herauskommen? Und das merken die Leute zunehmend. Hier hangelt sich die Frau Merkel von einer Ankündigung zur anderen. Es kommt aber unter dem Strich nichts heraus.

Und deswegen, ich glaube, Frau Merkel muss reinen Wein einschenken den Deutschen, und denen sagen, die Europäische Union ist ein hohes Gut, es ist die beste Idee, die wir Europäer je hatten. Und wir brauchen wahrscheinlich weiteres Geld. Aber dann, das finde ich sehr wichtig, dann muss man das auch ganz offen sagen, und nicht so tun als ob man jetzt das letzte Paket schnürt, und dann ist alles erledigt. Sondern dann muss man auch sagen, aber man braucht dafür ein Gesamtkonzept, man braucht eine Idee, wo man hin will.

Und mit Verlaub, momentan fehlt mir bei Frau Merkel ganz entscheidend diese Grundidee, wo will Sie eigentlich hin? Sie sagt immer nur, das was gerade sich so in Europa insgesamt ergibt, aber Sie führt nicht. Und das macht die Leute mittlerweile mürbe. Die sind durchaus, die Deutschen, auch zur Solidarität mit den Europäern insgesamt, auch den Griechen bereit. Aber sie wollen wissen, was es sie kostet. Sie wollen auch wissen, was hilft es wirklich, und nicht nur kurzfristig. Und das ist Frau Merkel den Deutschen bisher schuldig geblieben, diese Antwort.

Volker Kauder: Das stimmt überhaupt nicht.

Maybrit Illner: Ich muss Ihnen, Herr Kauder [wird unterbrochen]

Volker Kauder: Sie hat im Deutschen Bundestag mehrfach erklärt was wir machen [wird unterbrochen]

Andrea Nahles: Sie haben ständig Widersprüchliches erklärt im Bundestag, Entschuldigung.

Volker Kauder: Nein, jetzt muss ich einmal sagen, wir müssen auch reagieren. Die Griechen haben auch in der Krise zwei Mal wieder falsche Angaben gemacht. Deswegen haben die Fakten nicht gestimmt, da hat man wieder reagieren müssen. Und das was Sie vorhaben, ist einfach den Griechen Geld geben, Euroanleihen aufnehmen [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Gut, das ist jetzt hier eine kleine Taschenrechnerauseinandersetzung.

Jean Asselborn:Aus luxemburgischer Sicht hat es noch keinen Deutschen, und keinen Luxemburger etwas gekostet. Das sollen wir nicht vergessen.

Maybrit Illner: Und wir sollen es nicht vergessen, und das tun wir nicht.

Und ich würde noch gerne einen produktiven Gedanken in diese Sendung steuern, und der kommt jetzt von diesem Mann, von Christoph Paulus nämlich, immer wieder. Er ist Insolvenzrechtler, kennt sich mit einem Zustand aus, den wir alle eigentlich nicht besonders mögen. Sie studieren den gar, und machen Menschen schlauer in Bezug auf dieses Gebiet.

Momentan hat man das Gefühl, immer noch ist alles möglich mit Griechenland. Es kann gut sein, dass es zu dieser Umschuldung kommt. Es kann gut sein, dass wir Griechenland retten mit all diesen Unterstützungsmilliarden, und am Ende irgendwie doch einigermaßen gesund aus dieser Krise kommen. Aber es könnte auch eine Insolvenz geben.

Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass es zu einem solchen Zustand käme, ist es für ein Unternehmen ein juristisches Verfahren, es ist für eine Privatperson ein entsprechendes juristisches Verfahren. Aber was passiert eigentlich, wenn ein Staat nicht mehr zahlen kann?

Christoph Paulus: Bislang haben wir da überhaupt keine Lösung. Zuerst übrigens einmal guten Abend, Madame Illner, wenn ich das sagen darf.

Zum zweiten, das ist ein Pluspunkt den ich mir gerne geholt habe, zum dritten, da haben wir natürlich bislang noch überhaupt keine Lösung dafür. Die Geschichte der Pleitegänger und deren Schaden ist 500 Jahre alt mindestens, wahrscheinlich sogar noch älter. Da gibt es immer ad hoc-Lösungen dazu.

