Jean Asselborn au sujet de l'Afghanistan

Sandra Schulz: Es sind Meldungen, die diese Woche fast in den Hintergrund zu geraten drohten nach dem schweren Luftanschlag im Norden Afghanistans Ende letzter Woche. Es geht um die Ergebnisse nach den Wahlen in Afghanistan und die Manipulationsvorwürfe die in der Welt zirkulieren. Nach den letzten Auszählungen macht der bisherige Präsident Karzai immer mehr an Boden gut. Gleichzeitig spricht die Beschwerdekommission von klaren und überzeugenden Beweisen für Betrug. Was heißt all das vor dem Hintergrund der Diskussion der vergangenen Tage über den Luftangriff für die Perspektive des Landes. Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit dem Außenminister von Luxemburg. Guten Morgen Jean Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen, Madame.

Sandra Schulz: Schwere Manipulationsvorwürfe stehen jetzt also im Raum gegenüber dem Lager des Präsidenten Karzai. Ist es richtig diesen Mann weiter zu stützen?

Jean Asselborn: Also wir müssen mit äußerster Vorsicht vorgehen. Ich glaube die internationale Gemeinschaft hat es ermöglicht, dass Wahlen in Afghanistan stattfinden konnten. Wir haben Sicherheit garantiert und auch sehr viel Geld investiert. Und, dass die Wahlen stattgefunden haben ist ja ein positives Zeichen. Es war sogar eine Art Wahlkampf aufgekommen. Jetzt, vor diesem Resultat, haben Sie ganz Recht: man muss sehr, sehr vorsichtig sein. Dieses Resultat muss Akzeptanz erreichen. Wenn ein neuer Präsident und eine neue Regierung in Afghanistan installiert werden, muss diese Regierung nach innen wie nach außen legitimiert sein.

Sandra Schulz: Und wie soll das gehen mit den Vorwürfen die in der Welt zirkulieren?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass die afghanische Kommission ja ganz klar ihre Meinung hat. Aber darüber hinaus gibt es eine UNO-Kommission die von einem Kanadier präsidiert wird. Und hier muss es Übereinstimmung geben in der Herangehensweise und der Beurteilung der Unregelmäßigkeiten. Es kann nicht sein, auch was Morient sagt, er ist ja der Kopf der europäischen Beobachter, dass das in den Wind geschlagen wird. Wenn diese hohen Unregelmäßigkeiten bestanden haben, müssen sie in das Resultat auch eingetragen werden. Und wenn es notwendig ist, ich sage wenn es notwendig ist, ich weiß das ja nicht, da mache ich der internationalen Kommission vertrauen, eine zweite Runde zu organisieren, dann muss das gemacht werden.

Sandra Schulz: Und was wäre die Konsequenz wenn es da keine Übereinstimmung gäbe? Karzai will im Moment von diesen Vorwürfen ja nichts wissen.

Jean Asselborn: Das kann ich mir nicht vorstellen. Jeder in Afghanistan weiß, dass in verschiedenen Provinzen, verschiedenen Dörfern 25, um das mal so zu sagen, Wähler eingeschrieben waren und es waren 20.000 Wahlzettel in den Urnen, das ist bewiesen worden. Das ist von den zuständigen Kompetenzen und internationalen Persönlichkeiten ist das ganz klar so gesagt worden. Dem muss auch Präsident Karzai, sowie jeder andere auch in Afghanistan, dem Rechnung tragen. Wenn wir keine Akzeptanz dieser Wahl haben, wenn kein legitimer Präsident und Regierung an der Spitze ist, weiß ich nicht wie wir das fertig bringen sollen, auch international, Solidarität mit dem afghanischen Volk aufrecht zu erhalten.

Sandra Schulz: Also müsste schlimmstenfalls auch Druck ausgeübt werden auf Karzai?

Jean Asselborn: Ganz klar.

