Jean Asselborn au sujet de la situation en Libye

ARD: Luxemburg soll sich vorgestern mit Guido Westerwelle ein lautstarkes Wortgefecht geliefert haben, es geht darum, dass Jean Asselborn, der dienstälteste Aussenminister der EU nicht versteht warum Deutschland nicht mitmacht. Wir sind jetzt mit ihm verbunden und sagen guten Tag nach Berlin, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Tag Madame.

ARD: Sie haben Herrn Westerwelle gehört und seine Position nochmals gehört. Was verstehen oder akzeptieren Sie daran nicht?

Jean Asselborn: Ich bin Gast in Berlin und will mich hier natürlich nicht verletzend äußern. Ich will nur sagen, dass Gaddafi ein Diktator ist der sein Volk ächtet und auf sein Volk schießt. Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft ist klar. Das Mandat der Resolution 1973 der UNO zeigt, dass die internationale Gemeinschaft bereit ist Gaddafi zu stoppen damit keine weiteren Menschen massakriert werden und um das Leben der Libyer zu schützen. Ich als Europäer hätte mir gewünscht - das sage ich ganz frei aus dem Herzen - dass die 4 europäischen Länder, die im Sicherheitsrat momentan vertreten sind, mit einer Stimme gesprochen hätten. Wir haben das auch versucht, haben das aber nicht fertig gebracht. Sie wissen, Portugal, England, Frankreich, haben mit "Ja" gestimmt, Deutschland hat sich enthalten. Ich respektiere die Abstimmung der Deutschen Regierung. Das habe ich zu akzeptieren. Was für mich ein wenig schwierig ist, ist wenn man diese Position jetzt zu sehr "amplifiert", also zu sehr verstärkt. Es gibt nicht ausschließlich diejenigen, die sich engagieren um die Resolution 1973 umzusetzen. Diese dürfen jetzt nicht dargestellt werden als Krieger, während die anderen die "Humanitären" sind, die Sanitäter. Das wäre so als würde man sagen, das eine sind die Bösen, das andere sind die Guten. Wir müssen wissen, dass ohne Engagement auf Grund der Resolution 1973 um in Libyen Gaddafi zu stoppen eigentlich keine humanitäre Hilfe nötig wäre, denn dann bräuchte man eigentlich nur die Toten zu zählen und Gaddafi hätte genau das fertiggebracht, was er will, nämlich sein Volk weiter knechten. Darum muss man hier sehr gut aufpassen, wie man das artikuliert. Die internationale Gemeinschaft führt einen Krieg, so wie man Kriege führt gegen zum Beispiel den Drogenhandel, den Menschenhandel. Aber es ist ein Krieg für das Leben und das Recht auf Leben der Libyer. Und da sollte eigentlich die Europäische Union sehr geschlossen zusammenstehen und ich hoffe, dass das heute hier bei der NATO auch zum Ausdruck kommt.

ARD: Herr Asselborn, Sie haben gesagt, Sie sind zu Besuch jetzt in Berlin, sind dementsprechend nett. Ihr Zitat von vorgestern war, ohne Militäreinsatz gäbe es keinen mehr dem Herr Westerwelle humanitäre Hilfe schicken könnte. Um es einfach mal klar zu sagen, was würden Sie sich denn jetzt von Deutschland, in dieser Situation wünschen?

Jean Asselborn: Zu allererst wünsche ich mir, dass in der europäischen Außenpolitik verstanden wird, dass es nicht gut ist für Deutschland, nicht gut ist für die Europäische Union, wenn die 3 großen nicht auf einer Linie sind. Das heißt nicht, dass sie keine Differenzen haben können. Aber bei solch kapitalen Fragen, wenn sie da nicht auf einer Linie sind, das ist schlecht glaube ich für das Land, was diesen Weg einschlägt und das ist auch schlecht für die Europäische Union.

ARD: Warum ist das schlecht?