Also, es bricht ein Chaos aus, und der Vorteil eines juristischen Verfahrens ist eben, dass eben in einem Chaos eine Struktur hineingebracht wird, und die fehlt bislang.

Und der Unterschied zwischen einem Unternehmens- oder Privatleuteinsolvenz und einer Staatsinsolvenz ist, gibt es jede Menge Unterschiede. Aber der wesentliche Unterschied, oder die beiden wesentlichen Unterschiede sind, es gibt keinen Insolvenzverwalter, also es wird um Himmels willen keiner nach Griechenland geschickt, ein deutscher Kommissar der hingeht, und sagt, jetzt Griechen, ihr macht einmal das, ihr arbeitet einmal ein bisschen länger, oder ein paar weniger Feiertage oder so etwas. Um Himmels willen so etwas nicht.

Und zum Zweiten, es gibt keine Liquidation. Sie haben in der letzten Woche das Beispiel gebracht, ob irgendwelche Säulen von der Akropolis gekauft werden sollen. Also es steht überhaupt nicht zur Debatte. Das ist ein ganz großer Unterschied.

Maybrit Illner: Wenn wir aber, und Politiker, auch der deutschen Regierung tun das ja nach wie vor, von einer Umschuldung sprechen, oder eben auch den Erlass eines Teils dieser irrsinnigen 320 Milliarden Schulden, die Griechenland angesammelt hat, reden wir dann darüber, dass Griechenland also diese Schulden nicht mehr bezahlen könnte, und also insolvent wäre?

Christoph Paulus: Der faktische Befund ist der gleiche. Das ist so was wir im Insolvenzrecht als common pool-Problem bezeichnen. Das ist ein Pool, und der reicht halt nicht aus, um alle Gläubiger zu befriedigen. Und das ist das Gleiche bei einer Privatperson, wie beim Unternehmen, wie beim Staat.

Maybrit Illner: Ja. Momentan ist Griechenland ja der Spielball zwischen französischen Interessen, deutschen Interessen, europäischen Interessen, IWF-Interessen. Würde ein solches Recht eben auch helfen, diese verschiedenen, gegebenenfalls sehr willkürlichen Einflussnahmen zu unterbinden?

Christoph Paulus: Absolut. Da wäre eine Verfahrensstruktur vorgegeben. Und noch einmal, das ist der ganz große Vorteil eines juristischen Verfahrens, dass dann eben die Abfolge der Schritte vorgegeben ist.

Also dieses hin und her spielen, und schaukeln, das gäbe es dann eben nicht, sondern man müsste sich von einem zum anderen Schritt vorwärts handeln. Und die Möglichkeit besteht!

Maybrit Illner: Und wir haben vergleichbare Fälle. Darüber sprachen wir hier am Tisch auch schon, vergleichbare Fälle in der Geschichte gehabt. Argentinien beispielsweise mit einer Pleite, Russland und Polen. Wie groß war [wird unterbrochen]

Christoph Paulus: Deutschland.

Maybrit Illner: Deutschland, es stimmt, wollen wir nicht vergessen. Wie groß war da jeweils der Verlust in einer solchen Insolvenz?

Christoph Paulus: Also das sind natürlich jetzt statistische Größe, aber einmal Pi mal Daumen gesagt, so irgendwas zwischen 40% und 50% wird das wohl jeweils gewesen sein.

Maybrit Illner: Gäbe es ein solches europäisches Insolvenzrecht recht bald, könnte es dann anderen Wackelkandidaten wie Portugal, oder wie Spanien, oder wie Irland, gegebenenfalls helfen?

Christoph Paulus: Möglicherweise, das hängt davon ab wie schnell man reagieren würde, weil es gibt keine Rückwirkung.

Also, das was mir vorschwebt ist eben durch vertragliche Vereinbarungen etwas herbeiführen, und sobald die Verträge geschlossen sind, ohne dass eben ein Verweis auf so ein Verfahren da ist, dann wird es schwierig.