Sandra Schulz: Nach dem schweren Luftanschlag ist der Einsatz der ISAF als solcher ja neu in der Debatte, weil Wahlkampf ist. Aber auch weil die Frage immer lauter wird welche Perspektive der Aufbau des Landes, der Aufbau der Demokratie dort überhaupt hat. Was ist Ihre Antwort?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass wir uns hier eine klare Linie geben müssen. Mein Kollege Steinmeier hat im August schon von diesem Plan geredet, den wir jetzt konkretisieren müssen. Wenn die neue Regierung installiert ist, wenn der „Afghan Compact“, das heißt der Aufbau von Afghanistan, der im Januar 2006 beschlossen wurde in London, wo diese PRTs, diese provinziale Wiederaufbauprojekte, beschlossen wurde, der läuft aus 2010. Es muss auf militärischem, wie auch ökonomischem, auch rechtstaatlichem Niveau mit der neuen Regierung geredet werden und neue Verpflichtungen eingegangen werden. Es kann nicht ein „Weiter so“ geben. Das Ziel ist, erstens, die Afghanisierung und die Sicherheit in dem Land voranzubringen und eines Tages zu erreichen, dass Afghanistan selbst für seine Sicherheit sorgen kann, und zweitens, dass man da, was wir ja haben im Rahmen der UNO, eine funktionsfähige Infrastruktur als internationale Gemeinschaft in Afghanistan hat, welche auch funktionieren kann, um beim Wiederaufbau zu helfen.

Sandra Schulz: Neue Verpflichtungen auch für die Bündnispartner. Wird, sobald die Bundestagswahl vorbei sein, es eine neue Forderung geben an Deutschland mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken?

Jean Asselborn: Also ich glaube, dass die Amerikaner in den nächsten, sagen wir mal, 2 Jahren, wenn Präsident Obama sich zur Wiederwahl stellt, daran gemessen werden, was in Afghanistan geschehen ist. In den nächsten 2 Jahren wird, jedenfalls aus amerikanischer Sicht, sehr viel investiert werden und sehr viel Anstrengung gemacht werden in Afghanistan, einerseits mehr Sicherheit und andererseits mehr Wiederaufbau auch konkretisieren zu können. Sie wissen, dass die Europäer ja ihre starke Seite beim, sagen wir mal, Softpower haben und, dass wir Europäer wirklich auch besser vielleicht als die Amerikaner uns investieren können in den Wiederaufbau. Das wird glaube ich vorrangig sein. Ob die Amerikaner, es soll ja eine Konferenz jetzt organisiert werden in den nächsten Monaten, ob die Amerikaner von den Europäern mehr militärische Präsenz verlangen, das ist eine Frage die ja nicht erst seit heute im Raum steht, aber ich glaube es gibt keine 7 Wege. Wenn wir den Wiederaufbau realisieren wollen, müssen wir natürlich auch die Sicherheit auf einem sehr hohen Niveau halten.

Sandra Schulz: Und viele sehen den Wiederaufbau ja diskreditiert durch den Luftangriff in der vergangenen Woche. Es kam harsche Kritik recht schnell von europäischen Partnern, auch von Ihnen. Sie wurden mit den Worten zitiert, Sie verstünden nicht, dass Bomben einfach so schnell abgeworfen werden könnten. Wären die Taliban nicht fast schon am Ziel wenn sich die NATO jetzt selbst zerfleischte?

