Jean-Claude Juncker au sujet de l'élection de François Hollande comme président de la République française

Marietta Slomka: Wohin treibt Europa, darüber wollen wir mit dem luxemburgischen Regierungschef Jean-Claude Juncker sprechen, dem Chef der Eurogruppe, also jener Gruppe in der alle Länder sind die den Euro als Währung haben. Guten Abend, Herr Juncker.

Jean-Claude Juncker: Guten Abend, Frau Slomka.

Marietta Slomka: Der französische Präsident hat nach seinem Wahlsieg – nicht im Wahlkampf, sondern nach seinem Wahlsieg – gestern gesagt, viele Länder sind nun hoffnungsvoll und erleichtert, dass das Sparen kein unabwendbares Schicksal ist. Heißt das, die europäische Krisenpolitik wird sich nun gründlich ändern müssen?

Jean-Claude Juncker: Er hat das auch im Wahlkampf gesagt. Er hat im Wahlkampf aber auch gesagt, dass er sich einsetzen würde für Defizitabbau in Frankreich, für den Schuldenstandabau in Frankreich, und dass er parallel dazu gerne europäische Wachstumsinitiativen heranwachsen sehen würde.

Beides passt zusammen, ist nicht neu. Wir haben über wachstumsimpulsgebende Elemente in den vergangenen Monaten geredet, aber über eine wirkliche Wachstumsstrategie verfügen wir nicht. Wir werden jetzt diese Elemente strategisch zusammenlegen.

Marietta Slomka: Lässt sich denn der Fiskalpakt überhaupt noch mal aufschnüren, denn darauf zielte Hollande bisher ja durchaus hin?

Jean-Claude Juncker: Also, da habe ich größte Zweifel. Man wird die Substanzelemente des Fiskalpaktes nicht ändern können. Es wird keine formalen Neuverhandlungen in dem Sinne geben können. Aber dass man dem Fiskalpakt Wachstumselemente hinzufügt, nicht notwendigerweise unter Vertragsform, das ist ein Anliegen das irgendwo in der Pipeline steckt, und das jetzt etwas beschleunigt werden wird.

Marietta Slomka: Wachstum finden wir alle gut, und jetzt reden auch alle wieder ganz viel über Wachstum. Aber jeder versteht darunter etwas anderes, oder?

Jean-Claude Juncker: Es gibt jene, die der Meinung sind – und die haben nicht Unrecht – dass wir in, wie man in Deutschland sagt, klammen Eurostaaten Strukturreformen vornehmen müssen. In Griechenland muss man zu einer systematischen Überprüfung der Steuererhebung kommen. In anderen Ländern muss man die staatlichen Verwaltungswege straffen, neu erfinden, zur Durchsetzung [wird unterbrochen]

Marietta Slomka: Ich glaube, solche [undeutlich] Reformen hat François Hollande aber nicht im Auge. Der möchte Konjunkturprogramme machen, oder?

Jean-Claude Juncker: Ja, Sie reden ja nicht mit François Hollande, sondern mit mir. Und ich sage, in den Staaten die in Schwierigkeiten stecken braucht es Strukturreformen, Arbeitsmarktreformen, das Aufschlüsseln zugesperrter, zugenagelter, geschützter Sektoren. Und dann braucht es, und das muss von Europa ausgehen, Wachstumsimpulse.

Haushaltskonsolidierung, die optionslos notwendig ist, muss von den Nationalstaaten geleistet werden. Wachstumsimpulse können von der europäischen Ebene her in die schwächelnden Staaten geleitet werden.

Marietta Slomka: Haben Sie denn mit François Hollande schon gesprochen und ihm erklärt, das Sparpaket wieder aufschnüren, das geht nicht, wir können höchstens noch so ein zweites Wachstumspaket dazu machen?

Jean-Claude Juncker: Ich habe heute mit François Hollande, der mich angerufen hat, geredet. Ich werde ihn auch am Donnerstag in Paris treffen in meiner Eigenschaft als Eurogruppenchef.

Und ich habe ihm deutlich gemacht, dass einiges geht und einiges eben nicht geht. Und was nicht geht, ist die Totalaufschlüsselung des verabredeten Fiskalpaktes. Das werden viele nicht mitmachen wollen, aber alle sind einverstanden damit, und das schon seit Monaten, dass wir Wachstumsimpulse in Europa brauchen. Weil es kann nicht sein, dass wir den Menschen nur Sparerfordernisse auf die europäische Agenda setzen, wir müssen auch perspektivische Hoffnung geben. Und die Wahlergebnisse in Griechenland zeigen ja, dass es eine absolute Hoffnungsabwesenheit gibt. Dieses Dilemma müssen wir beheben.

Marietta Slomka: Herr Juncker, vielen Dank für das Gespräch.

Jean-Claude Juncker: Ich danke, guten Abend.

Dernière mise à jour