Mit der Folge, dass das, was mir vorschwebt, mein Vorschlag den ich unterbreite, der ist verbunden, der ist verknüpft mit dieser Idee, dass ab 2013 in allen Anleihen, Euro-denominierten Anleihen, dass dort die sogenannten Collective Action Clauses sein sollen, also diese Umschuldungsklausen. Und da ist mein Plädoyer eben, dass noch eine Zusatzklausel eingeführt werden soll, die eben abzielt auf die Durchführung eines solchen Verfahrens.

Man könnte jetzt im Vorgriff auf ein solches Verfahren, was ganz einfach herzustellen wäre, schon Griechenland dazu nutzen, gewissermaßen als Testdrive, das einmal durchzuführen.

Maybrit Illner: Ja, okay, also dieses Recht könnte schon helfen. Sie sind ein Wissenschaftler, und Wissenschaftler soll man eigentlich nicht nach politischen Einschätzungen fragen, ich tue es trotzdem.

Wenn Sie sich noch einmal anschauen wie Europa da gerade agiert, glauben Sie, dass diese Politiker sich am Ende wirklich durchringen werden, altruistisch, also tatsächlich solidarisch diesem Land zu helfen, oder werden sie weiter mit den Taschenrechnern unterwegs sein?

Christoph Paulus: Jetzt wäre ich gerne in der glücklichen Lage des luxemburgischen Außenministers, dass ich sagen könnte, in diesem Lande will ich mich jetzt nicht schlecht äußern.

Nein, ich glaube natürlich nicht, dass man zu irgendeinem Resultat kommt, einem anderen Resultat kommt, als zu dem, am Schluss muss ein Schuldenschnitt da sein. Die Situation ist nach meiner Einschätzung dermaßen verfahren, es geht ohne Schuldenschnitt, den harten Schuldenschnitt geht es gar nicht.

Maybrit Illner: Sagt Christoph Paulus, Insolvenzrechtler. Wir freuen uns, dass wir Sie bei uns haben.

Und noch eine zarte Frage an meine Gäste zur Linken und zur Rechten. Und ich ahne, die Antwort ist aber ziemlich eindeutig. Warum haben wir eigentlich kein Insolvenzrecht, und wann werden wir es haben, Herr Kauder?

Volker Kauder: Wir sehen die beide im neuen System des ESM. Bei dem Europäischen Stabilitätsmechanismus sind diese Dinge drin, die werden ab 2013 gelten. Diese CACs [wird unterbrochen]

Maybrit Illner: Manchmal mag ich auch kurze Antworten ehrlich gesagt.

Volker Kauder: ... und deswegen, wir haben bisher eine solche Situation nicht kommen sehen, und deswegen machen wir auch jetzt ein Verfahren für einige [undeutlich] Umschuldungen, oder Insolvenz, wie es gerade gesagt wurde.

Maybrit Illner: Europäisches Insolvenzrecht?

Andrea Nahles: Am besten gestern.

Maybrit Illner: Herr Passadakis?

Alexis Passadakis: Das ist eine alte Forderung von Attac, dass es ein solches Insolvenzrecht gibt.

Maybrit Illner: Was sagen eigentlich die Luxemburger dazu?

Jean Asselborn: Es gibt keine Insolvenz, also brauchen wir auch kein Insolvenzrecht in Griechenland.

Maybrit Illner: In Griechenland, okay. Und Herr Kraemer?

Moritz Kraemer: Dieses Thema kommt immer auf, wenn es zu solchen Situationen kommt.

Wir hatten das in Lateinamerika auch. Wenn die Krise vorbei ist, die Umschuldung ist vorbei, verschwindet das Thema wieder wunderlicherweise, und hinterher ist man wieder genau da, wo man vorher auch war. Ich bin da nicht sehr optimistisch.

Maybrit Illner: Dann machen wir einen neuerlichen Versuch. Ich darf mich ganz herzlich für diese Diskussion heute Abend bedanken.

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