"Europa vor fundamentaler Richtungsentscheidung", Jean Asselborn au sujet des postes créés par le traité de Lisbonne.

Luxemburger Wort: Herr Außenminister, der Lissabon-Vertrag wird nun bald Realität. Was bedeutet das konkret für die Rolle kleinerer und mittlerer Länder, insbesondere für Luxemburg?

Jean Asselborn: Voraussichtlich zum kommenden 1. Dezember werden wir an dem Ziel angelangt sein, zu dem wir uns im Dezember 2001 auf den Weg gemacht haben. Es wäre schade, wenn das Erreichte hinter einer Diskussion um Personen und Köpfe verborgen bliebe. Wirklich kann Europa den Bürger nur dann für sich gewinnen, wenn es sich als fähig erweist, auf sozialpolitischer Ebene zu überzeugen und jenen humanen und fortschrittlichen Anspruch nach innen zu vermitteln, den es nach außen hin darstellt. In der Perspektive des Lissabon-Vertrages wird es nun von entscheidender Bedeutung sein, welche Ausrichtung sich Europa selbst für die Verwirklichung seiner Ziele gibt, wieviel mehr Europa es selbst will.

Luxemburger Wort: Dies wird wohl doch gerade von den Personalentscheidungen abhängen, die übermorgen bei dem informellen Treffen der EU-Staatsund Regierungschefs abgesegnet werden sollen, oder?

Jean Asselborn: Genau. Zwei Konzeptionen stehen sich gegenüber. Es wird sich entscheiden, ob wir auf eine intergouvernementale Arbeitsweise hinsteuern, die eine Dominanz nationaler Interessen und damit implizit der großen Länder beinhaltet, oder ob sich die Überzeugung einer gemeinschaftlichen, integrativen Methode durchsetzt, wobei nationale Interessen in europäische Interessen einfließen. Luxemburg hat sich stets für die zweite Option eingesetzt, für Strukturen, um die Gleichberechtigung und -behandlung aller zu gewährleisten. Europa ist eine komplizierte Angelegenheit, in seiner legislativen und exekutiven Funktionsweise nicht vergleichbar mit den Strukturen eines Nationalstaates. Der künftige EU-Präsident wird nicht der Präsident Europas sein, sondern Vorsitzender des Europäischen Rates. Ansonsten wäre eine noch viel tiefer integrierte EU nötig, an die nicht so schnell zu denken ist. Allerdings erscheint es mir elementar, dass der künftige ständige Präsident des Europäischen Rates jene gemeinschaftliche Methode verkörpert, die auf interne Kohäsion und Solidarität hinsteuert, die politische Kohärenz fördert und starke Impulse zeitigt. Ein Präsident, der nicht wie ein Leuchtturm nach außen leuchtet und repräsentiert, sondern wie ein Schmied nach innen für Einigung und Kohärenz sorgt, zusammenschweißt.

Luxemburger Wort: Jean-Claude Junckers Chancen auf das Amt hängen also von dieser Richtungsentscheidung ab?

Jean Asselborn: In der Tat, nämlich davon, was in den Köpfen der Großen derzeit vorgeht, auf welches Konzept hinter welchem Namen man sich einigen wird, wobei manche Überlegungen, bezüglich politische Balance, regionales Gleichgewicht, in die Waagschale hineinkommen. Ich bedauere, dass nur die Benelux-Länder es fertigbrachten, ein gemeinsames Positionspapier über das Profil des künftigen EU-Präsidenten vorzulegen. Ich denke, dass dieser Vorschlag die am meisten europadienliche Lösung darstellt, und wäre natürlich froh und stolz, wenn die Wahl schließlich auf den Luxemburger Regierungschef fallen sollte. In seinem politischen Wirken stand und steht Jean-Claude Juncker für das gemeinschaftliche Europa. Bei Abwägung aller für uns wichtigen Kriterien, sollte der erste Vorsitzende des Europäischen Rates, so wie es auch in der Debatte im Konvent gewünscht wurde, aus einem kleinen oder mittleren EU-Land kommen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es der schwedischen Präsidentschaft gelingen wird, für das Treffen am Donnerstag konsensfähige Vorschläge für die Posten des EU-Präsidenten und des hohen außenpolitischen Repräsentanten vorzulegen.

Luxemburger Wort: Was würde das bedeuten?

Jean Asselborn: Dass eine Lösung im Konsens angestrebt und spätestens beim EU-Gipfel im Dezember vorgelegt wird.

Luxemburger Wort: Wird die EU-Außenpolitik künftig mit einem gemeinsamen Hohen Repräsentanten nun unkomplizierter, vor allem kohärenter?

Jean Asselborn: Dass Europa nicht immer mit einer Stimme spricht, ist gewusst. Das kann nun mit einem Hohen Repräsentanten für die Außenpolitik besser werden, man darf aber nicht verkennen, dass ein Konsens der Länder bei der Mandatvergabe nach wie vor Voraussetzung bleibt, wobei diese oft unterschiedliche außenpolitische Agenden verfolgen.

Dernière mise à jour