Jean Asselborn: Also, wissen Sie was mich angeht, das war eine sehr, sehr spontane Reaktion auf Grund von Bildern, die ich gesehen habe, wo viele Opfer waren, wo ein NATO-Flugzeug Bomben abgeworfen hatte. Ich habe spontan, wirklich weniger als Politiker denn als Mensch reagiert. Ich habe gefragt, ob es in der NATO Regeln gibt, die eingehalten werden müssen. Jedes zivile Opfer ist eines zuviel. Das Bild, das wir als NATO, als internationale Gemeinschaft abgeben, ist das das Richtige wenn wir eine Stunde danach darüber reden wollen, wie wir uns als europäische Union einbringen können um Afghanistan wieder aufzubauen? Es war aber überhaupt, glauben Sie mir das, keine Absicht von mir irgendwie speziell Deutschland zu treffen. Denn zu diesem Zeitpunkt wusste ich überhaupt nicht, dass Deutschland impliziert ist. Es war, man braucht da nichts oder man sollte aus meiner Sicht jedenfalls nicht zu viel Hintergedanken da entwickeln. Ich habe sehr viel Respekt vor allen Militärs, die da sind, auch dem deutschen Militär. Luxemburg hat auch Soldaten vor Ort. Ich weiß wie viel da geleistet wird, wie schwer es ist. Aber was wichtig ist, ist ja jetzt, dass zu diesem Vorfall die Untersuchung aufklären wird was die genauen Hintergründe sind und, dass man dann auch, wenn ich so sagen darf, das ist vielleicht fatal oder banal es zu sagen aber, dass man dann daraus die richtigen Konsequenzen ziehen kann.

Sandra Schulz: Herr Asselborn, über diese Konsequenzen müssen wir sprechen. Denn der Vorfall liegt ja jetzt schon eine knappe Woche zurück. Es liegen die ersten Untersuchungsergebnisse vor. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, unter Berufung auf NATO-Kreise, dass der deutsche Oberst seine Kompetenz überschritten habe und die Lage falsch eingeschätzt hat. Das soll aus einem vorläufigen Bericht der ISAF-Truppe hervorgehen. Wenn das stimmen würde, was hieße das?

Jean Asselborn:Also, ich bin Politiker und ich bin kein Spezialist in diesen Militärfragen. Ich weiß inzwischen seit ein Paar Tagen, dass es Regeln, ganz strikte Regeln gibt. Ob die eingehalten wurden oder nicht, ob Fehler begangen worden sind oder nicht, das ist nicht an mir das zu beurteilen. Ich bin überzeugt, dass diese internationale Kommission die eingesetzt wird von der NATO, dass die wirklich transparent und sehr schnell zu Schlussfolgerungen kommt und, dass man auch die richtigen Schlussfolgerungen zieht, damit solche Vorfälle sich nicht mehr zu wiederholen brauchen.

Sandra Schulz: Gleichzeitig zeichnet sich ja schon ab, dass es viele Unsicherheiten, viele Ungewissheiten gibt die sich vielleicht auch nicht mit letzter Gültigkeit werden klären lassen. Wie sollen die Bündnispartner mit dieser Unsicherheit denn umgehen?

Jean Asselborn: Ja, also auch hier: es ist natürlich ein Spagat, der fertig gebracht werden muss. Einerseits verstehe ich, und ist das ja auch nicht anders möglich, dass die Länder die Soldaten vor Ort haben, Truppen vor Ort haben, dass diese Truppen beschützt werden müssen. Andererseits, und das ist jetzt auch wieder keine Frage mit Hintergedanken die ich stelle, aber eine Frage die man sich als normal-tickenden Mensch stellt: wenn wir um den Aufbau von Afghanistan auf die richtige Schiene zu bringen bombardieren müssen und dadurch auch Zivilopfer treffen, dann ist das natürlich ein äusserst, äusserst schwieriges Unterfangen. Darum glaube ich, und das ist ja das Ziel was wir anstreben, um es einmal ganz, sagen wir mal, forsch zu sagen: gewonnen hat die internationale Gemeinschaft aufgrund des Mandats der UNO in Afghanistan erst dann, wenn eines Tages die Taliban in der Regierung sind, in Kabul. Das heißt wenn sie akzeptieren sich zu Fragen zu stellen, wenn sie akzeptieren die Rechtstaatlichkeit anzuerkennen. Wir haben verloren wenn wir Afghanistan verlassen und Tags danach das Terrorregime, was wir gekannt haben, überhand bekommt.

Sandra Schulz: Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn heute Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte Frau Schulz.

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