Jean Asselborn: Es ist schlecht, weil man als Europäische Union immer die Werte verteidigt im internationalen Recht. Wir setzen uns für die Menschlichkeit ein und setzen uns für die Menschenrechte ein. Dass wir in dieser kapitalen Frage nach dem Votum, welches stattfand im UNO-Weltsicherheitsrat, dass wir da nicht auf einer Linie zusammen uns anstrengen konnten, das ist schlecht! Wir dürfen nicht unsere Differenzen suchen. Man darf nicht immer sagen oder gar wiederholen "Wir beteiligen uns nicht an einem Krieg". Diejenigen, die sich an einem Krieg beteiligen – ich sage es noch einmal – setzen sich ein für das Leben der Menschen in Libyen. Dass Deutschland jetzt mitmacht ist ein Fortschritt, das finde ich gut. Das soll man auch unterstützen, aber man soll jetzt schauen, dass beide Seiten, diejenigen die sich engagiert haben, die es sehr schwierig haben, und diejenigen, die bereit sind humanitär zu helfen, dass alle an einem Strang ziehen. Es gibt da keine zwei verschiedenen Kanäle.

ARD: Dann schauen wir uns mal an wie das Ganze in der arabischen Welt ankommt. Deutschland war eigentlich immer ein gern gesehener Partner. Jetzt gab es dann sozusagen vergiftetes Lob, nämlich aus Libyen selber, damals von Gaddafi der Deutschland für seine Außenpolitik eben die Enthaltung im Weltsicherheitsrat lobte. Das möchte man nicht wirklich haben, und es hatte ja auch, das Engagement der Deutschen in der arabischen Welt, anders angefangen, in Ägypten.

Reportage

ARD: Wir sprechen weiterhin mit dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn und wollen von ihm wissen, Herr Asselborn, wenn Deutschland jetzt mitgemacht hätte, was wäre denn dann anders an der verfahrenen Situation in Libyen, mit der Sie ja auch nicht zufrieden sein können so wie sie im Moment ist.

Jean Asselborn: Also ich glaube zu allererst müssen wir wissen, dass die NATO – und darum sind wir ja auch heute hier – eine extrem sensible und schwierige Mission zu erfüllen hat. Ich bevorzuge wirklich eine NATO, die etwas zögert und etwas zögerlich operiert, anstatt eine NATO die jetzt dreinschlägt. Sie wissen, dass die NATO 3 Aufgaben hat: das Waffenembargo, dann die "No Fly Zone", sowie das Schwierigste eben, den Schutz der zivilen Bevölkerung zu gewährleisten. Alle Europäer zusammen, bei diesen 3 Komponenten, glaube ich, hätten auf UNO-Ebene Solidarität zeigen müssen und dadurch auch die Durchschlagskraft gezeigt – immer mit der Bemerkung, dass ich, und viele andere Menschen in Europa akzeptieren, dass Deutschland nicht bei den Militäroperationen mitgemacht hat. Darum glaube ich, sollen wir jetzt die NATO gemeinsam unterstützen. Die operative Mission ist eine extrem schwierige Mission. Aber wir müssen immer bedenken, dass heute in Städten wie Misurata, wo 300.000 Menschen leben, unheimlich viel Leid geschieht. Wir müssen also als internationale Gemeinschaft zusammenstehen um diesen Menschen zu helfen.

ARD: Wie Herr Asselborn? Wie soll das funktionieren? Sie treffen sich heute. Wie soll es da weitergehen in Libyen?

Jean Asselborn: Das Erste was selbstverständlich weitergemacht werden muss, ist die operative Mission der NATO: gezielt Munitionslager, Panzer und so weiter zerstören, damit das Regime von Gaddafi nicht mehr fähig ist Städte zu belagern. Das ist das Allererste. Das Zweite ist, dass der politische Druck weiter aufgebaut werden muss. Wir haben vielleicht als internationale Gemeinschaft einen kleinen Fehler gemacht, oder gar einen großen, indem wir die afrikanische Union eigentlich ein wenig in der Ecke gelassen haben. Wir haben uns mit der arabischen Liga verständigt, das war gut und positiv. Wir müssen versuchen jetzt auch die afrikanische Union mehr einzubeziehen. Die haben noch eine Influenz auf Gaddafi. Das könnte wirklich helfen.

ARD: Wir wünschen Ihnen dabei viel Glück, Jean Asselborn. Uns läuft leider die Zeit in dem Moment weg. Viel Erfolg für die Konferenz heute, die NATO-Außenminister Konferenz heute in Berlin. Dankeschön für Ihre Einschätzungen.

Jean Asselborn: Bitte.

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